22. Kapitel

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Ethan Parker hatte ein Lokal unweit der Firma gewählt. Obwohl ich oft in meinen Mittagspausen Essen gegangen bin, war ich noch nie in diesem. Es hatte große helle Fenster, durch die die angenehm warme Frühlingssonne schien. Von der Einrichtung her konnte ich darauf schließen, dass es sich um ein japanisches Restaurant handelte. Auf jedem Tisch stand eine blühende weiße Orchidee. Die Wände waren mit Japanischen Schriftzügen in Rot gestaltet und die Kellnerinnen hatten sich Dutts gesteckt. Der Großteil schien selbst asiatischen Ursprungs zu sein. Ich musste unwillkürlich lächeln, denn schon jetzt fühlte sich diese Mittagspause wie ein schöner Traum an. Ein ruhiges Klavierstück empfing uns aus den Lautsprechern als Ethan sich zu mir umdrehte und mit beiden Händen bedeutete, dass er mir helfen wollte aus meiner Jacke zu kommen. Wir standen an der Garderobe, die aus dunklem Holz war. Ich fühlte mich nicht schick genug für dieses Lokal und sogleich schoss mir in den Kopf, dass es sich hierbei um ein verdammt Teures handeln musste. Ich entledigte mich meiner Jacke und er hängte sie zusammen mit seiner auf. 


"Guten Mittag", begrüßte uns schon gleich eine hübsche Frau, deren dunklen mandelförmigen Augen uns freundlich musterten. "Mister Parker, folgen Sie mir gern", sagte sie schließlich mit einer kaum merklichen Verbeugung. Wir folgten ihr in einen etwas abgelegeneren Teil. Hier war es ruhiger und die anderen Gäste waren durch eine halbhohe Wand auf der Blumen ragten abgetrennt. Ich spürte wie Zweifel in mir hoch kamen. Parker musste oft hier gewesen sein. Vermutlich auch - oder ausschließlich - mit Dates. Der Frau, die uns herführte, nach schien es, als kannte sie ihn bereits gut genug, um auf Anhieb seinen Namen und den gewünschten Platz zu wissen. Er zog einen der beiden Stühle hervor und ich setzte mich. Manieren hatte er. Obwohl ich mir keine Hoffnungen machen wollte, wurde meine Laune etwas getrübt. Bilder mit anderen - schöneren - Frauen stiegen in mir auf. Ich versuchte, sie zu verdrängen. "Alles gut?" fragte Mr. Parker mich. Ich sah auf und rang mir ein Lächeln ab. "Ja, alles bestens." Ich sah mich um. "Das Lokal ist wunderschön", fügte ich schnell hinzu. Er lächelte wissend. "Das fand ich auch", gab er zu. "Ich hab eine Frage", sagte er schließlich und stockte kurz. Seine Augen wanderten über den Tisch als müsste er dort erst die richtigen Worte finden. "Wäre es für Sie in Ordnung, wenn wir uns duzen? Das Gesieze," Er atmete genervt durch. "Geht mir echt auf den Geist." Ich musste lachen. "Ja natürlich", sagte ich. So eine Frage hätte ich von Mr. Parker - Ethan - nicht erwartet. 


Die Anspannung fiel etwas von mir ab. "Also Avery", begann er. Ich spürte ein Kribbeln in mir aufkommen, als er meinen Vornamen aussprach. Es fühlte sich persönlicher, vertrauter an. "Wie gefällt dir deine bisherige Arbeit?" fragte er. In seinen Augen spiegelte sich aufrichtiges Interesse. "Total gut! Ich muss sagen, dass mir die Arbeit mit Sponsoren und die Planung zu den Lokalitäten sehr gefällt." Er nickte. "Und woher kommen Sie, wenn ich fragen darf?" Ich sah ihn irritiert an. "Woher kommst Du", korrigierte er sich schnell. Ich räusperte mich. "South Carolina." Eine Augenbraue von ihm schoss in die Höhe. "Ein eher konservativer Bundesstaat", schlussfolgerte er. Ich nickte schnell. Über meine Herkunft oder Eltern zu reden war mir unangenehm. Ich liebte mein neues Leben in Florida. Ich wollte meine neue Identität, mein neues Ich nicht mit dem Alten verknüpfen. Ich hatte mich los gestrampelt. "Wir müssen nicht weiter über deine Herkunft reden", sagte er schnell. Er musste gesehen habe, wie Erinnerungen in mir wach wurden. Ich lächelte ihm dankbar zu.


"Und Sie - Du - bist schon immer hier aufgewachsen?" fragte ich ihn. Er grinste. Seine Erinnerungen schienen Freude in ihm zu wecken. "Ja, mein Vater - dein ehemaliger Chef - hat mir ein schönes Leben bereitet." Es klang förmlich. "Ein schönes Leben bereitet?" hakte ich nach. Er richtete sich in seinem Stuhl auf und faltete die Hände vor sich. "Ich war bis zu meinem 8. Lebensjahr bei meiner Mutter." Ich überlegte kurz. "Also ist Mr. Parker Senior gar nicht dein" - "Doch, doch", unterbrach er mich. "Aber meine Eltern trennten sich bereits ein Jahr nach meiner Geburt. Meine Mutter zog mich also die ersten Jahre groß." Ich nickte. "Sie hat aber alles nicht so gut auf die Reihe bekommen." Er winkte mit einer Hand ab. "Mein Vater war da wesentlich geschickter. Ich bin froh, dass er mich auf richtige Bahnen gelenkt hat." 

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