65 | NATHAN

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„Wie geht es Ihnen, Frau Aden?"

„Es geht schon", antwortete die Stimme am anderen Ende, „wahrscheinlich habe ich mich bei diesem Schietwetter verkühlt. Aber nichts, was nicht nach einem Tag im Warmen wieder auskuriert wäre."

„Ich kann mir bei Ihnen nicht vorstellen, dass Sie aus den falschen Gründen krankmachen würden", entgegnete Coolridge mit seiner tiefen, rauen Stimme, „seien Sie unbesorgt. Aber aus welchem Grund rufen Sie an?"

„Ich habe etwas über einen Klon erfahren, der vor einigen Jahren ins Aljoscha eingeliefert wurde. Können Sie mir sagen, wer der behandelnde Arzt war?"

„Ich weiß nicht, welchen Klon Sie meinen, wir hatten immer wieder mal Krankheitsfälle im Institut. Aber alle diese Fälle in den letzten dreißig Jahren wurden immer von Chefarzt Dr. Kershin übernommen."

„Kershin? Wirklich?"

„Er ist ein guter Mann, Frau Aden, medizinisch gesehen."

„Als Mensch ist er hingegen ziemlich ungenießbar."

„Solange man sich seinen Respekt nicht verdient hat. Zugegeben – er hat manchmal eigenartige Maßstäbe, aber als Arzt ist er unverzichtbar."

„Danke, Professor, mehr muss ich nicht wissen."

„In Ordnung", Coolridge zögerte, „Sie wissen, dass ich Ihnen angeboten habe, offen zu sprechen, Frau Aden?"

„Ich weiß, und das Angebot nehme ich gerne an ... in gewisser Weise, aber ..."

„Entschuldigen Sie, Frau Aden, einen Moment!", unterbrach er sie, als es an der Tür klopfte.

Sein persönlicher Assistent kam in den Raum. „Sie haben unangemeldeten Besuch, der sie dringend sprechen möchte, Dr. Coolridge."

„Wer ist es denn?", erkundigte er sich.

„Er sagt, er ist ein alter Freund von ihnen. Ihr erster Freund." Der Assistent sah ihn verwirrt an.

„Der erste, ja?", Coolridge lachte. „Bitten Sie ihn herein."

Er schaltete die Verbindung zu Eva wieder frei. „Sagen Sie, Frau Aden, hatten Sie zufällig Kontakt zu jemandem namens Isaak?"

„Er ist auf dem Weg zu ihnen", entgegnete sie, „und ich werde Sie jetzt in Ruhe lassen und mit Dr. Kershin sprechen." Sie brach die Verbindung ab. Coolridge schüttelte lächelnd den Kopf, dann drehte er sich um und fuhr sich mit der Hand über den kahlrasierten Schädel.

„Nathan!", Isaak schloss die Tür hinter sich und ging auf Coolridge zu, um ihn herzlich zu begrüßen.

„Isaak, es freut mich wirklich, dich zu sehen!"

„Wie laufen die Geschäfte?"

„Setz dich doch erst mal!" Coolridge deutete auf eine kleine Sitzgruppe aus kleinen, unbequem aussehenden Designersesseln auf der anderen Seite seines Büros, während er selbst zu einer schwarz lackierten Anrichte ging. „Whiskey?"

„Warum nicht", entgegnete Isaak und setzte sich.

„Bist du hier, um über meine Forschungen zu sprechen?" Coolridge füllte zwei Gläser mit zwei Fingerbreit Single Malt.

„Auch. Aber mich interessiert noch etwas anderes. Ein Klon namens Sasha Bréa."

Coolridge zog eine Braue hoch, stellte den Whiskey auf dem kleinen Glastisch vor ihnen ab und setzte sich ebenfalls.

„Ich verstehe langsam", murmelte er und fügte dann hinzu: „Du wirst sicher verstehen, warum ich dir von Sasha bisher nichts erzählt habe, oder?"

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