22 | ÜBER MONTMARTRE

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Sektion XXIIIa von Magritte Parc lag in der Nordwestecke der Anlage mit direktem Blick auf Sacré-Cœur. Ein großes Freiluftmodul bildete einen achteckigen Platz, der wie ein kleiner Park angelegt war. Drei Appartementmodule grenzten im Westen, Norden und Süden an. Sequana näherte sich Doignacs Appartement über einen glasüberdachten Holzsteg, der in einem leichten Bogen durch den kleinen Park lief. Der Regen war stärker geworden und das stete Trommeln auf dem Glas über ihr irritierte sie. Die Kapuze noch immer ins Gesicht gezogen verließ sie den Steg und ging quer über eine kleine Rasenfläche, die um einen kitschigen Marmorbrunnen angelegt war.

Auch ohne das Regengetrommel hörte sie nichts Verdächtiges. Kein Mensch schien in ihrer Umgebung zu sein. Alle drei Appartements sahen zudem so aus, als wäre niemand zuhause. Das war natürlich nicht weiter verwunderlich. Die Einwohner der Single-Appartements im oberen Bereich von Magritte Parc wurden allesamt von Menschen bewohnt, die an einem Donnerstagvormittag ihrer Arbeit nachgingen, ob in den Büros der Chef-Etagen, in den Instituten und Behörden oder auf dem Golfplatz im Bois de Boulogne.

Der Eingang von Doignacs Appartement war mit einer Code-Verriegelung gesichert. Sequana hatte nicht vorgehabt, an der Tür zu klingeln. Sie trat einen Schritt zurück und warf einen Blick auf einen kleinen Pfad, der sich zwischen den Blumenbeeten vor dem Appartement hindurchschlängelte und um die Ecke der Appartementwand verschwand. Vermutlich war der Pfad zur Zierde angelegt, oder er wurde von den Gärtnern der Anlage genutzt, aber sie konnte nicht wählerisch ein. Sie folgte dem Pfad durch die bereits verblühenden Stauden, die regenschwer und träge an ihren Beinen entlangstreiften. Der Pfad endete nach wenigen Metern hinter der Ecke, um die Sequana gebogen war. Dahinter schloss sich jedoch ein hängendes Beet an, ein schmaler bepflanzter Vorsprung. Über diesen konnte sie bis zum nächsten Fenster klettern. Es waren nur wenige Meter, doch neben dem schmalen, begrünten Streifen ging es tief hinab zum harten Pflaster von Montmartre.

Seufzend zog sie die Trageriemen ihres Rucksacks an, bis dieser fest auf ihren Schultern saß. Dann stieg sie auf den Rand des hängenden Beets und ging auf alle Viere. Sequana warf einen Blick nach unten und erschrak. Höhenangst ist eine Eigenschaft, die Klone normalerweise nicht besitzen. Jede Form von irrationaler Reaktion wurde durch die Neurohemmer unterdrückt, doch an diesem Morgen war scheinbar jede Überraschung für sie drin. Erneut dachte sie an ihre zitternden Finger, das Frösteln im Regen, das ungekannte Gefühl von spürbar in ihren Blutbahnen strömenden Sauerstoff.

Sie bemerkte verärgert, dass sich ihre Fingerknöchel weiß verfärbten als sie sich an den Rand des Beets krallte. Ein tiefer Atemzug mit geschlossenen Augen und sie hatte das Schwindelgefühl verbannt. Sie ließ ihre Finger locker und krabbelte durch feuchte Blumenerde und nasses Efeu weiter auf das Fenster zu. Den erneuten Blick nach unten vermied sie jedoch.

Am Fenster angelangt wagte sie einen Blick ins Innere des Appartements. Sie konnte die untere Ebene sehen, ein großes Wohnzimmer mit einem Küchenbereich, vom Architekten der Wohnmodule geschickt auf mehrere Bereiche verteilt, die jeweils über wenige Stufen miteinander verbunden waren. Es gab keine Zwischenwände, nur ein glasumfasstes Beet als Raumteiler zum Arbeitsbereich. Direkt links des Fensters, durch das sie in das Appartement blickte befand sich jedoch eine schmale Treppe, die zur oberen Ebene führte. Sequana konnte sich nicht sicher sein, ob sich nicht jemand in der oberen Ebene des Appartements aufhielt.

Sie untersuchte das Fenster. Ein kleiner ID-Scanner befand sich im unteren Bereich des Fensterrahmens. Sie hatte darauf spekuliert, dass es an diesem Fenster eine Notentriegelung gab, schien es doch außer der Eingangstür der einzige Zugang zum Appartement zu sein, der im Notfall als Ausgang dienen konnte, ohne dass man gleich fünfzig Meter tief auf die Straße stürzte. Ohne einen Blick über den Rand des Beets zu riskieren griff Sequana in die Seitentasche ihres Rucksacks und zog ein kleines Dechiffriergerät hervor, das für sie in der Vergangenheit bereits einige Sicherheitsschlösser geöffnet hatte. Bei einer Wohnanlage wie Magritte Parc rechnete sie mit einer Alarmvorrichtung, wenn Unregelmäßigkeiten beim ID-Scan auftraten. Die Anlagen waren so eingerichtet, dass sie bei einem regulären Scanversuch mit einer falschen ID eine Fehlermeldung ausgaben jedoch keinen Alarm auslösten, immerhin kam es immer wieder mal vor, dass eine ID-Card nicht beim ersten Scan lesbar war. Ein ID-Dechiffrierer hingegen wies Muster bei der ID-Simulation auf, die in der Regel erkannt wurden und sofort einen Alarm auslösten, wenn die Simulationsfrequenz nicht auf Anhieb getroffen wurde.

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