„Ich dachte auch, er wäre es gewesen. Mach dir keine Vorwürfe."
Leichter gesagt als getan. Natürlich hatte Florian mal wieder Recht damit gehabt, dass es nicht wirklich etwas brachte, sich jetzt Vorwürfe zu machen. Ja, wir hatten uns mit unserem Verdacht gegen de Luca verrannt, er war nicht unser Serienmörder. Und mich deswegen jetzt schlecht zu fühlen, brachte uns kein Stück näher an den wahren Mörder heran, das war mir auch klar.
Trotzdem fühlte ich mich mies.
Ich hatte Federico de Luca angeschossen, hatte es in Kauf genommen, ihn zu verletzen, weil ich ihn für den Mörder gehalten hatte. Ich hatte Einsatzkräfte mit der Durchsuchung seiner Wohnung und der Fahndung nach ihm beauftragt. Und vor allem hatte ich Zeit verschwendet, indem ich mich so auf ihn und seinen Bruder fokussiert hatte, wertvolle Zeit, die ich mit dem Nachgehen anderer Spuren sinnvoller hätte nutzen können. Zeit, die der wahre Mörder genutzt hatte, um den Giftmord an Richard Bloch vorzubereiten und klammheimlich durchzuführen.
Natürlich mal wieder ohne brauchbare Spuren zu hinterlassen. Die Karte, die vor meiner Tür gelegen hatte, war bereits auf Fingerabdrücke untersucht wurden, doch wie nicht anders zu erwarten war die Nachlässigkeit, Fingerabdrücke zu hinterlassen, kein Fehler, den unser Mörder machen würde. Mit welchem Gift Bloch getötet worden war, wussten wir zwar im Prinzip schon, aber die abschließende und das bestätigende rechtsmedizinische Untersuchung würde noch dauern; dass diese Untersuchung irgendwelche hilfreichen Spuren zutage fördern würde, bezweifelte ich allerdings. Und auch dem Restaurant, in dem Bloch sein letztes Abendessen zu sich genommen hatte, hatte ich bereits einen Besuch abgestattet, doch auch dort hatte ich nichts Hilfreiches gefunden, denn weder der Wirt noch das weitere Personal konnte sich an einen verdächtigen Gast erinnern, im Innenbereich gab es keine Überwachungskameras und die Kamera am Eingang war im fraglichen Zeitraum ausgefallen, sodass man nun nicht mehr nachvollziehen konnte, wer genau zur welcher Zeit dort gewesen war und die Gelegenheit gehabt hatte, Bloch etwas ins Essen zu mischen – sicher kein Zufall, aber dass der Mörder sich mit Technik auskannte, wussten wir ja schon, das war also auch keine neue Erkenntnis, die uns irgendwie weiterbrachte.
Statt einem Mörder oder neuen Spuren hatten wir jetzt also nur einen dritten Mord und einen fälschlich des Mordes verdächtigten Drogenhändler. Ich hatte eben noch kurz mit Federico de Luca gesprochen und dann hatte ich ihn an das Drogendezernat übergeben. Damit war er endgültig raus aus dem Kreis der Mordverdächtigen. Womit sich die Teilnehmeranzahl dieses Kreises auf Null reduzierte. Denn ich hatte keine Ahnung, wer es noch gewesen sein könnte. Ehrlich gesagt hatte ich gerade das Gefühl, von überhaupt nichts irgendeine Ahnung zu haben.
Deshalb hatte ich auch Florian losgeschickt, um mit der Ehefrau von Bloch zu sprechen und sie über den Tod ihres Mannes zu informieren, denn nicht einmal diesen einfachen Botengang traute ich mir im Moment zu, selbst das war mir gerade einfach zu viel.
Spätestens seitdem Florian und ich vorhin beim Verlassen des Hotels auf eine kleine Meute von Journalisten gestoßen waren, die uns mit ihren Kameras, Mikrofonen und durcheinander gerufenen Fragen bedrängt hatten, war mir alles zu viel. Denn von dem Mord an Bloch hatte nun auch die Presse etwas mitbekommen und jetzt, wo die Öffentlichkeit in absehbarer Zeit Bescheid wusste über die Mordserie und dieses ermittlungstechnische Desaster, wollte ich das Polizeirevier am liebsten gar nicht mehr verlassen, denn dann müsste ich mich diesen ganzen Fragen und sicher auch bald folgenden Vorwürfen stellen und... Und das war einfach alles zu viel.
Einer falschen Spur nachzugehen ist kein Desaster, das passiert, das gehört dazu, das ist vollkommen normal.
Ja. Nein. Das Problem war, dass das hier keine normale Ermittlung war, sondern dass es hier um eine verdammte Mordserie ging und dass ich schon längst von diesem Fall hätte abgezogen werden müssen, wenn der Mörder uns nicht dazu zwingen würde, mich im Spiel zu behalten. Das Problem war, dass da draußen ein Täter herumlief, der als Serienmörder viel gefährlicher war als alle Verbrecher, die ich bisher hinter Gitter gebracht hatte. Und das größte Problem von allen war, dass wir keine Ahnung hatten, wer er war, und unsere Zeit mit dieser verfluchten falschen Spur verschwendet hatten!
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Spiel mit dem Mörder
Mystery / ThrillerDas Stadtzentrum Freudenstadts - ein Spielfeld. Ein Strauß weißer Rosen - ein weißer Spielstein. Eine Leiche - ein schwarzer Spielstein. „Lass uns spielen, Alena." Für die Kriminalpolizistin Alena Weiler sind Morde kein Spiel. Doch sie begreift schn...