18. [Das erste Quidditschspiel]

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Die Tage wurden kürzer und kälter. Das Laub wurde teilweise mit leichten Schichten von Schnee bedeckt. Ich verbrachte die Abende abwechselnd mit Shawn, Louise, Remus, allen zusammen oder alleine.
Carla machte immer mehr Fortschritte und auch Flitwick war begeistert.
Kalte Luft durchströmte meine heißen Lungen an diesem Morgen, aber ich musste schneller laufen. Ich musste allen meinen Gedanken wieder Platz machen.
Ich dachte oft an die Tatsache, dass mein Freund ein Werwolf war. Mir war aufgefallen, dass sein rätselhaftes Fehlen, sein müdes Äußeres und seine Verletztungen bisher nur am Vollmond auftraten.
Louise hatte Shawn und mich 'Vollmondfreunde' genannt, weil wir in zwei Nächten gemeinsam im Gemeinschaftsraum eingeschlafen waren. Beide Nächte waren die gewesen, in denen Remus gefehlt hatte.
Man hätte sagen können, es seien bloß Zufälle gewesen, doch das hielt ich für sehr abwegig. Woher sonst hätten diese Verletzungen dann stammen sollen?
Ich wusste, er schämte sich dafür, auch wenn ich es nicht verstehen konnte. Remus war der wunderbarste Mensch, den ich je getroffen hatte. Und wenn er sich jede Nacht in einen Wolf verwandelte, ich hätte ihn trotzdem geliebt.
Ich hörte dennoch auf Shawns Rat und ließ Remus die Freiheit, mir selbst davon zu erzählen. So lange würde ich ihm nicht sagen, dass ich es wusste.
Ich hatte überlegt, mit Sirius zu sprechen, aber ich wusste, er könnte seinen Mund vor Remus nicht halten. Und dass er es über jemand anders erfahren würde, wäre wohl noch schlimmer, als wenn ich es ihm direkt sagen würde.
Also sagte ich nichts und fragte ihn auch nicht mehr danach.

,,Was war denn heute mit dir los? So schnell warst du die ganzen letzten Monate nicht", keuchte Shawn, als wir in die Eingangshalle kamen.
,,Wir waren die ganze Woche nicht laufen, es hat einfach gut getan", sagte ich, während wir den Turm hinaufstiegen.
,,Mir hat die kalte Luft fast die Lungen vereist", lachte Shawn.
Wir betraten den Gemeinschaftsraum und sahen Louise, die vor dem Fenster auf und ab lief.
Das erste Quidditschspiel sollte heute stattfinden, Hufflepuff gegen Ravenclaw.
,,Das Wetter sieht grausig aus", sagte sie mit einem abschätzigen Blick auf die Berge draußen.
,,Keine Sorge, wir sind ja da", sagte Shawn und grinste.
,,Solange ihr den Nebel und den anrollenden Regen nicht stoppen könnt, hilft mir das auch nicht weiter."
Shawn und ich warfen uns einen Blick zu. Wir wussten, dass man Louise vor einem Spiel am besten von guten Ratschlägen verschonte, also sagten wir nichts mehr.

,,Saphira! Shawn! Wartet, wir kommen mit", rief Sirius hinter uns, als wir uns gerade auf den Weg zum Quidditschfeld machten.
Alle vier hatten sich blau angezogen, was Shawn und mich ziemlich amüsierte, so viel Mühe hatten selbst wir uns nicht gemacht.
,,Ihr seht ja heiß aus", bemerkte Shawn mit einem Grinsen.
,,Wir sind große Ravenclaw Fans, haben wir das noch nicht erwähnt?", fragte Sirius mit verstohlenem Blick.
,,Das möchte ich nochmal hören, wenn Ravenclaw gegen Gryffindor spielt", lachte ich.
,,Tja, das kannst du dann doch nicht erwarten", sagte James stolz, da er selber in der Mannschaft war.
Remus fasste mich am Handgelenk und blieb stehen. Ich drehte mich fragend zu ihm um, während die anderen schon weiter gingen.
Er zog mich eng an sich und lächelte, bevor er mich küsste.
,,Am liebsten wäre ich jetzt mit dir alleine", flüsterte er mir leise zu.
Ich musste Grinsen.
,,Heute Abend? Vorher reist Louise mir den Kopf ab."
,,Den brauche ich natürlich", überlegte er.
Ich warf ihm einen skeptischen Blick zu: ,,Du?"
Er legte seine Hände an meine Wangen und küsste mich sanft auf die Stirn.
,,Natürlich, wer sonst?", fragte er lächelnd.
Er legte seinen Arm um meine Schulter, ich meinen um seine Hüfte und so liefen wir hinter den anderen her.

Ich setzte mich zwischen Shawn und Remus und beobachtete, wie die Mannschaften nacheinander auf das Feld flogen.
,,Lucy ist sehr nervös, sie spielt ungern vor so vielen Menschen, ich hoffe, das hindert sie nicht all zu sehr", sagte Shawn zu mir gelehnt.
,,Louise wird ihr schon Mut gemacht haben", sagte ich zuversichtlich.
Aber schon den ersten Quaffel ließ sie durch den Ring.
,,Das war sicher kein Versehen", lachte ich, als Louise dem Jäger, der das Tor gemacht hatte, einen Klatscher mit voller Kraft entgegen schlug.
Shawn, Sirius und James lachten laut.
Tiffy Stevens schnappte sich den Quaffel, warf ihn Paul Wales zu, der ein Tor machte, Sirius und James johlten laut.
Ich suchte nach Sou, unserer kleinen flinken Sucherin. Ich entdeckte sie ziemlich weit oben, sie blickte ehrgeizig durch den Nebel, der wie dichte Watte über dem Feld lag.
Lucy war um einiges schlechter als bei den Auswahlspielen und kassierte einige Tore. Paul Wales hingegen war ein echtes Talent, er machte ein Tor nach dem anderen.
Plötzlich schnellte Sou Twinkler durch die Nebeldecke und wenige Sekunden später beendete sie das Spiel.
,,Das schreit doch nach einer Party", rief Sirius, der anscheinend ein halber Ravenclaw geworden war.
Remus blickte nachdenklich über das Feld.
,,Keine Sorge, wir schauen kurz vorbei und machen es uns dann alleine gemütlich", flüsterte ich ihm zu.
Er lächelte nun zufrieden.

,,Sou und Paul waren einfach grandios", schwärmte Louise, als sie Shawn und mich eingeholt hatte.
Lucy sah ziemlich niedergeschlagen aus, also ließ ich Shawn und Louise ein wenig vor laufen.
,,Alles okay bei dir?"
Sie ließ ihren Blick auf den Boden gerichtet und seufzte.
,,Ich war wirklich nicht gut heute. Dabei wollte ich Louise doch nicht enttäuschen", erklärte sie leise.
,,Sie ist doch nicht von dir enttäuscht. Sie kann sehr ehrgeizig sein, aber sie stellt das Spiel doch nicht über ihre Beziehung. Was glaubst du, wie oft Shawn und ich schon angemeckert wurden, weil das Spiel schlecht lief? Gib ihr eine Stunde und dann ist alles wieder in Ordnung", erklärte ich ihr.
Sie lächelte und schaute zu Shawn und Louise auf, die schon einige Meter vor uns waren.
,,Mach dir einfach keinen Druck, ihr habt ja trotzdem gewonnen. Stell dir nächstes Mal einfach vor, dass die anderen Jäger nur Louise sind, die mit dir üben", schlug ich eilig vor.
,,Danke, ich werde es versuchen", sagte sie und lächelte noch ein wenig mehr.

Am Abend kamen einige Gryffindors zu uns in den Gemeinschaftsraum und wir feierten den Sieg über Hufflepuff.
Ich stand gerade mit Sirius und Remus in der Nähe der Tür, als ein Junge aus der 6. Klasse zu uns kam.
,,Saphira, richtig?", fragte er und schaute etwas nervös.
Remus legte demonstrativ seinen Arm um mich, als er ihn bemerkte.
,,Ja, was gibt es?", fragte ich freundlich.
,,Deine Freundin hat echt gut gespielt, weißt du, ob sie einen Freund hat?", fragte er nun sicherer.
Remus lachte, während ich mich zusammenreißen musste.
Es hätte nicht passender kommen können, denn in genau dem Moment sahen wir, wie Louise Lucy zu sich auf die Tanzfläche zog und sie küsste.
,,Nee, aber eine Freundin", sagte ich und versuchte möglichst ernst zu bleiben.
,,Ach deshalb hat sie mich vor drei Jahren abserviert", sagte Sirius hinter mir, als der 6. Klässler peinlich berührt in der Menge verschwunden war.
,,Nicht jedes Mädchen steht auf dich", sagte ich und blickte Sirius provokant an.
,,Sicher?", fragte Sirius nun noch provokanter.
Remus legte seine Arme von hinten um mich und warf Sirius einen bösen Blick zu.
,,So war das nicht gemeint", lachte Sirius nun.
Ein Mädchen kam zu Sirius und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Er schaute grinsend zu Remus und mir und verschwand mit ihr in der Menge.
Remus hatte seine Arme immer noch um mich gelegt, als er sich zu mir herunter beugte und mir ins Ohr flüsterte: ,,Wollten wir nicht ein bisschen raus?"
Mein Herz machte einen kleinen Satz und ich musste lächeln.
Wir schlichen uns von der Party und setzten uns draußen an den See. Er setzte sich hinter mich und legte seine Arme fest um mich.
,,Weißt du eigentlich, dass du das beste bist, was mir je passiert ist?", fragte er und lächelte.
,,Geht mir genauso", sagte ich und fühlte mich so glücklich wie schon lange nicht mehr.

,,Saphira?" Ich öffnete meine Augen und sah die hellen Sterne am Himmel leuchten.
,,Du bist eingeschlafen, aber es wird spät, wir sollten gehen", hörte ich Remus' leise Stimme sagen.
Erst jetzt merkte ich, dass mein Kopf auf seinem Schoß lag und er seinen Umhang über mich gelegt haben musste.
Wir liefen durch das leere Schloss hoch in den Ravenclawturm. Unsere Schritte hallten laut von den kalten Wänden zurück.
Plötzlich hielt er mich am Handgelenk und blieb stehen. Sofort hörte ich die schlurfenden Schritte, die höchstwahrscheinlich zu Filch gehörten.
Remus zog mich in einen Gang zurück und mein Herz klopfte laut, als Filch durch den Korridor hinkte, in dem wir eben noch gestanden hatten.
Filch war schon einige Sekunden vorbei, als Remus und ich noch eng aneinander im Gang standen und keinen Schritt taten.
Remus senkte seinen Blick zu mir und schaute mir tief in die Augen. Das Funkeln war wieder in ihnen zu sehen. Er schob einige meiner Locken über meine Schulter und beugte sich runter.
Jede meiner Adern pulsierte heftig, als er seine Lippen auf meinen Hals gelegt hatte. Ich atmete kurz auf und krallte meine Finger leicht in seinen Rücken.
Ich spürte seinen warmen Atem an meiner Haut und seine Hände an meiner Hüfte.
,,Ich glaube, er ist weg", sagte er plötzlich und grinste, als er sah, wie verwirrt und sehnsüchtig ich ihn anschaute.
Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, denn jeder Zentimeter in mir schrie nach seinen Berührungen. Vielleicht war ich sogar ein wenig sauer auf Remus, da er diese Spannung zwischen uns so schnell wieder aufgehoben hatte.
Er schien es zu bemerken, denn sein Grinsen wurde immer größer.
,,Glaub mir, wir werden noch genug Zeit zusammen haben, aber Filch könnte jede Sekunde auftauchen. Lass mich dich hoch bringen", flüsterte er mir zu.
Der Gedanke an Filch brachte auch die letzten Zellen meines Körpers dazu, Remus zu folgen.

Er hatte mich so verrückt gemacht, dass ich noch im Bett an ihn dachte. Irgendwann wusste ich nicht mehr, ob es meine Vorstellungen vor dem Einschlafen waren oder ob ich bereits träumte. Immer wieder küsste er mich auf die Lippen und auf den Hals. Seine kräftigen Hände drückten meine Handgelenke in die Matratze, fuhren etwas später über meinen gesamten Körper und hinterließen leichte Kratzspuren auf meinem Rücken.
Jedenfalls wachte ich am nächsten Morgen auf und hatte das Gefühl, jede Stelle seines Körpers zu kennen.

Remus Lupin (Rumtreiber & PoA) ff: Von Smaragden und SaphirenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt