30. [Unerwarteter Besuch]

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,,Da bist du ja!"
Der Gast zog seine Kapuze ab und legte seinen nassen Mantel beiseite. Er hatte sich ein wenig verändert, aber Shawn war immer noch gut zu erkennen.
,,Hey, was treibt dich denn zu so später Stunde hierher?", fragte ich erstaunt über sein plötzliches Erscheinen.
,,Es ist-"
Shawn stockte. Sein Gesicht war verzerrt und Tränen lagen in seinen Augen. Er raufte sich das Haar und schnappte nach Luft.
,,Shawn?", fragte ich behutsam.
,,Habt ihr es noch nicht gehört?", fragte er verzweifelt.
Connor und ich schauten uns verwirrt an und schüttelten die Köpfe.
,,Er, dessen Name nicht genannt werden darf", sagte er leise.
Mein Atem stockte. Hier war er nicht so bekannt, aber ich hatte viel gehört, was er in anderen Ländern trieb und hatte mir schon öfter Sorgen um meine Familie gemacht.
,,Shawn, was ist los?", fragte ich mit leichter Panik in der Stimme.
,,Er ist weg."
,,Wie 'weg'?", mischte Connor sich ein.
,,Und James und Lily und Peter-"
Shawn konnte sich nicht mehr beruhigen und warf wild Begriffe und Namen um sich.
,,Shawn, bitte beruhige dich doch. Was ist mit ihnen passiert?"
Seine Unruhe ließ auch die Panik in mir immer größer werden.
,,Kann ich was zu Trinken haben?", fragte er plötzlich.
Connor lief in den Keller und holte einige Flaschen Butterbier und Whiskey. Er kam zurück und stellte sie auf den Tisch, während wir uns alle setzten.
,,Jetzt erzähl uns bitte ganz in Ruhe, was passiert ist, in Ordnung?"
Ich zitterte nun schon fast vor Sorge. Der Regen hämmerte immer stärker gegen das Dach und der Wind rüttelte an Türen und Fenstern. Shawn nahm einen kräftigen Schluck vom Whiskey und atmete tief durch.
,,Ich weiß das alles doch selbst nicht genau, es sind alles bloß Gerüchte, aber einiges ist schon bestätigt. Er, dessen Name nicht genannt werden darf, war bei James und Lily."
,,Aber der Fidelius-Zauber?", fragte ich hastig und ahnte das Schlimmste.
,,Sie wurden verraten", keuchte Shawn.
,,Wer war es?"
,,Sirius."
Ich schloss meine Augen, alles drehte sich.
,,Was ist dann passiert, Shawn?", rief ich fast.
,,Er wollte ihren Sohn, Harry, töten, aber er hat es nicht geschafft. Er hat James und Lily umgebracht, aber als er es bei Harry versucht hat, muss der Fluch auf ihn zurückgeprallt sein. Jedenfalls ist er weg und keiner weiß, was mit ihm passiert ist."
Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. James und Lily. Tot. Sie waren nie meine engsten Freunde gewesen, aber ich hatte sie echt gern.
,,Was ist mit Sirius?", fragte ich, um nicht an Lily und James denken zu müssen.
,,Er hat sie verraten. Peter wollte die beiden noch warnen, aber er ist Sirius in die Arme gelaufen und er hat Peter ermordet."
Ich sprang auf und lief in der Bar auf und ab, um meine Gedanken zu sortieren.
,,Aber warum sollte er das getan haben? Er war doch gegen die schrecklichen Vorstellungen seiner Familie. Weshalb zum Teufel sollte er das getan haben?", schrie ich verzweifelt.
,,Was weiß ich? Ich sage bloß, was alle erzählen."
,,Was ist mit-"
Sein Name blieb mir im Hals stecken und ließ weitere Tränen hervorsteigen.
,,Remus hatte nichts mit der Sache zu tun. Ihm sollte es gut gehen, den Umständen entsprechend zumindest", sagte Shawn leise.
Ich sank vor dem Tresen zusammen und weinte noch heftiger als zuvor. Connor kniete sich vor mich auf den Boden und nahm mich in den Arm. Shawn saß auf seinem Stuhl und konnte sich nicht bewegen. Er starrte ins Leere und einige Tränen liefen ihm die Wange entlang.
,,Sirius ist Harrys Patenonkel", sagte er leise.
Ich zitterte und bekam kaum noch Luft. Der Gedanke daran, dass Sirius seine besten Freunde verraten haben sollte machte mich fertig. Das konnte nicht der Sirius sein, den ich gekannt hatte. Es musste einfach ein Irrtum sein, anders war es nicht möglich.
,,Sirius hat mir Karten geschickt. Bilder von Harry. Sowas hätte er doch nie getan. Er hätte doch nicht gewollt, dass er stirbt. Oder seine Eltern", stotterte ich.
,,Ich habe keine Ahnung, Saphira. Ich wünsche mir so sehr, dass es nicht wahr ist", sagte Shawn.
,,Was passiert mit Sirius?"
Shawn starrte mit leeren Augen auf mich herunter.
,,Askaban. Was sonst?"
,,Ich habe ihm doch gesagt, er soll nichts anstellen", flüsterte ich mehr zu mir selbst.
,,Vielleicht ist das alles ein Missverständnis", sagte Connor nach einer Weile.
Shawn schüttelte den Kopf.
,,Es soll anscheinend einige Zeugen geben", erklärte er.
Connor sah ein wenig überfordert aus. Er hatte weder Sirius noch James, Lily oder Peter gekannt und doch wusste er einiges über sie. Er strich mir über den Rücken, obwohl er wusste, dass er mich jetzt nicht beruhigen konnte.
,,Und Peter ist also auch tot?"
Shawn nickte. Zu Peter hatte ich früher am wenigsten Kontakt gehabt und doch war er ein Freund von uns allen gewesen.
All die schlechten Nachrichten hatten mich kurz vergessen lassen, dass Er, dessen Name nicht genannt werden darf, anscheinend weg sein sollte.
,,Und wo ist er jetzt hin?", fragte ich.
,,Das weiß keiner. Manche sagen, er sei tot, aber viele bezweifeln das. Mehr kann ich euch nicht sagen."
Shawn lehnte sich in den Stuhl und atmete tief aus.
,,Ich habe es eben erst gehört und wusste nicht, ob du es hier erfahren würdest. Ich dachte, es ist vielleicht besser, wenn ich es dir sage, als wenn du es von irgendwelchen Fremden aufschnappst. Ich war schon bei euch, aber Katelyn hat mir gesagt, ich würde euch hier finden. Es könnte sein, dass sie sich ein bisschen Sorgen macht, aber es war keine Zeit, ihr das alles zu erklären."
,,Wir sollten nach Hause gehen. Shawn, du kommst mit. So kannst du nicht so einen langen Weg apparieren. Du bleibst heute Nacht bei uns", sagte Connor ruhig.
Shawn nickte und leerte sein Butterbier.
,,Was ist mit deinen Eltern?", fragte ich Shawn, als Connor noch schnell aufräumte.
,,Die sind immer noch auf der Dienstreise. Ich habe ihnen eine Eule mit den wichtigsten Informationen geschickt. Jedenfalls werden sie mich nicht vermissen, wenn ich diese Nacht nicht da bin", erklärte er.
,,Und was ist mit Louise?", fragte ich besorgt.
,,Ihr geht es gut. Sie und ihre Familie sind alle gesund."
Ich fasste mich ein wenig. Immerhin eine gute Nachricht an diesem verdammten Abend.
,,Wir können", sagte Connor und schloss die Tür zum Keller.

Remus Lupin (Rumtreiber & PoA) ff: Von Smaragden und SaphirenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt