Kapitel 7

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„Na wunderbar", meinte Florian gerade, als Nicholas Engel und ich den Vernehmungsraum betraten. Er sah kurz auf, als er uns bemerkte, deutete dann aber auf das Handy, das er sich ans Ohr hielt, und formte mit den Lippen die Worte Gleich fertig. „Okay, danke für die Info. Bis später", sagte er schließlich, bevor er das Telefonat beendete und sein Handy herunternahm. Mit zusammengezogenen Brauen sah er Nicholas an. „Hast du dich jetzt wieder beruhigt?" Als dieser nickte, schob Florian sein Handy in die Hosentasche und rutschte vom Tisch herunter, auf den er sich aus unerfindlichen Gründen während unserer Abwesenheit gesetzt hatte. „Großartig. Dann können wir ja jetzt weitermachen."

„Ich glaube nicht, dass das nötig ist." Bevor Florian mir widersprechen konnte, winkte ich ihn zu mir zur Tür und fügte hinzu: „Lass uns kurz draußen sprechen, ja?" Nicholas Engel bedeutete ich, sich hinzusetzen. „Sie warten solange hier, ich bin gleich wieder bei Ihnen." Wenigstens einer der beiden zögerte nicht, meiner Aufforderung nachzukommen. Florian dagegen fühlte sich dazu berufen, Nicholas Engel erst noch einen argwöhnisch-warnenden Blick zuzuwerfen, bevor er zur Tür kam und mit mir den Vernehmungsraum verließ.

„Was soll das jetzt?", fragte er, sobald ich die Tür hinter uns geschlossen hatte. „Ich dachte, wir wären uns einig, dass wir ihn als Verdächtigen nicht ausschließen dürfen."

„Florian, er hat mich gerade angerufen."

Florian runzelte verwirrt die Stirn. „Wer?"

Ich atmete tief durch. „Der Mörder." Damit ich es schnell hinter mir hatte, fasste ich den Inhalt des Telefonats möglichst knapp für ihn zusammen. „Jedenfalls wissen wir jetzt, dass es tatsächlich nicht primär um Engel ging."

Florian wandte den Blick zur Tür des Vernehmungsraums, als könnte er durch diese Tür hindurch Nicholas Engel sehen, der dahinter auf uns wartete. „Damit fällt eines seiner möglichen Motive weg", gab er zu. „Aber das zweite ist immer noch da."

Ja. Okay. Vielleicht. „Ich halte es immer noch für unwahrscheinlich, dass er auf mich steht." Mir war klar, dass Florian mir bei dieser Einschätzung eine zu große Subjektivität unterstellte – als ob er selbst signifikant weniger subjektiv an die Sache herangehen würde –, aber vielleicht neigte ich tatsächlich dazu, teilweise ungerechtfertigterweise anzunehmen, dass sich niemand wirklich in mich verlieben könnte. Doch darum ging es hier nicht, um reines Verliebtsein – hier ging es um eine krankhaft gewordene Obsession und zumindest die traute ich Nicholas Engel nicht zu.

„Aber das ist nicht der Grund, warum ich denke, dass wir die Vernehmung fürs Erste nicht fortsetzen müssen", sagte ich und setzte zu einer Erklärung an. Dankenswerterweise fiel Florian mir nicht ins Wort, um seine eigene Meinung kundzutun, obwohl ich ihm ansehen konnte, dass er etwas sagen wollte. Aber nicht vor meiner Erklärung – vielleicht ergaben sich seine Proteste ohnehin nach einer rationalen Überlegung. „Wir wissen erst einmal genug von ihm und ich denke auch nicht, dass er noch viel mehr Nützliches preisgeben wird, daher schlage ich vor, erst einmal sein Alibi zu überprüfen. Wenn niemand bestätigen kann, dass er zur Tatzeit im Museum war, dann können wir ihn immer noch wieder hierher holen." Ich bedachte meinen Kollegen mit einem mahnenden Blick. „Und jetzt sag bloß nicht, dass er sich in der Zwischenzeit aus dem Staub machen könnte. Die Fluchtgefahr ist bei ihm nicht sonderlich hoch und ich denke, das schätzt du auch so ein."

Einen Moment lang sah Florian so aus, als wollte er mit mir diskutieren. Doch schließlich musste er sich doch der Logik meiner Argumentation geschlagen geben. „Okay", gab er zu. „Du hast wahrscheinlich nicht ganz Unrecht." Er seufzte. „Von mir aus lassen wir ihn erst mal gehen. Wir haben ja bis jetzt noch nicht sonderlich viel gegen ihn in der Hand." Gar nichts traf es wohl eher.

Mir fiel ein, dass er eben telefoniert hatte, als wir den Vernehmungsraum betreten hatten. „Mit wem hast du eigentlich gerade geredet?"

„Pfälzer", antwortete Florian. „Er hat mir gesagt, dass die Zeugenbefragungen bis jetzt ziemlich ergebnislos waren." Na wunderbar. Aber was hatte ich anderes erwartet? Der Mörder schien immerhin relativ planvoll vorzugehen, es wäre also eher überraschend gewesen, wenn ihn jemand gesehen hätte, der uns nun ein Phantombild liefern könnte. „Es gibt zwar eine ältere Dame, die meint, einen verdächtigen Mann gesehen zu haben." Florian zuckte mit den Schultern; er wirkte nicht sonderlich zuversichtlich, was auch meine kleine Resthoffnung noch weiter reduzierte. „Aber auf die Nachfrage, was an dem Mann verdächtig gewesen ist, hat sie gesagt, dass er einen schwarzen Hoodie getragen hat und seine Kapuze aufhatte." Sein zweifelnder Blick sprach Bände. „Mehr außer dass er einen schwarzen Hoodie und eine Jeans getragen hat und männlich, mittelgroß und relativ normal gebaut war konnte sie den Kollegen nicht sagen. Und diese Beschreibung trifft sicher auf über die Hälfte unserer männlichen Bevölkerung zwischen fünfzehn und vierzig zu."

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt