Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch den leichten Nebelschleier. So hell wie heute ist es die ganzen letzten Tage nicht gewesen und trotzdem war die Luft noch eisig. Nur eine hauchdünne Schneeschicht lag noch wie ein weißes Seidentuch auf dem Schlossgelände.
Meine Atemzüge waren gleichmäßig und doch brannte die kalte Luft in meiner Lunge. Eine kleine Wolke stieg bei jedem Ausatmen aus meinem Mund.
Wir verlangsamten unsere Schritte, als wir wieder durch das Eichenportal gingen. Shawn sah etwas mitgenommen aus, obwohl er es vor mir zu verstecken versuchte. Unsere morgendliche Runde schien ihn dennoch ein wenig auf andere Gedanken gebracht zu haben, da er wieder leicht lächelte.
,,Wenn du reden möchtest-"
,,Dann rede ich mit Brad", sagte er, ehe ich meinen Satz beenden konnte.
,,Ich weiß, wir können normalerweise über alles sprechen, aber das ist etwas anderes. Du gehst jetzt ja auch nicht zu Remus und sagst ihm, wie du dich seinetwegen fühlst."
,,Nicht so laut", mahnte ich ihn, als uns einige Ravenclaws entgegen kamen, die gerade zum Frühstück wollten.
,,Aber entschuldige, natürlich hast du recht. Falls du irgendwie Abstand von mir brauchst, sag es einfach. Ich wäre dir wirklich nicht böse", sagte ich schnell.
Shawn blieb hinter mir auf der Treppe stehen. Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn lächeln.
,,Ich habe dir gestern Abend versprochen, dich nie wieder als bester Freund im Stich zu lassen und das werde ich auch halten", sagte er und blickte mir tief in die Augen.
Ich atmete erleichtert aus und grinste. Wenn es ihm geholfen hätte, hätte ich seine Nähe vorerst nicht gesucht. Es wäre mir vermutlich aber sehr schwer gefallen, da er immer noch mein bester Freund war.,,Er schaut die ganze Zeit zu dir rüber", flüsterte Louise mir beim Frühstück ins Ohr.
Ich blickte von meinem leeren Teller auf und sah Remus mit düsterer Miene bei seinen Freunden sitzen. Er schaute schnell auf seinen Teller, als sich unsere Blicke trafen.
,,Die Sache mit ihm ist abgehakt", sagte ich kühl und schaute wieder zu Louise.
,,Ich dachte, du hättest das mit Shawn geklärt", sagte sie nun noch leiser.
,,Das hat doch damit nichts zu tun. Shawn ist mein bester Freund und ich möchte auch, dass das so bleibt, also haben wir das geklärt. Remus hat sich entschieden. Es ist nur noch ein halbes Jahr, dann werden wir uns nie wieder sehen und ich werde darüber hinwegkommen."
Ich bemerkte, wie mein Kiefer sich verspannte und die letzten Worte mit einer leichten Wut ausspuckte.
,,Ich hoffe es", sagte Louise leise und drehte sich wieder zu ihrem Teller.
Ich schaute erneut zu Remus und war mir ziemlich sicher, dass es so einfach nicht werden würde. Ich dachte an unsere gemeinsamen Spaziergänge, an die kalten Winterabende mit ihm und an all die Stunden, in denen wir einfach am See gesessen hatten.
Es versetzte meinem Herz einen kleinen Stich und mir wurde übel.Die anschließenden Tage sollten immer schlimmer werden. Louise war entweder beim Quidditsch oder mit Lucy zusammen. Shawn saß oft bei Brad und ich traute mich nicht, zu ihnen zu gehen, da ich wusste, dass es ihm damit vermutlich erstmal besser gehen würde.
Morgens wurde es wieder früher hell, was mich aber umso mehr störte, da ich nicht aufstehen wollte. Früher war ich immer direkt aufgestanden, sobald die ersten Sonnenstrahlen durch das Zimmer gefallen waren und hatte gelesen.
Auch der Unterricht wurde anstrengender. Ich hatte große Mühe mich zu konzentrieren. Hausaufgaben erledigte ich kaum noch und auch mit Carla ging es nicht mehr groß voran. Mit mir alleine konnte sie alles einwandfrei, aber sobald ein Lehrer oder einer ihrer Mitschüler dabei waren, vergaß sie plötzlich alles.
Mit Sirius hatte ich kein Wort mehr gesprochen und Remus ging mir stets aus dem Weg.
Ich hatte mir so erhofft, dass dieses Jahr das beste meiner Schulzeit werden würde, aber momentan sah es nach dem kompletten Gegenteil aus.
Ich fühlte mich so alleine wie schon lange nicht mehr. Es fühlte sich an, als würde mein Leben still stehen, während das der anderen immer weiter lief.Auch an diesem Morgen weckten mich die ersten Sonnenstrahlen, aber ich drehte mich um und zog mir die Decke über den Kopf. Es war Sonntag, also konnte ich so lange schlafen wie ich wollte. Hunger hatte ich eh seit Wochen nicht gehabt.
Doch ehe ich in einen nächsten schlechten Traum fallen konnte, wurde meine Decke weggezogen.
,,Was soll das?", murmelte ich verärgert.
,,Wir haben heute viel vor, also steh gefälligst auf."
Ich öffnete meine Augen und sah Louise vor mir stehen. Sie war schon angezogen und blickte erwartungsvoll auf mich herunter.
,,Es ist Sonntag", sagte ich und versuchte mich nicht aufzuregen.
,,Gerade deswegen", antwortete sie und grinste.
,,Ich geh runter, Shawn wartet schon. Wenn du in 10 Minuten nicht fertig bist, komme ich hoch und schleife dich höchstpersönlich nach unten."
Ich musste ein wenig schmunzeln, da ich wusste, dass sie das wirklich tun würde. Ich wartete, bis sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte und setzte mich auf. War das wieder eine dieser Ablenkungstaktiken von Louise?
Ich schaute in den Spiegel und bemerkte, wie fertig ich aussah. Ich schlüpfte in meine Klamotten und eilte in den Gemeinschaftsraum.
Shawn grinste genauso blöd wie Louise, als er mich sah. Der Raum wirkte riesig, weil noch keiner wach war.
,,Was habt ihr heute wieder vor?"
Keiner antwortete. Ich verdrehte die Augen und lief hinter ihnen her.
Ich musste ein wenig lächeln, als ich die Hippogreife auf der Wiese sah. Ich bin lange nicht bei ihnen gewesen, da ich das Schloss selten verlassen hatte.
Shawn und Louise blieben stehen, während ich mich über den Zaun lehnte. Beide von ihnen waren wenig begeistert von den Tieren, weshalb ich es umso mehr schätzte, dass sie mich zu ihnen gebracht hatten.
,,Minnie scheint dich vermisst zu haben", sagte Louise und lachte.
Minnie war ein rabenschwarzer Hippogreif. Auf ihr hatte ich meinen ersten Flug gehabt, da wir uns ab der ersten Sekunde gut verstanden hatten. Sie wippte freudig mit dem Kopf auf und ab, als sie näher kam. Ich schlüpfte durch den Zaun und verbeugte mich vorsichtig. Sie verneigte sich ebenfalls und ließ sich streicheln.
,,Ihr könnt ruhig eine Runde drehen, wir warten hier", sagte Shawn und schaute Minnie etwas kritisch an.
,,Danke", sagte ich und fühlte seit Wochen zum ersten Mal ein kleines Glücksgefühl.
Ich schwang mich auf ihren Rücken und hielt mich an ihr fest, während sie ziemlich holprig in die Luft stieg.
Ich spürte den Wind durch meine Haare gleiten. Das Schloss wurde unter uns immer kleiner. Wir flogen über Berge, Seen und Flüsse und ich fühlte mich so frei wie noch nie in meinem Leben. Die riesigen schwarzen Flügel glitten auf und ab, während wir mal höher, mal tiefer flogen.
Die Frühjahrssonne wärmte die Luft. Mein Umhang blähte sich hinter mir leicht auf. Wir flogen über den Verbotenen Wald und ich konnte einige Zentauren und Einhörner sehen.
Wir verloren an Höhe und ich sah die ersten Hippogreife, die unten auf der Wiese standen. Die Landung war sehr unangenehm, weshalb ich mich fest in ihr Federkleid krallte.
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Remus Lupin (Rumtreiber & PoA) ff: Von Smaragden und Saphiren
Fanfiction,,Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall treffen" -Friedrich Dürrenmatt Eine Begegnug im Hogwarts-Express und ihre Auswirkungen stellen das Leben von Saphira May komplett auf den Kopf. Eigentlich sollte die jun...