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Nervös trete ich von einem Bein auf das andere. Jetzt ist es also soweit. Ich werde heiraten. Wer hätte das vor zwei Monaten gedacht - richtig, niemand.

Gezwungenermaßen trage ich alles, was man für mich ausgesucht hat. Auch die Dessous. Das Hochzeitskleid und die Schuhe sind wunderschön und höchstwahrscheinlich wäre meine Wahl auch auf die ausgesuchten Modelle gefallen. Der Unterwäsche kann ich jedoch nichts abgewinnen, ich bin doch kein Pornostar. In meinem Alltag trage ich keine Dessous, viel zu unpraktisch. Aber da diese liebreizende Stylistin damit gedroht hat meinen Bruder zu holen, habe ich schließlich nachgegeben und alles widerstandslos angezogen.

„Schwesterherz! Wie schön, dass du es nun doch zu deiner Hochzeit geschafft hast", höre ich Quentins verächtliche Stimme.

Ich löse meinen Blick widerwillig vom Boden und schaue meinen verhassten Bruder böse an. Der Blondhaarige trägt einen dunkelblauen Anzug und dazu ein weißes Hemd, seine kalten Augen funkeln mich angriffslustig an: „Du siehst sogar ganz passabel aus." Soll das jetzt ein Kompliment sein?

Ich bleibe stumm.

„Los, komm mit. Ich habe die außerordentliche Ehre, dich zum Altar zu führen", meint mein Bruder ironisch und packt mich unsanft an meinem Oberarm, um mich in Richtung der kleinen Kapelle zu ziehen.

Was ist mit meinem Vater? Normalerweise ist es Tradition, das der Vater die Tochter zum Altar geleitet. Mein Verdacht, dass Quentin ihm etwas angetan hat, verschärft sich. Oder ich bin es meinem geliebten Vater einfach nicht Wert. Das wäre auch eine Option.

Die Kapelle befindet sich am östlichen Rand unseres riesigen Grundstückes. Sie ist klein, aber fein. Von außen wirkt sie unscheinbar und schlicht mit ihrer weißen Fassade. Innen wurde sie dann aber nur so mit goldenen Sakramenten und Wandbemalungen überschüttet. Jeder freie Christ wäre mehr als beeindruckt von der wertvollen Ausstattung unserer Kapelle. Wir beherbergen auch das ein oder andere historische Schmuckstück, das mehrere Millionen US-Dollar Wert ist, da es in der Religionsgeschichte eine wichtige Rolle gespielt hat. Für uns hat die Kapelle einen hohen Stellenwert,
schließlich sind nahezu alle Mafiosos streng katholisch. Dort halten wir  normalerweise Beerdigungen oder Gottesdienste ab, selten aber auch mal eine Trauung - so wie heute.

Aufgrund meiner hohen Absätze fällt es mir schwer mit den langen Schritten meines Bruders mitzuhalten, was zur Folge hat, dass ich das ein oder andere Mal umknicke. Sehr zu meinem Leidwesen. Schmerzhaft verziehe ich mein Gesicht: „Quentin! Wenn du willst, dass ich dort Heil ankomme, dann mach mal langsamer."

Tatsächlich verlangsamt er seine Schritte, sein Griff um meinen Oberarm verfestigt sich aber: „Wehe, wir kommen zu spät", droht er mir. Inzwischen sind wir nur noch wenige dutzend Meter von der Kapelle entfernt. Mein linker Oberarm schmerzt, da Quentin seine Finger fest hineinbohrt - das gibt bestimmt blaue Flecken. Mein Bruder ist so ein Arschloch!

Je näher wir der Kapelle kommen,  umso nervöser werde ich. Mein Herz schlägt laut und schnell in meiner Brust und meine Atmung verschnellert sich ebenfalls. Ich werde heiraten. Heiraten! Diese acht Buchstaben wollen einfach nicht in mein Gehirn gehen. Ich will es einfach nicht wahrhaben. Doch mit jedem Schritt, den wir gehen, komme ich meinem Schicksal näher. Mit jedem Schritt, rückt meine Unabhängigkeit weiter in die Ferne. Und mit ihr auch meine Freiheit.

„Wir werden da jetzt reingehen. Du schaust niemanden an und hältst deinen Blick gefälligst gesenkt. Vorne stellst du dich neben deinen zukünftigen Ehemann und bleibst dort ja stehen! Du schaust ihn nicht an, du sprichst nicht und du läufst natürlich nicht weg. Ansonsten schwöre ich, ich knalle dich ab", erklärt Quentin mir die Vorgehensweise, als wir vor der Kapelle stehen, „Wenn der Priester dich fragt, ob du heiraten möchtest, sagst du logischerweise Ja - spiel einfach brav mit. Zum Schluss küsst du ihn und fertig. Dann bist du endlich sein Problem und nicht mehr meins. Wenn du aber in irgendeiner Weise für Probleme sorgst, bringe ich dich um", droht mein Bruder mir heute schon das zweite Mal. Um die Drohung zu verstärken, deutet er auf seinen Hosenbund, in dem sich klar und deutlich die Wölbung einer Waffe abzeichnet.

Forced Love | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt