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„Kommt sie durch?", frage ich nervös den Arzt, der im Unterschlupf bereits auf uns gewartet hat.

Die Wohnung liegt im Norden Chicagos und ist im Viertel der Mittelschicht. Schlicht und unauffällig, so wie ein Versteck sein sollte. Dazu gut erreichbar und zentral gelegen. Mike hat die Wohnung gut ausgesucht.

„Ja. Es werden jedoch einige Narben bleiben, von den psychischen Schäden mal ganz abgesehen. Lillian, deine Schwester wurde vergewaltigt. Sie wird in der nächsten Zeit viel Unterstützung und Beistand brauchen. Ich habe ihr ein Schmerzmittel verabreicht und sie wird wohl noch eine Weile bewusstlos sein."

Vergewaltigt. Heilige Scheiße. Quentin ist so gut wie tot! Wie kann er das seiner eigenen Schwester nur antun, da war meine Heirat ja ein Lottogewinn.

Beim Gedanken an Moiras Leid treten mir Tränen in die Augen. Meine arme Schwester. Wäre ich nicht auf der Flucht gewesen, hätte Quentin sie vielleicht nie weggebracht. Verdammt, ich bin so eine egoistische blöde Kuh.

Unruhig gehe ich im Flur auf und ab.

„Wir sollten Fynn informieren. Das es uns allen soweit gut geht und wir Moira gefunden haben", tritt Luka in den Flur und mustert mich nachdenklich, „Sie schafft es, oder?"

„Ja, sie wird es überleben", teile ich dem Braunhaarigen mit, „Wegen mir kannst du Fynn anrufen, ich habe da jetzt keine Nerven für."

„Du musst ihn anrufen. Lillian, er wird sich sonst nur jede Menge Sorgen machen."

„Luka, ich habe gerade andere Probleme, als Fynn! Meine Schwester wurde von irgendeinem
Bastard missbraucht und wer weiß, was die ihr sonst noch so angetan haben!", schreie ich den Dunkelhaarigen an und fahre mir verzweifelt durch meine blonden Haare.

„Sie wurde vergewaltigt?!", wiederholt Luka entsetzt meine Aussage, „Solche Wixxer!"

„Wir müssen irgendwie an Quentin rankommen."

„Ganz miserable Idee, Lilli", mischt sich Mike in das Gespräch ein, „Eure Villa ist eine Festung! Und Quentin hat dutzende Leibwachen, er ahnt, dass du ihn stürzen möchtest. Noch dazu, hat er Thea und Annalise in seiner Gewalt. Wir brauchen einen guten Plan und garantiert mehr, als zwanzig Männer, um zu deinem Bruder durchzudringen."

„Du hast Recht", gebe ich seufzend nach. Am liebsten würde ich alleine zur Villa fahren und Quentin einfach umbringen. Er hat nichts anderes verdient. Aber das wäre eine Selbstmordkommando.

„Ich gehe wieder zu Moira", meine ich zu den beiden Männern und trete in das kleine Schlafzimmer.

Meine Schwester ist in die weichen Kissen gebettet und liegt still da. Allein ihre, sich bewegende Brust, verrät, dass sie noch lebt. Sie sieht aus wie eine Leiche. So blass.

„Oh, Moira! Es tut mir so leid", seufze ich und setzte mich auf den Stuhl neben ihrem Bett. Vorsichtig greife ich ihre Hand, die still auf der Bettdecke liegt und drücke diese leicht.

Annalise und Thea haben eigentlich auch das Recht, zu Erfahren, was Geschehen ist. Aber ich habe keine Möglichkeit meine anderen beiden Schwestern zu kontaktieren. Quentin schirmt sie von der Außenwelt ab. Einzig von Mike weiß ich, dass die beiden wohlauf sind.

Ich weiß nicht, wie lange ich schon am Bett meiner Schwester Wache halte, aber irgendwann kommt Luka durch die Tür und hat einen Teller mit belegten Broten in der Hand.

„Du musst etwas essen."

„Danke", meine ich, nehme ihm den Teller aus der Hand und bemerke jetzt erst, dass es draußen bereits dunkel ist.

„Fynn hat angerufen - mehrmals. Er macht sich Sorgen. Ruf ihn bitte zurück", teilt der Braunhaarige mir mit, „Ich bleibe solange bei deiner Schwester."

„Was ist eigentlich mit der anderen Frau? Geht es ihr gut?"

„Sie lebt, dass ist bisher auch alles. Die Frau ist in deutlich schlechteren Zustand, als Moira", erwidert Luka leicht betrübt. Selbst für hartgesottene Mafiosi, war das heute kein leichter Anblick. Frauen leid zuzufügen ist verschmäht und wird nicht geduldet. Es gilt als schwach und feige, Frauen in irgendeiner Form Gewalt anzutun.

„Dann telefoniere ich jetzt wohl mal mit Fynn", erkläre ich Luka, als ich fertig gegessen habe und vom Stuhl aufstehe.

„Er wird sich freuen", grinst dieser mich verschmitzt an und nimmt meinen Platz an Moiras Seite ein.

Ich ziehe mich in das leere Wohnzimmer zurück und wähle die Nummer des Schwarzhaarigen. Nahezu sofort nimmt er ab und meint: „Lilli! Warum hast du nicht früher angerufen?"

„Moira geht es schlecht. Sie hat Glück, dass sie überlebt hat."

„Ich weiß, Xavier hat mich bereits darüber informiert. Ihr werdet solange, wie nötig in Chicago bleiben und dann werdet ihr Moira mit nach New York nehmen. Hier kann deine Schwester in aller Ruhe wieder zu Kräften kommen", informiert mich Fynn.

„Das ist eine gute Idee. Aber bevor wir zurück kommen, werde ich Quentin umbringen."

„Nein! Wir werden deinen Bruder stürzen, aber nicht unüberlegt. Komm zurück nach New York und dann legen wir uns einen Plan zurecht. Ich möchte nicht, dass du überstürzt handelst und dabei womöglich noch verletzt wirst!"

„Du verstehst das nicht -"

„Oh, doch! Ich verstehe sehr wohl: Du willst Rache. Und da hast du auch ein Recht dazu, aber nicht so!", beharrt Fynn auf seinem Standpunkt.

„Fynn! Ich kann doch nicht einfach zurück zu dir und Annalise und Thea bei diesem Arschloch lassen!"

„Er hat ihnen bis jetzt nichts angetan, dann wird er das in der nächsten Woche auch nicht tun."

„Wer garantiert mir das? Quentin ist unberechenbar!", bleibe ich stur und laufe im Zimmer auf und ab. Ich kann nicht ruhig sitzen, wenn ich nervös und aufgeregt bin.

Vom anderen Ende der Leitung ertönt ein tiefes Seufzen: „Ich weiß. Mike passt doch bestimmt auf deine anderen beiden Schwestern auf. Aber ich kann dich nicht in deinen sicheren Tod laufen lassen! Du reist gemeinsam mit Moira in zwei Tagen zurück nach New York. Bis dahin sollte deine Schwester wieder einigermaßen auf den Beinen sein. Lillian, du hast mir versprochen, dass du zurück zu mir kommst", betont er besonders den letzten Satz.

Dieses scheiß Versprechen.
Warum bin ich gestern bloß schwach geworden.
So ein Mist.

Ergeben nicke ich, auch wenn Fynn das nicht sehen kann: „Na gut, aber wir planen nach meiner Rückkehr sofort die zukünftige Vorgehensweise!"

„Versprochen", verspricht diesmal Fynn mir etwas. Und ein Versprechen wird nicht gebrochen, dass ist Ehrensache.



Soll ich euch mal was verraten?
- Ich schreibe gerade parallel noch an einer Sports-/Highschoolromance und habe schon 10 von ca. 15 Kapitel geschafft. ;)

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Forced Love | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt