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10 Jahre zuvor

„Was machen wir hier?", frage ich den schwarzhaarigen Jungen neben mir und schaue auf die weitläufigen Wiesen und Wälder zu unseren Füßen herab.

Mein bester Freund hat mich auf einen Aussichtsturm hochgeschleppt, von wo aus man das gesamte Gelände unseres Internats überblicken kann.

„Ich mag es hier", antwortet Fynn ohne eine große Erklärung.

Wir haben uns auf den Boden gesetzt, unsere Beine durch die Metallstreben gesteckt und lassen nun unsere Füße baumeln.

„Es ist schön hier", stimme ich ihn zu und strecke mein Gesicht der untergehenden Sonne entgegen.

„Wie lief Mathe bei dir? Alexej hat gemeint, dass es mega schwer war?"

„Lief ganz gut", antworte ich ihm, „Die eine Aufgabe war voll der Dreck. Das hatten wir nicht mal im Unterricht besprochen und gab voll viele Punkte."

„Shit", meint Fynn nur, „Hast du Pläne fürs Wochenende?" Wechselt er plötzlich das Thema.

„Nope", beantworte ich seine Frage und lasse das ‚p' ploppen.

„Gut, dann hast du jetzt welche." Mit dieser Aussage dreht Fynn seinen Kopf grinsend in meine Richtung.

Fragend schaue ich ihn an: „Erklärung bitte?", lache ich nachdem er nichts sagt.

„Die Jungs und ich wollen auf eine Party hier in der Nähe. Das wird witzig!"

„Fynn", meine ich, „Das ist verboten. Ich hab keine Lust auf Ärger."

„Wir lassen uns ja auch nicht erwischen. Komm schon Lilli. Bitte!"

„Und wenn wir doch erwischt werden? Dann killt mein Dad mich."

„Mein Vater wird auch nicht begeistert sein", stimmt der Schwarzhaarige mir zu, „Aber komm schon. Ein bisschen Spaß muss sein. Und es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass uns jemand erwischt. Bitte, bitte, bitte!"

Verdammt, seinem Hundeblick kann ich einfach nicht widerstehen: „Na gut", gebe ich klein bei, „Aber wir sind vorsichtig, okay?"

„Deal!"

„Wer kommt alles mit?", frage ich nach.

„Ach, die Üblichen. Alexej, Collin, Kyran und Nicholas. Wenn du willst kannst du Emma fragen, ob sie mit möchte."

Das werde ich auf jeden Fall tun. Ich gehe doch nicht alleine mit fünf Jungs auf eine illegale Party. Emma ist meine Mitbewohnerin und sowas wie meine beste Freundin, sie hat bestimmt Lust mitzukommen. Vor allem, da sie für Collin schwärmt. Damit habe ich sie am Haken.

„Klingt gut. Emma kommt bestimmt mit", sage ich zu Fynn und beobachte unsere Schulkameraden, die sich vor dem Internat tummeln. Das gute Wetter lockt alle nach draußen. Einige haben es sich mit Decken auf den Wiesen gemütlich gemacht, andere sitzen an den Picknickbänken und ein paar wenige entspannen an unserem See. Dafür wäre es mir jetzt noch zu kalt, es hat zwar angenehme 21 Grad, aber um Baden zu gehen sollte es wärmer sein.

„Wann hast du morgen aus?"

„15.00 Uhr", gebe ich lächelnd von mir. Normalerweise habe ich Freitags immer bis um 16.30 Uhr Unterricht, aber morgen entfallen die letzten beiden Stunden. Zum Glück!

Da wir nun alle in der Abschlussklasse sind, ist unser Stundenplan dieses Jahr extrem voll und wir alle sind froh über jedes bisschen Freizeit.
Nach diesem Schuljahr geht es für uns dann zurück zu unseren Familien und in die Heimat. Ob ich meine Freunde je wiedersehen werde? Ich weiß es nicht, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Es gibt Mittel und Wege Kontakt zu halten, gewollt ist es allerdings nicht. Doch damit beschäftige ich mich wenn es soweit ist, jetzt deprimieren mich diese Gedanken nur.

„Stimmt, bei dir entfällt Waffenkunde. Dann können wir uns ja früher sehen morgen. Kommst du wieder zu uns aufs Zimmer?"

„Ja klar, wie immer", bestätige ich meinen besten Freund, „Schauen wir unsere Serie weiter?"

„Was sonst?", stellt er eine rhetorische Gegenfrage und grinst mich an, „Ich möchte doch wissen wie diese Staffel ausgeht."

„Same", stimme ich ihm ebenfalls grinsend zu, „Wollen wir langsam zurück? Es wird schon dunkel", frage ich ihn und deute auf die schon fast untergegangene Sonne.

Nickend steht Fynn auf und reicht mir seine Hand, damit er mich schwungvoll auf die Beine ziehen kann. Dann schlendern wir gemütlich zu der schmalen Treppe des Aussichtsturms.

„Irgendwann falle ich hier mal runter", merke ich zweifelnd an, als wir die steile Wendeltreppe herunterlaufen.

„Bevor das passiert fange ich dich auf", behauptet Fynn und breitet spielerisch seine Arme aus.

„Du Vollidiot", lache ich, „Dann fallen wir beide runter."

„Niemals", bleibt er standhaft, „Mit meinen stahlharten Muskeln fange ich dich locker auf", scherzt er und spannt seine Oberarme an.

Wir scherzen weiter bis wir schließlich unten angekommen sind und auf einer der weitläufigen Wiesen, rund um unser Internat, stehen. Von hier bis zum Schloss läuft man ungefähr zehn Minuten. Einen Weg gibt es nicht, einfach querfeldein.

Den Turm haben die Jungs durch Zufall entdeckt. Er wurde scheinbar früher für Schießübungen genutzt, inzwischen aber offensichtlich nicht mehr. Anhand der abgenutzten roten Farbe, die sogar teilweise schon rostet, kann man erkennen, dass sich niemand mehr um die Instandhaltung kümmert.
Das keiner mehr hierher kommt, ist für uns gut, so haben wir einen Rückzugsort und können außerhalb der dicken Schlossmauern mal entspannen und zur Ruhe kommen. Keine nervigen Lehrer, die einen dauernd im Auge behalten und keine Überwachungskameras, die jeden Schritt genauestens Aufzeichnen. Nur die Natur und wir.

Forced Love | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt