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„Hast du alles gepackt?", betritt Annalise mein Zimmer und mustert mich fragend.

Heute ist der Tag gekommen. Heute werde ich gehen.

„Ja", sage ich und deute auf die Sporttasche, die auf meinem Bett liegt. Ich habe nur das Nötigste an Klamotten eingepackt und einiges an Bargeld. Meine Bankkarte würde ich auf der Flucht sowieso nicht nutzen können, die kann man zu leicht zurückverfolgen.

„Ich kann es nicht glauben, dass wir das wirklich durchziehen", gibt meine jüngste Schwester ungläubig von sich und streicht sich dabei eine ihrer braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht.

„Ich auch nicht", stimmt Moira zu und kommt kurz darauf durch die Tür, „Aber unser Plan ist gut!"

„Ja", meine ich und schaue meine beiden Schwestern dankbar an. Vor zwei Tagen habe ich den Entschluss gefasst, dass ich abhauen werde und meine Schwestern stehen voll und ganz hinter mir. Gestern haben wir den ganzen Tag damit verbracht alles bis ins kleinste Detail durchzuplanen und heute werden wir die Theorie in die Praxis umsetzen. Gott steh uns bei!

„Alle bereit?", schaue ich fragend und zugleich ernst in die Runde, es darf nichts schief gehen.

„Ja, Thea wartet unten", antwortet Moira und Annalise nicht mit ernstem Gesichtsausdruck. Wir sind uns alle der Situation bewusst, sollte etwas nicht nach Plan laufen sind wir dermaßen am Arsch.

Ich nehme die Tasche und folge meinen Schwestern, die identische Taschen in den Händen halten. Wir laufen durch die leere Villa und verlassen sie kurz darauf durch das große Eingangstor. Im Hof wartet wie abgesprochen Thea, die sich lässig an Moiras großen BMW gelehnt hat.

Nico und die anderen Bodyguards sind wie geplant hinten im Garten, wo Thea zuvor für Ablenkung gesorgt hat. Wie sie das geschafft hat? Keine Ahnung. Gestern hat Thea gemeint sie hat eine gute Idee und das sie die Ablenkung übernehmen könne.

„Schnell", meint Besagte und winkt uns zu dem großen SUV, während sie die Fahrertür öffnet und einsteigt. Wir tuen es ihr gleich und kurz darauf sitzen wir vier in Moiras Wagen. Die Taschen haben wir auf dem Schoß. Auf den Überwachungskameras wird es so aussehen, als würden wir zum Strand fahren. Somit wird keiner der Security-Männer vorschnell Alarm schlagen, was uns einen kleinen zeitlichen Vorteil einbringt.

„Let's go!", gibt Annalise aufgedreht von sich und Thea drückt das Gaspedal durch. Wir passieren ungehalten das Tor an unserer Einfahrt und fahren in Richtung Highway davon.

Tief durchatmend schaue ich aus dem Fenster und mustere die an uns vorbeiziehenden Anwesen. Das war es also. Weg war mein schönes Leben als rechte Hand meines Vaters und herzlich willkommen in einem Leben auf der Flucht. Toll gemacht, Lillian.

„Hier", stupst mich Moira an, „Damit wir in Kontakt bleiben können." Mit diesen Worten reicht mir der blonde Lockenkopf ein Prepaid-Handy. Es ist nahezu unmöglich zurückzuverfolgen und niemand außer meinen Schwestern weiß, dass ich es besitze.

„Danke", meine ich und bin inzwischen den Tränen nahe. Die letzten Minuten mit meinen Schwestern sind angebrochen. Wann ich sie je wieder sehen werde steht in den Sternen. Denn aus der Mafia steigt man nicht einfach mal so aus. Loyalität oder Tod. Etwas anderes gibt es nicht. Hinzu kommt mein Zukünftiger, dessen Ehre ich mit meiner Flucht wahrscheinlich zutiefst beleidigt habe. Er wird mich finden und töten wollen.

„Versprecht mir nur eins", wende ich mich, mit bemüht fester Stimme, an meine Schwestern, „Lasst Quentin nicht alles durchgehen. Er hat irgendwas vor und das wird für euch, genauso wie für mich jetzt, nicht gut ausgehen."

„Versprochen!", kommt es einstimmig von den Dreien.

„Wir sind in zehn Minuten am Bahnhof", verkündet Thea, während sie das Auto sicher durch den Stadtverkehr lenkt.

„Scheiße Lilli, wir ziehen das gerade wirklich durch", gibt Annalise plötzlich fassungslos von sich.

Lachend schaue ich zu der Braunhaarigen nach vorne: „Ich weiß. Wer hätte das gedacht."

„Ohne Scherz, wenn vor zwei Wochen jemand zu mir gekommen wäre und gesagt hätte, dass meine älteste Schwester bald abhaut und vor einer Hochzeit flieht, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt", beschreibt Annalise die aktuelle Situation sehr treffend.

„So wahr", stimmt Moira halb lachend und halb weinend zu, „Was machen wir nur ohne dich."

„Schau mich nicht so an", schniefe ich, „Sonst fange ich gleich richtig an zu weinen."

„Mensch", beschwert sich Annalise von vorne, „Ihr beiden drückt die Stimmung hier voll runter", aber auch sie hat mit den Tränen zu kämpfen.

„Wir sehen uns ja wieder", versuche ich uns alle zu trösten, „Aber ich muss hier jetzt echt weg. Mir wird das alles zu viel."

„Verständlich. Vor allem kam das ganze so plötzlich", meint Moira und lächelt mich beruhigend an, „Wir stehen alle hinter dir!"

„Wir sind da", äußert sich Thea und biegt kurz darauf in einen der zahlreichen Parkplätze vor dem Bahnhofsgebäude ein.

„Ich werde euch vermissen. Passt auf euch auf", verabschiede ich mich, nachdem ich noch einmal tief durchgeatmet habe. Ich schaue jeder meiner Schwestern ernst in die Augen: „Das ist kein Abschied für immer! Ich werde herausfinden was Quentin vor hat, ihr seit vorsichtig und haltet euch so gut es geht zurück. Aber vertraut Quentin bloß nicht!"

Wir haben gestern vereinbart, dass die Anderen im Auto sitzen bleiben, da es sonst zu auffällig wäre. Die richtige Verabschiedung mit vielen Tränen und Umarmungen haben wir also schon hinter uns.
Deshalb greife ich jetzt nach den Griffen meiner Tasche, öffne die Tür und steige aus.

„Ich liebe euch!", wende ich mich ein letztes Mal an meine Schwestern, dann schließe ich die Tür des schwarzen Wagens.

Mit großen Schritten laufe ich auf das, vor mir aufragende, Backsteingebäude zu und kurz darauf verschwinde ich hinter den breiten Schwingtüren.

Jetzt beginnt ein neuer Abschnitt meines Lebens.



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Forced Love | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt