Erst war es ein kleines Stechen gewesen, auf das ein unfassbarer Schmerz folgte. Mein Herz wurde schwer und mein Magen verkrampfte sich. Wie konnte man mit so einem Denken nur leben?
Er hatte alles zerstört. Zwischen uns war nie weniger gewesen und jetzt sollte ich die ganze Schuld dafür tragen? Ich solle nichts bemerkt haben, vielleicht solle es mir auch einfach bloß egal gewesen sein. Aber nie hatte er auch nur ein mal daran gedacht, was er mir mit diesen Worten antat. Ich fühlte mich so machtlos wie ein kleines Kind, was sich die weisen Worte seines Vaters verinnerlichen sollte. Er wüsste schließlich alles, denn er war der ältere. Das war die Macht des Stärkeren.Ich spürte die Wut in mir aufkochen, bald würde sie schon meinen ganzen Körper einnehmen. Ich war nicht die Art Mensch, die schreien würde, um die Wut entweichen zu lassen. Wie gerne wäre ich es in diesem Moment aber gewesen. Ich drückte meine linke Hand in den rechten Arm, um den Schmerz auszugleichen und die Wut rauszulassen.
Mein ganzer Körper bebte und meine Augen wurden heiß, ich hielt es nicht mehr aus, nicht in diesem Körper und nicht in diesem Haus. Es gab nur eine Sache, die ich jetzt tun konnte, um die anrollende Panikattacke aufzuhalten bevor sie richtig da war.
Somit rannte ich hinunter in den Garten, schnappte mir mein Fahrrad und fuhr los.
Der Wind brauste mir laut an den Ohren vorbei und durch die zerzausten Locken, während die Landschaft vor mir immer größer wurde. Schon waren alle Gedanken weg und das einzige Gefühl in mir war Freiheit. Ich wollte weiter fahren, am liebsten die ganze Nacht durch und vielleicht hätte ich dies auch getan, wenn ich ein Licht an meinem Fahrrad gehabt hätte. Die Schmerzen in meinen Beinen waren nichts im Vergleich zu dem, der mich immer noch von innen durchströmte.
Es war mir egal, ob er sich um mich sorgte, denn das tat er sowieso fast nie. Wie oft hatte er mir gesagt, ich solle mit ihm sprechen, ihm alle meine Gedanken mitteilen? Und nun, da ich es getan hatte, war er sauer auf mich?
Eine Träne rollte meine Wange entlang, wurde aber schnell vom Wind getrocknet.Einen tröstenden Gedanken gab es allerdings: Ab morgen würde ich ihn nicht mehr sehen müssen. Ich müsste vorerst nicht wieder zu ihm, wenn ich das nicht wollte. Morgen war der erste September und das war der Tag, an dem ich endlich wieder nach Hogwarts konnte. Ich wusste, wie wenig er von diesem Ort hielt, schließlich war er ein Muggel. Andererseits war meine Mutter auch einer und sie hatte sich so für mich gefreut. Immer, wenn ich zu ihr kam, hatte sie alles über Hogwarts hören wollen, über meine Freunde, meine Lehrer und die Häuser. Sie war fasziniert von dieser fremden Welt. Aber er hielt sie für Schwachsinn. Wäre er nicht so einsam und bräuchte nicht jeden möglichen sozialen Kontakt, so wäre es ihm wahrscheinlich auch nicht so wichtig gewesen, dass ich ihn besuche. Ich war sein Mittel zum Zweck und nicht seine Tochter. Wegen mir hatte er eine warme Mahlzeit am Tag, jemanden, bei dem er seine Sorgen, aber auch seinen Hass auf die ganze Welt abladen konnte.
Ihm wäre es lieber, ich sei keine Hexe. Ich hätte lieber normal werden und mich für die Dinge interessieren sollen, die er mag.
Doch damit war jetzt Schluss, zu viele Jahre hatte ich das alles über mich ergehen lassen. Es wurde Zeit, dass ich mein eigenes Leben lebte. Ich würde mich nach diesem Jahr für einen Beruf entscheiden müssen, dann würde ich gewiss keine Zeit mehr für ihn haben.Zuhause angekommen rollten einige weitere Tränen über meine Wangen, das Haus weckte in mir zu viele schlechte Erinnerungen. Ich rannte sofort in mein Zimmer, um ein weiteres Gespräch mit ihm zu vermeiden. Es war schon spät, er war nun nicht mehr er selbst. Er würde Dinge sagen, die er morgen vielleicht bereute, vielleicht aber auch vergaß. Doch ich hatte keines seiner Worte vergessen, so gerne ich dies wollte.
Es war eine grauenvolle Nacht, ich wälzte mich von der einen auf die andere Seite und kämpfte mit den ganzen verdrängten Gedanken aus meiner Kindheit. Hinzu kam die Angst vor der Zukunft. Ich wachte morgens schweißgebadet aus einem schlechten Traum auf und warf schnell meine letzten Sachen in den Koffer. Er würde mich gleich zum Bahnhof fahren, ich war auf ihn angewiesen. Er würde mich am liebsten nicht fahren, denn das war ihm zu viel Aufwand. Keinen Gedanken würde er daran verschwenden, wie viel ich die letzten Jahre für ihn getan hatte.
Ich blickte aus dem Fenster und sah kleine Tröpfchen durch die Luft wirbeln, die wenige Minuten später den ganzen Himmel bedeckten.Ich schnappte mir meinen Koffer und den Käfig meiner Eule und schlich die Treppen hinunter. Mein Vater saß schon am Tisch und starrte aus dem Fenster.
,,Ich habe schlecht geschlafen, der Streit von gestern ging mir nicht aus dem Kopf, aber du wolltest ja nicht mit mir reden", murmelte er leise, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
Ich sagte nichts, zu groß war meine Angst, alles jetzt schlimmer zu machen.
,,Bist du bereit? Dann können wir ja jetzt los. Dort kannst du dich ja wieder mit deinen Freunden unterhalten und musst dich nicht mehr mit mir abgeben."
Jedes dieser Worte schmerzte, doch er merkte es nicht, er würde es niemals bemerken.
,,Ja, wir können gehen", flüsterte ich fast lautlos.
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Remus Lupin (Rumtreiber & PoA) ff: Von Smaragden und Saphiren
Fanfiction,,Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall treffen" -Friedrich Dürrenmatt Eine Begegnug im Hogwarts-Express und ihre Auswirkungen stellen das Leben von Saphira May komplett auf den Kopf. Eigentlich sollte die jun...