23 | NEUJAHR

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„Eintrag #1064 vom 17. Dezember 2110, Professor Cédric Doignac.“ Die weichgespülte Frauenstimme, die die Eintragsansage des Journals machte, konnte nur aus einer Maschine stammen, dachte sich Sequana. Zwei der Einträge waren für ihre ID freigeschaltet worden, und sie hoffte, dass die Zeit, die sie mit diesen verbrachte, eine Fährte liefern würde.

„Mein lieber Yanis“, erklang nun Doignacs wesentlich rauere Stimme, auch wenn der Audioprozessor des Journals eine unpassende Glättung des Klangs vornahm. „Was ich schon seit Wochen vermutet habe – die Gerüchte sind ja seit Tagen bereits offene Geheimnisse – ist heute offiziell geworden. Colonel Belnoir hat mich aufgesucht und offiziell um die Freigabe von Ninive für eine Geheimmission gebeten, die von Militär und Institut gemeinsam durchgeführt wird. Er sagte mir ausdrücklich, dass Ninive dem akademischen Team unterstehen wird, aber aufgrund ihrer Fähigkeiten das Militärtraining mit absolvieren muss und im Fall einer Notlage direkt der Militärleitung unterstellt wird.

Ich bin mir nicht sicher, was ich von der ganzen Sache halten soll. Warum Ninive? Sie bringt die körperlichen Anlagen mit, natürlich, aber ihre ausgebildeten Fähigkeiten als Somatoniker liegen doch eher in einem anderen Bereich. Und die Ergebnisse, die sie erzielt, sind bis heute zwar beeindruckend, aber nichts, was das Militär nicht durch Gerätschaft ersetzen könnte.

Ich wollte mich dem verweigern, wollte sie nicht freigeben, ohne zu verstehen, warum sie ausgewählt wurde. Doch Belnoir erwähnte die ‚Sektion B‘. Wie um alles in der Welt hat er davon erfahren? Außer mir und den Drei weiß niemand davon. Naja, ich dachte das auf jeden Fall. Aber jetzt, da Belnoir mir damit kam, konnte ich nur zustimmen.

Belnoir ist ein ekliger Kerl, ein fetter Opportunist, brutal und arrogant im Auftreten – nur gegenüber seinen Vorgesetzten vermutlich nicht. Er untersteht General Rivell, der einer der Leiter der Expedition ist. Ich habe ihn auf einigen Veranstaltungen getroffen, er ist ein gutmütiger, netter alter Mann, der so gar nichts mit Belnoir gemein hat … ich sollte vielleicht mit ihm sprechen.

Vorhin habe ich mich mit Bertrand unterhalten … wir waren noch einen trinken, oben bei Rascal. Er hat mich gefragt, warum ich Ninive für die Expedition freigegeben habe. Was sollte ich ihm sagen? Er weiß nichts von ‚Sektion B‘ und das Letzte was ich will ist, dass er davon erfährt. Es ist schlimm genug, dass ich die Last von damals tragen muss. Er hat das Trauma gut überwunden, ich will keine alten Wunden aufreißen. Nicht so lange ich es vermeiden kann. Aber wenn die Dinge schlimmer werden, und ich einen Vertrauten brauchen sollte, der mir in dieser Sache helfen kann, dann würde ich zu ihm gehen.“

Es folgte eine lange Pause, in der Sequana das Atmen des Professors und das Öffnen einer Flasche Wein hören konnte. Dann wurde der Eintrag schließlich beendet. Sie pausierte den zweiten Eintrag, der direkt im Anschluss zu spielen begonnen hatte, nach wenigen Sekunden und starrte aus dem Fenster hinauf zu Sacré-Cœur. Die Frau, die sie mit dem Taser außer Gefecht gesetzt hatte, hatte mit einem Bertrand gesprochen. Vielleicht war dieser Bertrand ein einflussreicher Freund des Professors. Wenn sie genauer darüber nachdachte, passte die einzelne Frau in der Wohnung auch nicht in die Vorgehensweise der Security-Teams. Aber was war, wenn dieser Bertrand nicht der Freund war, den der Professor im Journal erwähnt hatte? Bertrand war immerhin kein seltener Name.

Sequana startete mit einer Geste Richtung Journal den zweiten Eintrag. Immerhin war dieser Bertrand eine konkrete Spur, der sie folgen konnte, doch zuerst würde sie sich den zweiten Beitrag anhören, vielleicht vervollständigte dieser ihre Informationen. Doignac hatte ihr vermutlich nicht zufällig zwei Einträge freigeschaltet.

„Eintrag #1087 vom 1. Januar 2111, Professor Cédric Doignac.“ Sequana sah auf die kleine Digitaluhr an der Wand. Es war der 4. September 2113, die Ereignisse der Journaleinträge lagen also fast drei Jahre zurück.

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