Kapitel 58 - Lucifer

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Ein letztes mal atmete ich tief durch bevor ich langsam meinen Blick von den schwarzen Toren der Kapelle abwandte. Jetzt oder nie. Zeit zum Überlegen stand mir nicht zur Verfügung, denn so wie es Chris gesagt hatte, stand Lilith schon mit beiden Füßen im Himmel und weiß Gott was sie gerade tat. Vielleicht war es schon zu spät. Vielleicht hatte sie schon gewonnen aber das Böse würde nie gewinnen. So war es doch oder? Was wusste ich schon. Besser als sie war ich auch nicht, schließlich war ich der Teufel höchstpersönlich. Ich hob meinen Blick und traf auf den goldenen Kreuz, der in der Mitte des Raumes hing. Wie sollte ich Kontakt zu ihn aufnehmen, wenn er  unsere Verbindung vollkommen durchtrennt hatte? Es hat bisher auch nie funktioniert. Warum sollte es also jetzt aufeinmal klappen? Ich hatte es schon oft genug ausprobiert aber jedes mal wurde ich enttäuscht. Er hatte mich nicht erhört oder er hatte mich tatsächlich nur ignoriert. Es könnte alles möglich sein, schließlich war dieser Gott und hatte seine unverständlichen Wegen, die keiner so richtig verstand. Was er sich für mich überlegt hatte wusste ich nicht und würde es warscheinlich auch nie erfahren.

Ich schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter während mein Herz doppelt so schnell in meiner Brust schlug. Meine Schwingen zitterten unkontrollierbar während ich einen Schritt nach vorne machte. "Vielleicht war es doch eine Falle."  dachte ich mir als ich den nächsten Schritt machte. Zögernd blieb ich vor den drei Stufen stehen, die ich aufsteigen musste. Warum brauchte man überhaupt meine Hilfe? Es gab doch genug ausgebildete Engeln, die Jahwe treu ergeben waren. Von wo sollte dieser wissen, ob ich tatsächlich auf der Seite des Himmels kämpfen würde? Es war doch mein Plan, den Lilith gerade durchführte. Ich hatte mein ganzer Wut darin gesteckt und war bereit dafür es durchzusetzen. Aber jetzt...ich hatte den Tod in den Augen geblickt und...wollte ich es überhaupt noch? Wollte ich noch meine Rache durchführen? Ich schüttelte meinen Kopf. So dürfte ich nicht denken. Nicht wenn ich Jahwe erreichen wollte. Ich machte den nächsten Schritt nach vorne und stieg somit die erste Stufe auf. "Ich würde diesmal auf Gottes Seite stehen." dachte ich mir als ich die letzte Stufe erreicht hatte. Nervös spielte ich mit meinen Fingern während ich meinen Blick unscharf auf den riesigen Kreuz gerichtet hielt. Ich war ein Engel vor was hatte ich also Angst? Er hatte mich erschaffen und mir erlaubt von den Toten zu erwachen also würde mich dieser ganz sicher nicht umbringen. Vielleicht gehörte es zu seinen Plan. Vielleicht wollte er mich nur einschüchtern, um mich klein zu kriegen. Er hatte es geschafft, denn ich hatte Angst und wusste nicht einmal warum ich dieses Gefühl verspürte.

Mit zitternden Fingern strich ich unsicher über einer der Kanten des goldenes Kreuzes. Sollte ich niederknien? Vielleicht wäre das eine gute Idee, denn wenn jemand niederkniete, wirkte dieser nicht mehr wie eine Bedrohung. Dann war dieser untergeben und...ich war ihn doch garnicht untergeben. Und eine Bedrohung war ich durchaus, schließlich hatte ich ihn hintergangen und würde es immer wieder tun. Würde ich es wieder tun oder würde ich auf dieser Weise meine Treue ihn gegenüber erweisen? Vielleicht würde mir dieser am Ende des Tages wieder erlauben den Himmel ohne irgendwelchen Einschränkungen zu bewohnen. Oder ich würde wieder in den Käfig in den Herzen der Hölle landen oder noch viel schlimmer als das. Vielleicht würde ich heute mein letztes Atemzug geben und in mein eigenes Blut ertrinken. Erneut schüttelte ich meinen Kopf während ich mich mit weichen Knien auf den weißen Marmorboden fallen ließ.

Ich hatte mich von Belial nicht verabschiedet. Er hätte es verdient aber soweit hatte ich nicht gedacht. Er hätte es verdient ein einziges Ich liebe dich von mir zu hören, denn ich hatte es noch nie über meine Lippen gebracht. Ich wusste dass mich dieser liebte und ich tat es ja auch aber aussprechen konnte ich es noch nicht. Ich würde heute nicht sterben. Ich würde es ihn zur Liebe nicht tun, denn er sollte nicht wegen mir leiden. Er war schon wegen mir gefallen und hatte mir schon viel zu oft meine Wunden heilen müssen. Er hatte schon viel zu oft mein Blut erblickt und mich wieder auf die Beine gezerrt als ich einfach nur noch sterben wollte. Mit mein innerer Auge sah ich immer noch die Tränen in seine Augen, als es dieser geschafft hatte mich aus den Käfig zu befreien. Als dieser mich in seine Arme hielt und mir seine Liebeserklärung zuflüsterte bevor ich mein Bewusstsein verlor. Er war immer an meiner Seite gewesen. Er war da als ich noch glücklich in den Himmel gelebt hatte. Auch dann stand mir dieser zur Seite, als ich die Rebellion angestiftet hatte. Er stand neben mir, als wir angekettet mit Dreck beworfen wurden. Auch als Michael mein Flügel abgetrennt hatte, hatte mich dieser mit Tränen in den Augen angesehen. Mit Tränen verschwommen Augen hatte mich dieser auch angesehen, als ich gegen Satan gekämpft hatte, um seinen Reich an mich zu reißen. Er war immer für mich da gewesen aber nun musste ich es alleine durchziehen. Ich konnte ihn nicht in Gefahr bringen aber sterben konnte ich auch nicht. Am Ende des Tages würde ich ihn endlich sagen wie sehr ich ihn liebte.

Ich schluckte erneut als ich meine Augen schloss und meine Handflächen aufeinander legte während mein Kopf den kühlen Boden berührte. Meine weißen Schwingen zitterten immer noch ununterbrochen und wenn ich mich nicht irrte, taten sie dies stärker als davor. Kaum hörbar flüsterte ich ein Gebet bevor mir erneut die Luft zugeschnürt wurde. Ich hörte mein Herz viel zu schnell in meiner Brust schlagen während die Stille des Raumes nun ziemlich laut wirkte. "Herr ich bin es...mir ist bewusst, dass sie mich nicht erhören wollen aber..." gab ich mit zitternder Stimme von mir bevor ich erneut runterschlucken musste. "Mir ist zur Ohren gekommen, dass sie meine Hilfe benötigen. Ich stelle mich den Himmel zur Verfügung und nähme die Schuld auf mich." brachte ich erneut über meine Lippen während ich diesmal versuchte den Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. "Jetzt verstehe ich es. Ich bin ein schlechter Herrscher. Schaut mich doch an... ich schaffe es nicht einmal ein paar Dämonen in den Griff zu bekommen." sagte ich während sich meine Stimme immer wieder in meinen Kopf wiederholte. "Ich...ich möchte den Himmel helfen aber dafür brauche ich eure Hilfe. Ich werde sie diesmal nicht enttäuschen.  Ich verspreche es. Herr ich werde ihnen treu ergeben sein und meine Fehler wieder gut machen." gab ich erneut von mir während ich nicht einmal selbst glauben konnte, was ist da über meine Lippen brachte.

Meine Schwingen zitterten immer noch als ich spürte wie mir ein eiskalter Schauer über den Rücken lief obwohl es um mich herum wärmer wurde. Ich schluckte, denn mein Hals fühlte sich viel zu trocken an als ich durch meine geschlossene Augenlider  trotzdem Licht erblickte. Das Zittern hatte sich nun über mein Körper ausgebreitet und mir fiel es schwer nicht aufzustehen, um weg zu rennen. Ich konnte es spüren. Ich spürte seine Anwesenheit. Er war hier, hier mit mir in dieser kleinen Kapelle auf Erden. Schritte ertönten und kamen mit näher aber ich traute mich nicht meine Augen zu öffnen. Ich traute mich nicht ihn anzusehen. "Lucifer, mein Junge schau mich bitte an." hörte ich eine reine Stimme sagen, die mich sofort zusammenzucken ließ. Meine Augen öffnete ich zögernd aber ich tat es, denn ich würde schließlich dazu aufgefordert. Sofort blendete mich das Licht, das ihn umhüllte und brachte meine Augen dazu zu brennen. Trotz allem hob ich meinen Blick und traf auf blaue Augen, die mich zur meiner Überraschung liebevoll anblickten. Ich fühlte wie mir Tränen in den Augen stiegen, die ich jedoch zu zurückhalten versuchte. Ich beobachtete wie mir dieser seine Hand entgegenstreckte und dies brachte mich dazu den Versuch nicht vor ihn zu weinen vollkommen aufzugeben. Tränen rollten meine Wangen hinunter während ich mit zitternder Hand seine warme Hand ergriff. Ein Gefühl von Vollkommenheit kam mir entgegen während ich mit zitternden Knien es auf meine Beine schaffte. Ich ließ seine Hand wieder los bevor ich meinen Blick senkte.

"Es freut mich, dass du dafür bereit bist in den Kampf zu ziehen, um den Himmel zu retten aber du brauchst nicht die Schuld auf dich zu nehmen." hörte ich seine Stimme sagen während ich versuchte das Zittern zu unterdrücken, das durch meinen Körper lief. "Vor mir brauchst du keine Angst zu haben Lucifer. Ich werde dir nichts tun, sowas würde ich niemals tun." brachte dieser über seine Lippen und ließ mich runterschlucken. Ja es stimmte Jahwe hatte mir niemals wehgetan aber er hatte Leute dazu aufgefordert es zu tun. Er hatte meine Verbannung ausgesprochen und alles andere was danach gefolgt hatte, war zwar nicht seine Schuld gewesen aber er hätte es verhindern können. Dies hatte er jedoch nicht getan und das zeigte mir, dass er mir durchaus wehgetan hatte. Was redete ich da? Ich hatte es doch verdient, schließlich wollte ich ihn umbringen. Meine Bestrafung hatte ich vollkommen verdient und vielleicht war diese sogar viel zu locker gewesen. Vielleicht hätte dieser härter mit mir sein müssen. Vielleicht hätte ich es so schneller verstanden. Er war Gott und ich war es nicht. Er war mir überleben und ich war ihn untergeben. Ich war nichts Wert, einfach weniger Wert als Staub. An mir war nichts besonderes und schon garnicht mehr nachdem ich gefallen war.

"Du hast mich sicherlich hierher gebeten, um nach etwas zu bitten." hörte ich die Stimme Gottes sagen. Ich blickte zögernd nach oben und traf erneut auf seine blauen Augen. Die Angst schluckte ich in meiner Kehle hinunter bevor ich zum Sprechen ansetzte. "Das stimmt durchaus. Ich verlange nach meinen Flügel, der mir mit Gewalt genommen wurde."

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Hier ist der nächste Kapitel, ich hoffe es hat euch gefallen. Der nächste Teil kommt so schnell wie möglich.

evil_sadness15 🖤

ʟɪɢʜᴛ ɪɴ ᴛʜᴇ ᴅᴀʀᴋɴᴇssWo Geschichten leben. Entdecke jetzt