7. [Nächtliche Begegnung]

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Mein Herz schlug ein wenig schneller, als ich die Große Halle betrat und nicht wie gewohnt zu den Ravenclaws, sondern zu den Gryffindors ging. Remus saß allerdings nicht am Tisch, sondern nur James und Peter.
,,Guten Morgen, nen schönen Abend gehabt?", fragte James grinsend.
,,Guten Morgen. Die Antwort kennst du sicher und ihr?"
,,Wie, die Antwort sollten wir kennen? Remus erzählt uns ja nichts. Ist gestern wieder gekommen und hat den ganzen Abend bloß gelächelt. Sogar den Aufsatz für Verwandlung hat er uns lächelnd überreicht. Nicht ein mal hat er gemeckert, wir sollten es endlich mal selber-", in gerade diesem unglücklichen Moment hörten wir ein Räuspern hinter uns.
Eine Augenbraue hochgezogen, starrte Professor McGonagall James nun streng an.
,,Gut zu wissen, dass Sie einen so amüsanten Abend hatten. Dann haben Sie ja auch sicher kein Problem damit, einen neuen Aufsatz auszuarbeiten. Und das OHNE die Hilfe Ihres werten Freundes Lupin. Wir sehen und sprechen uns später, Potter."
Sie ging zum Lehrertisch ohne auf James' Versuch, sich rauszureden, einzugehen.
Peter lachte, woraufhin James ihm einen bösen Blick zuwarf und er schnell aufhörte.
,,Wisst ihr zufällig, wo Remus ist?"
,,Und den lieben Sirius vermisst du also gar nicht?"
Ich verdrehte bloß die Augen und hoffte, James würde verstehen, dass ich gerade keine Lust auf Späße hatte.
,,Er müsste sicher gleich kommen, es ging ihm eben nicht sehr gut, aber Tatze ist bei ihm, also keine Sorge", sagte er, während er von seinem Brot abbiss.
,,Alles klar, danke. Guten Appetit noch", ich hatte kurz überlegt, ihnen den Pulli mitzugeben, allerdings hätte ich dann keinen Vorwand mehr gehabt, ihn zu sehen.
Deshalb ging ich an meinen Platz, wo Shawn und Louise schon am essen waren.
,,Machen wir heute mal wieder etwas zu dritt?", fragte ich.
Beide willigten ein und wir einigten uns darauf, einen Spaziergang zu machen und uns später unseren Hausaufgaben zu widmen.

Geschichte der Zauberei dauerte ewig. Normalerweise interessierte ich mich sehr für Geschichte, aber Professor Binns sorgte nicht unbedingt dafür, dass man ihm gerne zuhörte. Außerdem machte ich mir mit der Zeit doch ein wenig Sorgen um Remus, da er nicht mehr zum Frühstück erschienen war.
Auch Verwandlung machte wenig Spaß, da Professor McGonagall wohl immer noch sauer war wegen James, den sie direkt vor uns unterrichtet hatte.
Verteidigung gegen die dunklen Künste hätte mir wohl mehr Spaß gemacht, wenn meine Gedanken nicht dauernd bei Remus gehangen hätten.

Als ich abends gerade in die Große Halle wollte, stieß ich fast mit Sirius zusammen, der ziemlich verhetzt die Treppe hinunter rannte und nun auf der letzten Stufe stehen blieb.
,,Entschuldige, ich war in Gedanken", erklärte ich ihm.
,,Schon in Ordnung, hätte selber aufpassen müssen. Ich hab bloß so einen unfassbaren Hunger."
,,Kann ich mir vorstellen, ihr wart schließlich nicht beim Frühstück und Mittagessen. Wie geht es Remus?"
,,James und Peter haben uns etwas zu essen mitgebracht, war also nicht so schlimm. Remus geht es ganz gut, er wollte gleich auch eigentlich nachkommen. Keine Ahnung, welches Buch ihn jetzt schon wieder ablenkt", Sirius lachte.
,,Das Buch, das du mir gestern zufällig abgenommen hast. Ich musste den halben Gemeinschaftsraum absuchen, um es wiederzufinden."
Ich wirbelte vor Schreck herum und sah, dass Remus hinter mir aufgetaucht war. Er schaute Sirius vorwurfsvoll an, aber Sirius lächelte nur verschmitzt.
,,Seid mir lieber ein wenig dankbarer, sonst würde sie dir gleich nicht erklären, dass sie deinen Pullover bei sich vergessen hat."
Remus schaute mich fragend an.
,,Sie hat nichts erzählt, Moony. Blöd bin ich ja nicht. Du glaubst doch nicht, dass ich nicht bemerkt hätte, dass er nicht mehr da war, als du kamst. Und heute konnte sie ihn dir ja schlecht gegeben haben. Also ist er vermutlich in eurem Gemeinschaftsraum?", Sirius endete seinen Vortrag und schaute mich belehrend und fragend zugleich an.
Ich nickte, obwohl ich wusste, dass es überflüssig war.
,,Ich kann heute Abend bei euch vorbei schauen, dann kannst du ihn mir geben." Remus schaute mich etwas verlegen, aber freundlich an.
Ich überlegte kurz, da ich später mit Louise und Shawn unterwegs sein würde und danach dürfte er nicht mehr im Schloss herumschleichen.
Sirius kam mir allerdings mal wieder zuvor: ,,Ich bin ja sehr ungern der Spielverderber, aber ich denke nicht, dass du heute Abend Zeit hast."
Er klang ziemlich gelassen dabei und trat von der Stufe hinunter, um in die Große Halle zu gehen. Diese Worte mussten Remus hart getroffen haben, da sein freundliches Lächeln plötzlich verschwunden war. Er sah jetzt sehr ernst aus, was ihn noch älter wirken ließ.
,,Er hat Recht, dann komme ich morgen Abend vorbei, okay?", ein kleines Lächeln lag wieder in seinem Gesicht.
,,Gerne, ich freu mich. Dann bis morgen."

Die Luft am Abend war klar und frisch. Nebel lag wieder in den Bergen, sodass es eher nach einem verregneten Novembertag aussah. Der Verbotene Wald lag still und geheimnisvoll vor uns. Shawn erzählte nun auch Louise, was passiert war. Außerdem erzählte er uns, dass die Beerdigung am Wochenende sei und wir ebenfalls eingeladen wären. Louise und ich waren uns sofort einig, dass wir ihn begleiten würden.
Er wirkte immer noch ziemlich traurig, aber bei Weitem nicht mehr so wie an dem Abend, als er es mir erzählt hatte. Es machte mich glücklich, ihn wieder Lachen zu sehen.
,,Und was macht Remus so Wichtiges, dass er nicht kurz vorbeischauen kann?", fragte Louise nachdenklich.
Ich wünschte, ich hätte eine Antwort auf ihre Frage gehabt.
,,Keine Ahnung, er wirkte jedenfalls nicht sehr erfreut, als Sirius ihn daran erinnerte. Vielleicht Nachsitzen oder so, schließlich hat McGonagall heute Morgen mitbekommen, dass er die anderen abschreiben lassen hat", das klang sogar recht vernünftig dachte ich sofort.
Wir setzten uns an unseren Stapel mit Hausaufgaben, der über die letzten Tage immer größer geworden war. Zwei Stunden lang sagte keiner von uns etwas, bis ich mich langsam verabschiedete, da ich mich nicht mehr konzentrieren konnte.
Louise versprach, gleich nachzukommen und Shawn wollte demnächst auch aufhören.

Diese Nacht träumte ich nicht von dem Hippogreif, denn ich kam kaum zum Schlafen. Der Mond leuchtete so hell in unser Zimmer, dass es mir nicht gelingen wollte, einzuschlafen.
Nach zwei Stunden gab ich es letztlich auf, nahm mir mein Buch, schlüpfte in Remus' gemütlichen Pullover und schlich mich in den Gemeinschaftsraum. Nur ein paar Kerzen leuchteten noch schwach, aber das Mondlicht erhellte fast das gesamte Zimmer. Ich zog meine Knie unter den Pulli, der mir sowieso viel zu groß war und las eine Weile, bis die Tür zum Schlafsaal der Jungen leise geöffnet wurde.
Shawn schlich die Treppe hinab und erschrak leicht, als er mich sah. Er hatte eine Decke, einen Stift und ein kleines Buch dabei, in dem ich ihn oft rumkritzeln sah. Er lächelte kurz und setzte sich neben mir auf das Sofa.
,,Kannst wohl auch nicht schlafen?"
Er schüttelte den Kopf.
,,Ich war die letzten zwei Nächte immer hier, da ich nicht schlafen konnte. Aber was machst du hier?", fragte er nun etwas besorgt.
,,Ich weiß nicht, ich konnte nicht schlafen und wollte noch ein wenig lesen. Oben hätte es die anderen wahrscheinlich gestört, also bin ich runter gegangen", ich gähnte leise.
,,Ist das immer noch sein Pulli?"
,,Ja, mir war ein wenig kalt und meine Pullis liegen fast alle noch im Koffer."
Dass das nur eine schlechte Ausrede war, merkte ich selber, aber irgendwas in mir wehrte sich dagegen, ihm alles zu erzählen. Er nickte langsam und blickte noch ein paar Sekunden auf den Pulli, bevor er die Decke ausbreitete.
,,Falls dir noch kalt sein sollte", er beendete seinen Satz nicht, sondern legte die Decke behutsam über meinen Körper.
Er setzte sich wieder neben mich und deckte sich mit dem Ende selber zu. Ich lächelte ihn dankend an und lehnte mich an seine Schulter.
Plötzlich überkam mich die Müdigkeit und kaum hatte ich meine Augen geschlossen, war ich auch schon eingeschlafen.

Ich hörte ein leises Flüstern und spürte langsam einen Druck auf meiner Schulter. Als ich meine Augen öffnete, sah ich Louise vor mir stehen.
,,Du erzählst mir gleich, was ihr hier macht, aber ihr solltet jetzt erstmal schnell aufstehen, bevor das ganze Haus aufwacht."
Ich bemerkte schnell, wie komisch es für sie aussehen musste. Shawn hatte im Schlaf wohl seinen Arm um meine Schulter gelegt, während ich an seiner gelehnt hatte. Ich stand vorsichtig auf, da ich ihn nicht wecken wollte.
,,Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit, er soll noch ein wenig schlafen. Dazu kam er die letzten Tage ja nicht wirklich", flüsterte ich leise.
Ich schlich wieder zum Schlafsaal hoch, um mich umzuziehen, während Louise unten auf mich warten wollte.
Als ich fertig war, war das Sofa leer und Louise stand am Fenster.
,,Wir konnten beide nicht schlafen, also habe ich hier ein wenig gelesen, bis er dazu kam. Irgendwie mussten wir dann beide aber ziemlich schnell eingeschlafen sein", überlegte ich laut.
,,Ja, Shawn hat es mir eben erzählt. Er wirkte auch viel besser als die letzten Tage. Anscheinend konnte er endlich mal wieder richtig schlafen. Du scheinst ihn wirklich zu beruhigen", sie räusperte sich kurz, während sie weiter aus dem Fenster blickte, ,,Du solltest bloß aufpassen, dass du ihm keine falschen Hoffnungen machst. Er mag dich wirklich gerne."
Ich dachte über ihre Worte nach.
,,Ich weiß bloß nicht, wie ich das machen soll. Er hat gerade ziemliche Probleme und ich kann ihm ein wenig daraus helfen."
Sie blickte mich nun ziemlich besorgt an.
,,Wenn ich es wüsste, hätte ich es dir vermutlich schon gesagt. Allerdings fällt er danach bloß in ein noch viel tieferes Loch, wenn seine letzte Hoffnung ihn auch noch verlässt."
Die Tür zum Jungenschlafsaal öffnete sich und wir verstummten beide.
,,Gehen wir frühstücken?", Shawn hatte seit Tagen nicht mehr so gut ausgesehen.
Seine Augenringe waren fast komplett verschwunden, seine dunklen Locken waren nicht mehr so durcheinander und seine blauen Augen strahlten wieder. Zum ersten mal seit Tagen war wieder ein aufrichtiges Lächeln in seinem Gesicht zu sehen.
Ich freute mich so sehr für ihn, dass ich das Gespräch mit Louise beiseite schob. Ich konnte ihn jetzt nicht einfach hängen lassen.

Remus Lupin (Rumtreiber & PoA) ff: Von Smaragden und SaphirenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt