13. [Nachhilfe]

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Die letzten Tage vor dem Wochenende sollten sich ewig lang anfühlen. Ich muss gestehen, es hätte mir auch gar nicht schnell genug gehen können. Auf der einen Seite war ich so dankbar für das, was ich mit Remus momentan hatte. Er war für mich da, wenn ich jemanden zum Reden brauchte, wir konnten zusammen lachen und wir wollten auch weiterhin mit der Gitarre üben. Ich hatte große Angst davor, das alles zu zerstören, indem ich Gefühle für ihn entwickelte.
Auf der anderen Seite spürte ich eine so starke Anziehung zu ihm, dass mir jede Sekunde ohne ihn um einiges länger erschien.
Tagträume verfolgten mich andauernd, wenn ich ihn sah und mein Herz machte jedes mal einen großen Satz, wenn er zu mir aufschaute.
Ich wusste, ich hatte in ihm nie bloß einen guten Freund gesehen.
Diese zwei Seiten in mir stritten sich ständig und ich wünschte, ich wüsste, welcher ich vertrauen sollte.

Am Freitag waren alle schon in Wochenendstimmung, da sie keinen Unterricht mehr am Nachmittag hatten.
,,Ihr hättet euch echt einen anderen Tag aussuchen sollen", überlegte Shawn, als ich mich verabschiedete, um in die Bibliothek zu gelangen.
,,Ist ja auch noch kein fester Termin. Also bis später", meinte ich und verschwand durch die Tür.

,,Hey, alles klar?", fragte ich Carla, die schon an einem Tisch am Fenster saß.
Sie nickte und wirkte dabei etwas nervös. Ich ging zum Regal und schlug ein Buch auf, bevor ich mich ihr gegenüber setzte.
,,Hast du irgendwelche Fragen zu bestimmten Zaubern?", fragte ich, um die Stimmung zu lockern.
Sie schüttelte bloß den Kopf und schaute mich mit großen Augen an.
,,Eigentlich verstehe ich ja alles, aber wenn es darauf ankommt, mache ich nicht das, was ich zuvor geplant habe", sagte sie ziemlich leise.
Sie schaute zur Seite und lief ein wenig rot an. Ich hatte eine kleine Vorahnung, weshalb ich ihr einige Fragen stellte. Sie beantwortete jede einzelne Frage richtig, obwohl sie sehr nervös war und am Ende einer überreifen Tomate glich.
,,Weißt du was? Wir machen das jetzt ganz anders", sagte ich und legte das Buch in sein Regal zurück.
,,Komm mit. Du brauchst bloß deinen Zauberstab. Kein Pergament, keine Tinte, kein Buch und keine Feder."
Sie starrte mich etwas verwirrt an, aber ich ließ ihr keine Zeit, all die Fragen zu stellen und ging sofort aus der Bibliothek.
Sie lief mir schnell hinterher und kurze Zeit später standen wir am Rande des Verbotenen Waldes.
,,Du willst dort doch nicht rein, oder?", fragte sie schnell etwas verängstigt.
,,Ach Quatsch, aber hier haben wir Platz und Ruhe", erklärte ich sofort.
,,Weißt du, dein Problem ist nicht, dass du es nicht weißt. Du hast einfach Angst, es umzusetzen, das ist alles. Und an dieser Angst arbeiten wir jetzt."
Sie blickte auf den Boden, nickte aber gleich.
,,Damals habe ich einen Fehler in Verwandlung gemacht, woraufhin
Zack mich vor der ganzen Klasse ausgelacht hat. Ich sollte einen Vogel in ein Buch verwandeln, allerdings kam bei mir irgendwie eine Erbse raus. Seither nennen sie mich alle 'Erbsenhirn'."
Sie machte eine Pause, als hätte sie erwartet, dass ich laut los lachen würde. Sie blickte immer noch auf den Boden. Ich setzte mich ins Gras und bedeutete ihr, sich neben mich zu setzen.
,,Das, was ich dir jetzt erzähle, habe ich bisher noch keinem gesagt", ich holte tief Luft.
,,Als ich damals auf einer Muggelschule war, habe ich ein Mal etwas ziemlich blödes gesagt, woraufhin alle gelacht haben. Die nächsten Jahre wurde ich immer damit aufgezogen. Ich hatte seither eine große Angst davor, etwas falsches zu sagen, also habe ich nichts gesagt.
In einem Jahr wurde es sehr knapp für mich und ich habe mich einem neuen Lehrer anvertraut. Ich habe ihm erzählt, wie groß meine Angst war, etwas zu sagen. Und er hat mir etwas gesagt, das mein Leben in Hogwarts täglich begleitet."
Ich machte eine kurze Pause, um die folgenden Sätze hervorzuheben. Sie blickte mich nun erwartungsvoll und fragend zugleich an.
,,Er meinte, ich werde Fehler machen."
Sie guckte mich jetzt nur noch fragend an.
,,Er meinte, ich werde Fehler machen, aber so tut es auch jeder andere. Er sagte, ich solle mir die besten in der Klasse angucken, auch sie machen Fehler. Und das ist gut so. Ohne diese Fehler lernen wir nichts. Deshalb möchte ich dir sagen, dass ich während dieser Nachhilfe erwarte, dass du Fehler machst. Sonst sehe ich ja nicht, dass du dich verbesserst und lernst", schloss ich meinen Vortrag.
Sie lächelte mich ziemlich verlegen an und nickte.
,,Und was deine Mitschüler angeht...denen wirst du es zeigen. In ein paar Wochen wirst du sehen, wie  viel mehr Fehler sie machen als du. Sie werden es nicht mehr wagen, dich zu beleidigen. Und wenn doch, kommst du zu mir, ich schlag dich da raus."
Sie grinste nun schon fast und stand auf.
,,Also los, ich will Fehler machen", strahlte sie.
Mein Herz ging auf und ich wusste, sie würde in den nächsten Wochen sehr viel lernen.

Remus Lupin (Rumtreiber & PoA) ff: Von Smaragden und SaphirenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt