41. Kapitel

2.8K 75 2
                                    

Die weiteren Tage verliefen ruhig. Meine Mutter und ich sprachen nicht viel. Sie ließ Ethans plötzlichen Abgang unkommentiert, wofür ich ihr mehr als dankbar war. Ich half ihr sogar mit der Pflege meines Vaters - wobei es sich bei mir lediglich auf das Anziehen von Pullovern und das Aufräumen seiner Zeitungen beschränkte. Meine Gedanken kreisten ständig um Ethan, doch ich zwang mich, das Kapitel als erledigt abzuschließen. Mit Cat telefonierte ich am Dienstag und versicherte ihr, dass alles gut sei. Ich konnte es kaum abwarten, wieder nach Florida zurück zu fahren und mein altes-neues Leben aufzunehmen. Wenn da nicht Ethan wäre. 

Nun war Donnerstag und die erste Woche bei meinen Eltern war schon fast vorbei. In einer Woche plante ich wieder, zurück zu fahren. Obwohl mir Parker zugesichert hatte, dass ich mir so viel Zeit nehme sollte, wie ich wollte, wusste ich nicht, wie er jetzt zu mir stand. Ich würde ihm auch zutrauen, mich zu feuern. 

Ich saß in der Küche und schälte Kartoffeln. Meine Mutter war neben mir. Es war eine einfache, aber friedvolle Arbeit und ich hatte mich schon fast wieder daran gewöhnt, im Haushalt vollständig mitzuhelfen. 

Ich überlegte und beschloss nach den letzten Tagen wieder mit meiner Mutter normal zu reden. Ich hatte sie lang genug mit Schweigen gestraft und nun hatte mich wieder das schlechte Gewissen eingeholt. 

"Was ist denn jetzt eigentlich zwischen dir und Dr. Graham?" fragte ich schließlich. "Und bitte sag mir einfach die Wahrheit", setzte ich hinterher. 

Meine Mutter legte den Sparschäler weg und platzierte die Kartoffel wieder auf der Schale in der Mitte des Tisches. "Wir verstehen uns wirklich gut", gestand sie. "Ich bin anfangs zu ihm, als Richards Vergesslichkeit auffälliger wurde. Du weißt ja wie stur dein Vater sein kann." Sie warf mir einen kurzen Seitenblick zu. "Dein Vater sagte ständig, ich sei Schuld und würde die Dinge verlegen. Irgendwann zweifelte auch ich an meinem Verstand." Sie lachte kurz auf, doch es klang eher traurig. "Dann bin ich zu Dr. Graham. Er ist ein vertrauensvoller Arzt und da wir uns auch schon länger kannten bin ich zu ihm. Ich habe ihm die Situation geschildert. Eigentlich wollte ich in Behandlung gehen oder zumindest mich untersuchen lassen, doch Jonathan - Dr. Graham", verbesserte sie sich. "hat sofort gesagt, dass es sich eher nach einem Problem von Richard anhört. Ich habe ihm viel erzählt. Auch wie stur Richard sein konnte und wie er immer die Schuld bei uns gesucht hatte. Dr. Graham hat mich sehr gut unterstützt und mir die Schuldgefühle genommen, die ich lange mit mir herumgetragen habe."

Meine Wut war wie weggeblasen. Ich verstand sie und war Dr. Graham sogar dankbar. Eigentlich war es genau das, was ich ihr lange gewünscht hatte: Ein Mann, der sie aufbaute anstatt runterzumachen. 

"Und wie sieht es jetzt zwischen euch aus?" fragte ich weiter. Sie lächelte schüchtern. "Gut. Wirklich gut. Wir sind kein Paar oder so, aber wir verstehen uns wirklich gut." Jetzt musste auch ich lächeln. "Das freut mich, Mama", sagte ich. 

Sie sah mich überrascht an. "Aber ich dachte, du wärst sauer deswegen?" Ich nickte. "War ich auch, weil ich mich ausgenutzt gefühlt habe. Ich weiß auch nicht, wieso ich so blöd reagiert habe."

"Liegt es vielleicht mitunter an dem jungen Herrn, der hier letztens aufgetaucht ist?" fragte sie mich vorsichtig. Ein Stich in meinem Herzen sagte mir, dass sie mit dieser Annahme gar nicht so verkehrt lag. 

"Ethan Parker", sagte ich und sein Name klang fremd als ich ihn aussprach. "Er ist eigentlich mein Chef, aber zwischen hat sich irgendwas entwickelt. Ich dachte zumindest, dass es beidseitig gewesen wäre."

Meine Mutter betrachtete mich aufmerksam. "Was steht euch im Weg?" fragte sie. "Ist es weil er dein Vorgesetzter ist?" 

Ich schüttelte den Kopf und sah auf das Glas, das auf dem Tisch vor ihr stand. "Nein, viel schlimmer." Ich schluckte, weil ich so etwas eigentlich nicht vor ihr sagen wollte. "Er ist verlobt."

My BabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt