Ich spürte, wie ich am ganzen Körper zitterte. Meine Beine boten mir nicht mehr ausreichend Halt und ich krallte mich in das Sideboard. Der Brief segelte zu Boden.
"Ave! Die Pizza wird kalt, jetzt komm.."
Cat verstummte. Ihre Augen weiteten sich. Mit schnellen Schritten war sie an meiner Seite und griff mit einer Hand um meine Taille, mit der anderen legte sie sich meinen freien Arm über die Schultern. Stützend leitete sie mich zum Sofa und ließ mich vorsichtig darauf sitzen.
Ich starrte nur auf den Boden, jeder klaren Sicht beraubt. Das Blut rauschte mir in den Ohren und ließ mich meinen Herzschlag überdeutlich wahrnehmen. "Was ist denn los?" fragte sie leise neben mir und kniete sich vor mich, um mir in die Augen zu sehen.
Ich drehte mich weg und bedeckte mein Gesicht mit beiden Händen. Ich hatte Cat nie erzählt aus welcher Familie ich komme und ich hatte auch vor, das für mich zu behalten. Dieser Teil meines Lebens sollte nicht hierher. Nicht ohne Grund war ich in eine neue Stadt gezogen. Ich wollte weg von allem und ein komplett neues Leben anfangen.
Cat schwieg, setzte sich neben mich und nahm mich in den Arm. Beruhigend strich sie mit der Hand über den Rücken. Wir saßen lange so da, die Pizza wurde kalt und ich müde. Irgendwann gab ich dem Schlaf, der mich umhüllte nach und ich legte mich auf die Couch. Meine Freundin deckte mich zu und schaltete das Licht aus.
***
Ich erwachte früh am Morgen. Die Sonne schien blass durch die großen Fenster im Wohnzimmer. Erstaunlicher Weise fühlte ich mich ausgeruht und ich war froh, dass ich meine Gefühle gestern zugelassen hatte. Es fühlte sich gut an, nicht alleine damit zu sein.
"Du bist wach!" stellte Cat fest. Sie lehnte im Türrahmen und sah mich an wie eine besorgte Mutter ihr krankes Kind. "Wie geht's dir?" Ich versuchte sie anzulächeln, doch meine Mundwinkel fühlten sich zu schwer an.
"Es geht", krächzte ich, die Stimme noch schlafbelegt. Ich streckte meinen Rücken durch und räusperte mich. "Es war gestern wohl alles bisschen viel."
"Ave, du kannst mich nicht anlügen. Was war das für eine Nachricht?" fragte Cat unbeirrt. Ich winkte ab. "Lass uns bitte nicht darüber reden. Ich muss verreißen, wahrscheinlich für eine Weile." Ich mied ihren Blick und sah aus dem Fenster. Die Wolkendecke schob sich langsam und träge über die Stadt.
"Du musst was?" fragte sie entsetzt. Ich schloss die Augen. "Bitte. Ich werde es dir erklären, sobald ich kann."
Ich spürte wie sie noch eine Weile so da stand und mich verzweifelt mit ihren Blicken löcherte, als könnte sie mich damit zum Reden bringen. Dann drehte sie sich um. "Ich geh zur Arbeit." Ich hörte wie sie sich anzog und kurz darauf die Tür ins Schloss knallen ließ.
Erschöpfung machte sich plötzlich wieder breit und ich schnaufte durch. Heute hatte ich frei, aber ich musste Parker darum bitten, mir die nächste Woche freizugeben. Ich musste zu meinen Eltern fahren.
Ich spürte, wie sich alles in mir wehrte, wieder dorthin zurückzukehren. Ich nahm mein Handy und tippte eine Email an Ethan. "Guten Morgen. Ich nehme mir die nächste Woche Urlaub. Liebe Grüße, Avery."
Ich schickte ab. Ich hatte gezielt keine Frage formuliert. Ethan konnte mich mal. Egal, was er sagen würde, ich musste zu meiner Mutter. Als ich damals meine Heimatstadt verließ und wegzog hatte sie mir versprochen, nur im Notfall zu schreiben. Es musste dringend sein. Der Kontakt war seit einem Jahr abgebrochen. Nur zum Geburtstag schickten wir uns kurze Glückwünsche, aber das war's.
Ich sah auf mein Handy, dass aufblinkte. "Oh nein", murmelte ich und sah auf das Display. Ethan rief an.
"Ja?" fragte ich in den Hörer. Es klang eher genervt, aber das war mir egal. "Avery. Alles gut bei dir?" fragte er besorgt.
Ich wurde wütend. "Ja natürlich. Bei deiner Verlobten hoffentlich auch!" erwiderte ich patzig.
Stille.
"Können wir uns sehen?" fragte er leise.
"Ich nehmen mir Urlaub. Und außerdem habe ich heute sowieso frei", stellte ich klar.
"Ich weiß", sagte er. "Aber ich möchte vorher dringend mit dir reden."
Ich dachte nach. Eigentlich wäre es tatsächlich eine gute Idee, mich mit ihm zu treffen und ihn anzuschreien. Meinem Ärger Luft zu machen oder wenigstens mit der einen Sache abzuschließen, bevor ich mit dem nächsten Scherbenhaufen in meinem Leben klar kommen musste. "Okay", gab ich zurück.
"Ich hol dich in einer halben Stunde ab." Er legte auf.
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My Babe
ChickLitAvery Brown lebt ein unscheinbares Leben. Mit 21 Jahren hat sie zwar einen guten Job, eine tolle Wohnung mit ihrer besten Freundin und genug Geld, um das Leben zu genießen, doch ein entscheidender Punkt fehlt ihr: die Liebe. Dass sich ihr beschaulic...