8. [Schlickschlupfe]

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Als wir die Große Halle betraten, fiel mein Blick gleich auf den Tisch der Gryffindors. Remus war schon wieder nicht da, dafür aber alle anderen. Ich wusste nicht, wie ich mich den ganzen Tag im Unterricht konzentrieren sollte, wenn ich wieder nicht wusste, was mit ihm war.
Ich überlegte kurz, zu Sirius zu gehen, allerdings saß er die ganze Zeit mit Peter und James zusammen. Ich erhoffte mir größere Chancen, die Wahrheit zu erfahren, wenn ich Sirius alleine sprechen würde.
,,Ich bin gleich wieder da", flüsterte ich Louise zu, als ich die Rumtreiber aufstehen sah.
Ich eilte zum Ausgang und fing Sirius ab.
,,Kann ich dich kurz sprechen?"
,,Wir gehen dann schon mal vor, bis später Tatze", sagte James.
,,Was gibt es?", fragte Sirius ein wenig verwundert.
Ich starrte verlegen auf den Boden, als Sirius auch schon verstanden zu haben schien.
,,Er hatte gestern einen kleinen Unfall und liegt jetzt im Krankenflügel. Mach dir keine Sorgen, er ist einfach ein kleiner Tollpatsch, das passiert ihm öfter", fügte er schnell hinzu, als er meinen besorgten Blick bemerkte.
,,Was ist denn passiert?", fragte ich mit der Vorahnung, er würde es mir vermutlich eh nicht sagen.
,,Das sollte er dir besser erklären. Aber eines sollte ich dir sagen", er überlegte einen Moment und starrte die Wand neben mir an, ,,Moony redet nicht gerne über sich. Gib ihm ein wenig Zeit, er wird es dir sicher erzählen, wenn auch nicht sofort. Trotz allem ist er der beste Freund, den ich je hatte und ein wundervoller Mensch, lass ihm einfach ein wenig Zeit und du wirst es auch merken."
Seine Worte hatten mich bloß noch mehr verwirrt, was er auch schnell bemerkte.
,,Na dann, er wird sich sicher freuen, wenn du ihn besuchen kommst. Er würde mich vermutlich umbringen, wenn er erfahren würde, dass ich es dir gesagt habe, aber als ich heute Morgen bei ihm war, hat er sich direkt nach dir erkundigt. Ich muss dringend los, die Hausaufgaben schreiben sich schließlich nicht von alleine ab", sagte er schnell, um mir keine weiteren Erklärungen geben zu müssen.

Ich stand nun da mit noch mehr Fragen als zuvor. Ich wusste aber sofort, dass ich in meinen Freistunden nach Kräuterkunde direkt in den Krankenflügel gehen würde. Ich ging zurück und setzte mich wieder zwischen Shawn und Louise.
,,Wusstet ihr, dass es unsichtbare Wesen gibt, die in den Köpfen mancher Menschen umherschwirren, um ihre Gedanken zu verwirren?"
,,Ach Lucy, manchmal solltest du echt mehr in der Realität bleiben. Solche Schlickschlupfe kann es doch gar nicht geben", hörte ich Louise sagen, aber den Rest hörte ich schon nicht mehr.
Er hatte sich also direkt nach mir erkundigt? Mein Bauch kribbelte so sehr, dass ich nichts mehr essen konnte.

Nach Kräuterkunde erzählte ich Shawn und Louise, was Sirius mir gesagt hatte. Einige Stellen ließ ich dabei natürlich aus.
,,Sollen wir-", Louise war Shawn auf den Fuß getreten, bevor er seine Frage stellen konnte und wünschte mir viel Spaß.
Ich blickte zurück und sah, wie Louise Shawn etwas zu erklären versuchte, während Shawn mir etwas missmutig hinterher schaute.

,,Eigentlich braucht er noch ein wenig Ruhe", entgegnete Madam Pomfrey mir, als ich ihr erklärte, dass ich zu Remus wollte.
,,Aber mir geht es doch schon wieder viel besser. Die Langeweile hier ist viel schlimmer als die Schmerzen."
Madam Pomfrey verdrehte bloß die Augen.
,,Immer das gleiche mit euch. Aber nur eine halbe Stunde, also bis später, ich habe noch zu tun", Madam Pomfrey eilte aus dem Krankenflügel und ließ uns nun alleine.
Remus sah ziemlich schlecht aus. Mehr Narben und Kratzer schmückten nun sein Gesicht, einige von ihnen schienen ziemlich frisch zu sein. Er hatte dunkle Augenringe und sein Haar muss ein wenig grauer geworden sein. Alles in allem sah er ziemlich fertig aus.
,,Sirius hat mir erzählt, dass du hier bist. Wie geht es dir?"
,,Es ist wirklich nichts schlimmes und es ist auch schon fast wieder weg. Poppy sieht das alles immer ein bisschen zu eng, aber sie wird mich heute Abend wohl entlassen", er lächelte nun leicht.
,,Wie geht es dir?", fragte er, als er meinen besorgten Blick sah.
,,Ganz gut, schätze ich."
Zu gerne hätte ich ihn gefragt, was passiert war, aber ich sah an seinem Gesicht, wie froh er war, dass ich diese Frage nicht gestellt hatte. Außerdem dachte ich an Sirius' Worte und versuchte, ein anderes Thema zu finden.
,,Denkst du, es gibt diese Schlickschlupfe?"
Ich bin noch nie ein Meister im Smalltalk gewesen, was ich Remus natürlich sofort wissen lassen musste. Er grinste nun ziemlich schief und fragte: ,,Was für Schlupfe?"
,,Entschuldige, eine Freundin hat heute Morgen von ihnen erzählt und irgendwie hingen sie mir noch im Kopf. Scheint, als gäbe es sie wirklich", überlegte ich laut.
Er lächelte mich liebevoll an.
,,Ich mochte euch Ravenclaws schon immer. Ihr seid nicht so voreingenommen, sondern verträumt und einfach einzigartig."
Ich schaute ihn an und lächelte ziemlich verlegen zurück.
,,Setz dich doch", sagte er und schob seine Beine ein wenig zur Seite, damit ich Platz auf seinem Bett hatte.
,,Was machen die Jungs?"
,,Schreiben vermutlich gerade von dir ab."
Er lachte ein wenig.
,,Ich habe ihnen schon hundert Mal gesagt, sie sollen es einmal selber versuchen, aber was ich in 6 Jahren nicht geschafft habe, wird mir in diesem Jahr sicherlich auch nicht mehr gelingen."
Er lächelte und blickte nachdenklich zum Fenster. Er sah so niedlich aus, wenn er über etwas nachdachte.
,,Steht es noch, dass du heute Abend rüber kommst?", fragte ich nun etwas schüchtern.
,,Auf jeden Fall. Wir könnten auch noch ein wenig raus gehen, wenn du magst."
Er blickte mich fragend an. Ich willigte ein und sah ein leichtes Leuchten in seinen Augen.
,,Wie war dein Unterricht bisher?", erkundigte er sich.
,,Kräuterkunde halt. War eigentlich ganz nett, nur ein paar der Slytherins waren mal wieder ziemlich anstrengend. Sie denken immer, das bräuchten sie nicht für ihr Leben und sowieso können sie ja alles besser."
,,Also wenn sie zu sehr nerven, musst du bloß Sirius und James davon erzählen. Du brauchst ihnen nicht mal einen Grund nennen und sie werden dir helfen", er lächelte wieder ein wenig.
,,Das habe ich auch schon mitbekommen. Sirius hat mich letztens auf der Party schon vor einem aus eurem Haus gerettet, weil er ihn nicht leiden konnte. Aber so schlimm ist es mit den Slytherins auch nicht, es gibt auch einige sehr freundliche von ihnen", gab ich zu.
Remus' Lächeln war verschwunden und er sah aus, als würde er angestrengt nachdenken.
,,Gordon?"
Ich blickte ihn nur fragend an.
,,Der, vor dem Sirius dich gerettet hat", erklärte er nun.
,,Wie er hieß, weiß ich nicht. So ein großer mit blonden Haaren."
,,Hätte ich mir ja denken können, der dreckige Typ. Wir konnten ihn noch nie leiden. Falls er dich nochmal nerven sollte, sag mir bitte Bescheid. Du hättest es mir schon an dem Abend sagen sollen", seine Stimme klang vorwurfsvoll und besorgt zugleich.
,,Komm runter, Remus. Er hat mich nur angesprochen und mich sofort in Ruhe gelassen, als er gemerkt hat, dass Sirius kam", versuchte ich ihn zu beruhigen.
,,Außerdem war er wohl der letzte, an den ich an dem Abend gedacht habe", fügte ich etwas leiser hinzu.
Er lehnte sich zurück in sein Kissen, verschränkte seine Arme hinter dem Kopf, hob eine Augenbraue und lächelte mich an.
Ich war erleichtert, dass Madam Pomfrey in diesem Moment zurück kam, weil ich doch wieder zu viel gesagt hatte. Gleichzeitig war ich aber auch enttäuscht, da ich gerne noch ein wenig bei ihm geblieben wäre.
,,Dann bis heute Abend, ich hole dich später ab", flüsterte er mir schnell zu, bevor ich aufstehen und gehen konnte.
Einen kurzen Moment hatte ich das Gefühl, er hätte seinen Arm leicht ausgestreckt, um meine Hand zu nehmen, aber vielleicht war das auch bloß wieder meine Einbildung.

Remus Lupin (Rumtreiber & PoA) ff: Von Smaragden und SaphirenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt