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Ich stehe wie paralysiert neben Fynn. Meinen Arm habe ich, wie es von mir erwartet wird, bei ihm untergehakt. Um mich herum bekomme ich nichts mit, weder das laute Geplapper der Gäste, noch die leise Musik.

Inzwischen haben die Feierlichkeiten, über die ich ebenfalls nicht informiert wurde, begonnen. Diese finden praktischerweise in unserem weitläufigen Veranstaltungssaal statt, der sich im Erdgeschoss der Villa befindet. Sehr beeindruckend, an was der Architekt beim Bau unserer Villa alles gedacht hatte.

Mein neuer Ehemann und ich stehen vor der großen Fensterfront und nehmen die Glückwünsche und Hochzeitsgeschenke der Anwesenden entgegen. Ich habe Mühe ein hoffentlich glaubwürdiges Lächeln auf meinen Lippen zu tragen und bin froh, dass der Schwarzhaarige neben mir die Förmlichkeiten übernimmt.

Ich selbst bin einfach nur erschöpft. Für meinen Körper war das alles heute zu viel Druck und Stress, was sich jetzt durch zittrige Beine und lautes Herzklopfen bemerkbar macht. Meine Kopfschmerzen werden auch von Minute zu Minute schlimmer.

So ganz realisiert habe ich die Hochzeit immer noch nicht. Ich, Lillian Rosalie Pellier, bin jetzt verheiratet. Total unglaubwürdig.

Mit Fynn habe ich seit der eigentlichen Zeremonie in der Kapelle kein Wort mehr gewechselt.

Mein Vater ist bisher noch nicht aufgetaucht und von meinen Schwestern fehlt jede Spur. Mir wird kotzübel bei dem Gedanken, dass Quentin ihnen etwas angetan hat. Wenigstens habe ich vorhin bei der Trauung kurz Annalise gesehen. So kann ich sicher sein, das sie nicht auch verschwunden ist, so wie Moira.
Da wären wir auch schon bei meinem nächsten Problem: Das spurlose verschwinden von Moira. Hoffentlich schaffen Mike und seine Männer es, etwas über das Wohlbefinden meines Vaters und das Verbleiben meiner Schwestern herauszufinden.
Immer dann, wenn man denkt es kann nicht schlimmer kommen, wird man eines besseren belehrt.

„Da ist ja das frisch verheiratete Paar!" Quentin tritt vor uns und wirft Fynn ein überschwängliches Lächeln zu: „Viel Spaß mit meiner Schwester", grinst er meinen Kindheitsfreund verschwörerisch an, „Aber den wirst du sicher haben, sie ist umwerfend, oder?" Meine Finger verkrampfen sich unbewusst um Fynns Arm und ich werfe meinem Bruder einen bösen Blick zu.

„Mich interessiert es nicht was du mit ihr machst. Also fühl dich ihr bloß nicht verpflichtet", fährt mein Bruder fort und übersieht dabei, dass Fynn alles andere als begeistert von seinen Aussagen zu sein scheint. Denn der Schwarzhaarige mustert Quentin wie ein lästiges Insekt und jeder Muskel in seinem Körper ist angespannt.

„Wegen mir kannst du sie auch in eine dreckige Zelle einsperren und wenn ihr auf wundersame Weise etwas passiert, werde ich wegschauen. Sie ist ein Miststück, das nichts besseres verdient hat", beendet Quentin seine kleine Rede und ich bin fassungslos. Er hat Fynn gerade durch die Blume gesagt, dass er mich ruhig umbringen kann. Wow. Was habe ich ihm je getan?

Als mein Bruder erneut zum sprechen ansetzt unterbricht Fynn ihn harsch: „Das reicht. Sag jetzt lieber nichts mehr, ansonsten wirst du es bereuen. Schließlich sprichst du von meiner Ehefrau!", dabei betont er das Wort Ehefrau besonders und wirft Quentin einen tödlichen Blick zu, „Du kannst froh sein, dass wir uns gerade auf einer öffentlichen Veranstaltung befinden. Aber ich schwöre dir, noch ein Wort und ich vergesse mich!", droht Fynn ihm und geht einen bedrohlichen Schritt auf den Blonden zu. Er ist definitiv respekteinflößend. Locker zehn Zentimeter größer, als Quentin und wenn Blicke töten könnten... puuuh, dann hätte ich jetzt keinen Bruder mehr.

„Wenn du meinst, aber vergiss meine Wort nicht", macht Quentin auf dicke Eier und verschwindet endlich.

Ich atme erleichtert aus und lasse meinen Blick durch die Menge schweifen. Vielleicht sehe ich ja irgendwo Thea oder Annalise. Die Chance ist gering, aber sie besteht.

„Wen suchst du?", spricht Fynn mich das erste Mal seit der Trauung und damit auch unseren Kuss direkt an.

„Meine Schwestern", antworte ich ihm ehrlich, „Ich habe sie den ganzen Tag über noch nicht gesehen", gebe ich zu und schaue ihn zögerlich an. Der Mann neben mir mustert mich intensiv und wirkt dann nachdenklich: „Ich habe heute nur die Braunhaarige - Annalise, oder? - bei der Trauung gesehen."

„Ja, sie hat uns die Ringe überreicht", meine ich und versuche nicht daran zu denken, wie komisch es ist über die Hochzeit zu reden.

Die Nachricht mit Lillian, du bist jetzt verheiratet ist noch nicht bei meinem Verstand angekommen. Und das ich mit Fynn verheiratet bin erst recht nicht. Ich muss das alles erst einmal verarbeiten, dann kann ich mich vielleicht auch dazu überwinden mit ihm zu reden. Schließlich ist nicht gerade wenig zwischen uns vorgefallen in der Vergangenheit, ich weiß nicht ob ich ihm das jemals Verzeihen kann. Aber alles der Reihe nach. Erstmal muss ich den Abend irgendwie rumkriegen.

„Deine Schwestern werden schon noch auftauchen", flüstert Fynn mir zuversichtlich ins Ohr und wendet sich dann den herannahenden Gästen zu. Sie gratulieren uns und überreichen Fynn eine kleine Schatulle, wahrscheinlich das Hochzeitsgeschenk. Keine Ahnung wer diese Leute sind, aber ich kenne nahezu keine der hier Anwesenden. Perfekte Voraussetzung, wenn man auf seiner eigenen Hochzeit die Gäste nicht kennt.

„Ach, wie schön, dann sind wir Drei ja endlich wieder vereint", mit diesen Worten stellt sich ein breit grinsender Alexej vor uns.

„Moy brat", begrüßt Fynn seinen besten Freund auf russisch, löst seinen Arm von meinem und umarmt Alexej kurz: „Schön, dass du gekommen bist." Die beiden hatten schon im Jugendalter eine außerordentlich enge Freundschaft gepflegt. Scheinbar hat sich das in den letzten Jahren nicht geändert.

Dann stellt Fynn sich wieder neben mich und legt seinen Arm diesmal um meine Schultern und hakt sich nicht, wie zuvor, bei mir unter. Eine besitzergreifende Geste.

„Lillian, schön dich zu sehen", lächelt Alexej mich ehrlich an.

Ich lächele zögernd zurück. Der große Russe und ich waren früher zwar auch Freunde gewesen, aber nie sonderlich gute.

„War ja eine ganz schön aufregende Zeit die letzten paar Wochen", meint Alexej verschmitzt grinsend, „Aber jetzt habt ihr ja eure Hochzeit bekommen. Schön, schön. Ich erwarte euch beide übrigens morgen zum Mittagessen!"

„Ja, dass stimmt", grinst Fynn seinen Freund an, „Wir werden sehen, wie fit wir morgen sind", dabei wirft der Schwarzhaarige mir doch allen ernstes einen versauten Blick zu. Wenig begeistert über seine Anspielung auf Sex, verschränke ich meine Arme abweisend vor der Brust.

„Ich glaube, deine Frau scheint nicht so begeistert über die anstehende Hochzeitsnacht zu sein."

Während Fynn nur ein herzliches Lachen von sich gibt, weiten sich meine Augen entsetzt.

Hochzeitsnacht?!

Wie konnte ich das vergessen. Ach du scheiße, deshalb wohl auch die Dessous.



Was haltet ihr eig von Widmungen? Hättet ihr Lust darauf, dass ich in Zukunft jedes Kapitel jmd von euch widme?

Forced Love | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt