71 | VISAREN

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„Du hast gegen die Dinger gekämpft", brachte Sequana zischend hervor, „irgendeine schlaue Idee, was wir jetzt machen sollen?"

„Abwarten ... wenn sie zu nahe kommen, schieße auf ihre Gesichter, aber halte dir danach die Augen zu." Isaak musterte die Wesen im Schatten angestrengt.

„Augen zuhalten? Warum?"

„Tu es einfach!" Er hielt inne und senkte die Waffe ein Stück. „Warte ..."

„Was ist? Was hast du?"

„Ich habe etwas gesehen ... glaube ich. Im Augenwinkel." Isaak blickte zu allen Seiten. „Ninive! Geh zu den anderen!"

„Nein, Isaak, ich habe Solvejg zu ihnen geschickt und sie die Tür verriegeln lassen. Zu dritt ist unsere Chance größer." Ninive ging mit langsamen Schritten durch den Raum zu ihnen. Die verhüllten Gesichter der Wesen im Dunkeln schienen ihre Bewegungen zu verfolgen.

„Das letzte Mal waren wir zu zweit und die nur zu siebt und haben gerade so die Flucht geschafft. Wie groß ist die Chance, dass einer von uns hier lebend rauskommt?"

„Du wirst nicht ohne mich sterben!", entgegnete Ninive fest und erschreckte sich damit selbst. Sie blickte zu Isaak, der für einen Moment seine Haltung verlor und sie mit offenem Mund ansah.

„Ähm ... Leute, verschiebt euren Shakespeare-Moment auf später", ging Sequana dazwischen, „es werden immer mehr."

Isaak löste seinen Blick von Ninive und sah zu den Gestalten. Und tatsächlich schien sich die Menge der Wesen im Dunkeln zu vermehren. Isaak hatte den Eindruck, als würde sie einfach im Schattenspiel entstehen. Als würden sich die Umrisse wie Schemen im Zwielicht überlagern und wann immer sie sich trafen und wieder auseinanderflossen weitere von ihnen zurückbleiben. Er rieb sich die Schläfen, der Anblick schmerzte tief in seinem Kopf.

Und dann kam Bewegung in die Menge, erst unmerklich, doch nach einigen Sekunden gab es keine Zweifel mehr, dass sich die Wesen langsam in beide Richtungen seitwärts bewegten und sie einkreisten.

„Das ist mir nah genug!", rief Sequana plötzlich, riss das Sturmgewehr hoch und eröffnete das Feuer auf die Gestalten.

„Nein!", schrie Isaak, doch es war zu spät. Die ersten der Wesen waren getroffen und brachen in der Menge der anderen zusammen. „Augen zu!"

Sequana nahm einen Arm von der Waffe und verdeckte damit ihre Augen, während sich Ninive auf den Boden kauerte und die Hände vor ihr Gesicht presste. Isaak wandte sich in die entgegengesetzte Richtung ab. Die Gestalten auf dieser Seite des Raums waren schlagartig näher gerückt. Instinktiv brachte er seine Waffe in Anschlag und feuerte auf die Masken und Schleier.

Einen Augenblick später zuckten grelle Blitze aus den Köpfen, die Sequana erwischt hatte. Isaak rief den beiden Klonen zu, sie sollen in Deckung bleiben und wirbelte wieder herum. Genau in diesem Moment explodierten Blitze seiner Opfer hinter ihm. Er entleerte das Magazin auf die anrückenden Wesen auf Sequanas Seite. Diese hatte ihre Waffe in Anschlag gebracht und feuerte ebenfalls.

„Wir müssen synchron bleiben!", rief sie ihm zu, als sie sich wieder umdrehten, um der nächsten Welle an gleißenden Blitzen zu entgehen. Doch als sie sich umgedreht hatten, sahen sie die ersten Gestalten nur wenige Schritte vor ihnen. Sie hatten ihre Masken und Schleier abgenommen und das silberne Augenfeld glitzerte über den verstümmelten Nasen und aufgerissenen Mündern, aus denen ihnen spitze Zähne entgegenblitzten.

Isaak warf das Sturmgewehr auf den Boden. Er hatte keine Zeit zum Nachladen. Er zog die beiden Kampfmesser, die er aus dem Spind genommen hatte, und machte sich bereit, die Wesen in Empfang zu nehmen. Aus dem Augenwinkel sah er Ninive, die nach vorne schoss. Sie prallte gegen einen der Körper und stieß diesen zu Boden. Mit einem geschickten Griff zog sie aus dem Gürtel der fremden Gestalt ein langes, altertümlich aussehendes Säbel und zog es diesem durchs Gesicht.

Solheim 01 | EUROPAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt