35. Kapitel

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Sorry & Thanks

Hallo ihr Lieben,

Auf Grund von persönlichen Begebenheiten war es mir nicht möglich in den letzten Monaten hier weiter zu schreiben. Zum einen DANKE an euch alle! Und ein Riesen Es-Tut-Mir-Leid an alle, die gewartet haben. Ich weiß wirklich wie nervig und demotivierend es sein kann, wenn eine Geschichte durch zeitliche Abstände auseinander gerissen wird. Ich hab mich in den letzten Tagen wieder dran gesetzt und die letzten Handlungsstränge nochmal Revue passieren lassen. Long story short: I'm Back & es geht weiter!

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Meine Mutter lief voraus, ich folgte ihr. Das Licht im Haus schien getrübt zu sein, wobei ich gar nicht genau ausmachen konnte, woran das lag. Wir liefen die alte Holztreppe hinauf, begleitet von dem leisen Knarren, das sie unter unseren Füßen von sich gab. 

Ich kannte die Anzahl der Stufen auswendig. Das Geräusch beim Gehen war mir so vertraut wie mein eigener Herzschlag. Wie oft ich sie schon hinaufgegangen war, konnte ich allerdings nicht sagen. Das Schlafzimmer meiner Eltern lag in der oberen Etage. Vor der geschlossenen Tür kamen wir zum Stehen. Erst jetzt merkte ich, wie ich die Luft angehalten haben musste, denn meine Lunge protestierte mit einem stechenden Schmerz. Ich atmete tief ein und versuchte, irgendwie ruhig zu bleiben. 

Meine Mutter drehte sich leicht zu mir um und musterte mich besorgt. "Es tut mir leid, dich da reingezogen zu haben", flüsterte sie. "Nein Mama. Das muss es dir nicht", gab ich genauso leise zurück. Ich merkte, dass auch sie angespannt war. Ihre Hand schwebte über der Türklinke, doch machte sie keine Anstalten, diese auch zu öffnen. 

Ich merkte, wie sich meine Anspannung in Ungeduld wandelte. Diesen Moment wollte ich so schnell wie möglich hinter mir haben. Ich wollte weg und einfach rennen. Doch wie löst man die Fäden seiner Vergangenheit, wenn sie an einem kleben wie lästige Parasiten? Ich verzog das Gesicht bei diesem gedanklichen Vergleich, doch ich wusste, dass er zutraf. Meine Geschichte war unwiderruflich mit der meiner Eltern verwoben. Die Fäden würde sich nie auflösen, denn sie waren ein Teil von mir. 

Das Öffnen der Tür brachte mich wieder ins Hier und Jetzt. Der Raum dahinter offenbarte sich. Ich bemerkte sofort, dass nur eine Seite des Doppelbetts meiner Eltern bezogen war. Die zweite Bettwäsche fehlte und hinterließ einen merkwürdig unfertigen Eindruck. Mein Blick wurde allerdings von etwas anderem noch mehr angezogen: Der gebückten Person auf dem Sessel in der Ecke. Ich blinzelte. Wer war das?

"Richard, Wir haben Besuch", sagte meine Mutter den Namen meines Vaters laut und deutlich. Der Mann bewegte sich schwerfällig, so als würden die Worte nur langsam an Bedeutung gewinnen. Er sah auf. Ich zuckte unwillkürlich zurück. Die Augen waren dieselben. Eiskalt und stechend. Doch da war noch etwas in ihnen. Etwas, das ihm gleichzeitig ein komplett anderes Aussehen verlieh. Ich schluckte. "Hallo Vater", sagte ich und merkte, wie fremd meine Stimme klang. Er sah von meiner Mutter zu mir und wieder zurück. Unbeeindruckt widmete er sich der Zeitung auf seinem Schoß wieder. Selbst von der Tür aus erkannte ich, dass sie falsch herum zu ihm lag. Er hatte abgenommen. Sehr sogar. Sein Gesicht war eingefallen und es schien als wollten seine Wangenknochen durch die dünne Haut schneiden. Es verlieh ihm ein gleichermaßen unheimliches als auch bemitleidenswertes Aussehen.

Meine Mutter lächelte mir aufmunternd zu. "Er hat heute einen ruhigen Tag", sagte sie. "Ruhig?" fragte ich. Sie nickte. "Ja, manchmal ist er sehr aktiv, läuft herum, fragt viel oder reagiert aggressiv", erzählte sie. Als ob seine Aggression eine Neuheit wäre, dachte ich zynisch. "Aber der Arzt hat ihn medikamentös gut eingestellt. Vielleicht sogar zu gut", fügte sie schnell hinzu. Ich merkte, wie sie lockerer wurde. Vermutlich war es befreiend für sie, auch mal selbst darüber zu reden. Ich stellte es mir schrecklich vor mit so etwas alleine zu sein. 

Ich nickte interessiert. "Das freut mich", sagte ich. Richard nahm die Zeitung in beide Hände, drehte sie und strich sie wieder glatt. "Willst du zu ihm?" fragte Mama mich. Ich betrachtete meinen Vater. Er schien mir so fremd und doch waren meine negativen Gefühle zu ihm noch da. Irgendwie wünschte ich mir, dass sie vergehen würde, jetzt wo er nicht mehr er zu sein schien. Ich schüttelte instinktiv den Kopf. Meine Mutter nickte nur kurz, als ob sie meine Reaktion bereits erahnt hatte. 

Sie schloss vorsichtig die Tür. Mir fiel auf, dass wir beide den Raum noch nicht mal betreten hatten. Irgendwie fühlte sich diese Distanz falsch und doch sicher an. Ich atmete langsam aus. Es tat gut, diese Begegnung hinter mir zu haben. Gleichzeitig merkte ich aber, dass die Demenz meines Vaters noch viel weitreichendere Folgen hatte, als mir jetzt bewusst war. Ich schob die Gedanken beiseite. Heute will ich erst einmal ankommen.

"Ich habe dein Zimmer so gelassen, wie es war", sagte meine Mutter und drehte sich beim Gehen leicht zu mir um. "Nur dein Bett habe ich neu bezogen." - "Danke", sagte ich und folgte ihr erneut. Wir liefen am Treppenabgang vorbei zu meiner Zimmertür. Sie war mal türkis, doch mittlerweile sah es eher nach einem Grau aus. Nur die abgeblätterte Farbe verriet ihr früheres Aussehen. Meine Mutter hatte sie in einem Sommer für mich gestrichen. Mein Vater war damals mit einem Freund angeln, als er wieder kam gab es natürlich Streit. Er schrie viel und wollte sie wieder weiß streichen. Meine Mutter konnte ihn vom Gegenteil überzeugen - eine der wenigen Male, in denen sie sich für mich eingesetzt hatte. Ich schluckte die Wut herunter. Das war jetzt nicht der richtige Augenblick. 

Wir betraten mein Zimmer. Das kleine Bett stand immer noch am Fenster. Ich musste lächeln als mein Blick auf den weiß-grauen Hasen fiel, der auf dem Kissen lag. "Du hast ihn wieder dort hingelegt", stellte ich amüsiert fest. Meine Mutter lächelte. "Ich habe ihn im Keller zwischen den alten Kartons gefunden. Ich dachte, vielleicht magst ihn wieder hier haben." Ich lief auf mein Bett zu und setzte mich. Den alten Hasen nahm ich in beide Hände und strich mit den Zeigefingern über die groben Nähte.

"Ich hab ihn schon fast vergessen", sagte ich leise, ganz so, als ob ich Angst hätte, die schönen Erinnerungen damit zu verscheuchen. Meine Mama lief zu mir und setzte sich neben mich. Eine Weile sahen wir beide auf das Stofftier mit den großen Augen und dem lächelnden Gesicht. "Manchmal frag ich mich ob es besser gewesen wäre", sagte ich vorsichtig. "Ich meine, ob es besser gewesen wäre, wenn wir beide wirklich gegangen wären. Weg von hier." 

Ich spürte, die sanfte Umarmung meiner Mutter. "Es ist wie es ist", sagte sie leise. 

Manchmal tut ankommen mehr weh als gehen, dachte ich mir und schloss die Augen.

My BabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt