28. Kapitel

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In meinem Kopf herrschte pures Chaos. Meine Gedanken drehten sich um Parker und den Kuss mit ihm. Immer wieder versuchte ich, diesen Moment und die Tatsache, dass er verlobt war, zusammen zu bekommen. Vergeblich. 

Meine Wut auf ihn stieg von Minute zu Minute und ich musste mich beherrschen, ihm nicht an die Gurgel zu springen. 

Der Tag verlief trotz allem ruhig. Als wäre nie was gewesen. Wir hielten unsere Meetings und besprachen einige Konzepte. Ich mied seine Blicke und er meine.

Seine Verlobte hatte sich vermutlich eine schöne Zeit im Spa-Bereich gemacht, denn sie war nach dem Frühstück nicht mehr zu sehen. 

Am Abend saß sie wieder mit uns am Tisch. Ich musste entgegen meiner Eifersucht zugeben, dass sie sehr sympathisch war. Sie machte Witze und redeten offen mit uns. Eigentlich war sie der extrovertierte Gegenpol zu Ethan. 

Der sah mich den ganzen Abend über nicht an. Clara versuchte, mich in ein Gespräch zu binden und ich war ihr dankbar für die Ablenkung. Adelyn beäugte mich misstrauisch. Eine seltsame, ungreifbare Spannung lag zwischen uns. 

"Ich freu mich schon voll auf morgen", sagte Clara. Ich sah zu ihr und überlegte. "Morgen?" fragte ich, um den Grund zu erfahren. Sie verdrehte amüsiert die Augen. "Die Big Bus Tour?" erwiderte sie. "Ah ja, klar", Ich räusperte mich und zwang mich zu einem Kann's-Kaum-Abwarten-Lächeln. Tatsächlich geisterten mir andere Sorgen und Gedanken im Kopf herum. Alle betrafen Ethan und die Tatsache, dass dieser Mistkerl verlobt war. 

Ich hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, was ich nun machen sollte. Sollte ich es seiner Verlobten sagen? Oder ihm Druck machen? Ich versank in den Gedanken meiner Möglichkeiten. Eigentlich geht es mich nichts an. Ich kenne sie nicht, bin ihr also so gesehen nichts schuldig. Und mit ihm bin ich nicht mal befreundet. Er ist einfach ein Arsch. Das hätte mir schon viel eher auffallen sollen.

Da kam mir der Gedanke, dass Mike auch eine Ehefrau und ich somit das zweite Mal einen Vergebenen geküsst hatte. "Fuck!" platze es aus mir heraus. Der Tisch verstummte und auch Ethan sah das erste Mal zu mir. 

Ich spürte, wie meine Wangen zum Glühen anfingen. "Ähm..ich", stotterte ich und grinste verlegen in die Runde. "Sorry. Mir ist nur eingefallen, dass..." Ich suchte nach einer plausiblen Ausrede für mein Verhalten. "...dass ich einen wichtigen Anruf heute Abend noch erledigen muss. Ich geh schon mal rauf. Gute Nacht euch!" 

Ethan sah mich aus großen Augen fragend an, doch ich stand so schnell es ging auf und hastete aus dem Hotel-Restaurant. Ich brauchte einfach Ruhe und vor allem Abstand. Abstand von Ethan und seiner Fast-Ehefrau. 

Schnellen Schrittes lief ich die Treppen hinauf in mein Stockwerk. Gerade bog ich um die Ecke in den Flur, in dem auch mein Zimmer war, da hörte ich John meinen Namen rufen. "Avery, warte kurz!" Ich blieb stehen und japste nach Luft. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich die ganze Zeit den Atem angehalten hatte. John stellte sich schnaufend vor mir. "Du bist ja fast gerannt", stellte er fest und stemmte die Hände in seine Hüften.

Er musterte mich besorgt, doch ich konnte mich nur erschöpft gegen die Wand lehnen. Ich hatte genug von allem. "Was ist passiert?" fragte er. Ich winkte ab. "Nein, Ave, ernsthaft. Was ist passiert?" fragte er wieder, diesmal fordernder. 

"Ich will nicht darüber reden", sagte ich patzig und sah an die Decke, um seinen Blick auszuweichen. "Hat es mit Mr. Parker zu tun?" hakte er nach. Mr. Parker, der Name kam mir fast fremd vor, seit ich ihn Ethan nannte. Doch irgendwie passte die Formalität, denn ich war ihm distanzierter als je zuvor. 

Ich antwortete nicht, sondern sah John nur müde an. Er nahm das als Zustimmung. "Was hat er gemacht?" fragte er. In seiner Stimme schwank plötzlich Zorn mit. Ich atmete erschöpft aus. "Nichts", gab ich zurück. 

"John", rief plötzlich Clara. Sie kam zu uns und auch sie sah besorgt zu mir. "Löcher sie doch nicht mit Fragen", sagte sie sanft. Er schnaubte. "Wenn Parker glaubt, er kann sich alles rausnehmen nur weil er Chef ist, dann.." Er ballte die Hand zur Faust. 

Ich musste lachen. Irgendwie war seine Besorgnis süß. Irritiert sah er mich an. "Avery, ich mache mir nur Sorgen!" gestand er. Ich lächelte. "Danke."

Ich verabschiedete mich trotzdem ins Bett und war froh, als ich im stillen Zimmer war. Mein Kopf war laut, doch ich konnte erstaunlich schnell einschlafen. 

Am nächste Morgen mied ich das Schwimmbad. Ich war mir sicher, dass Ethan und seine Verlobte dort am Planschen waren. Sollen sie nur machen. Ich war froh, dass Clara sich mit mir wieder abseits zum Frühstück setzte. Ethan war nicht zu sehen. 

Erst beim Meeting mit unserem letzten Sponsor für diese Woche, sah ich ihn. Er sah wieder so erschöpft aus wie am Flughafen vor unserer Reise. Schadenfreude kam in mir auf und ich widmete mich ganz den Berichten meiner Kollegen.

Die Zeit verging schleppend, aber dafür war ich umso froher als der Nachmittag in den frühen Abend überging und Clara und ich auf dem Weg in die Innenstadt waren. Ich freute mich tatsächlich sehr über die City Tour und die Aussicht auf andere Gedanken zu kommen. 

Wir hatten uns auch mit John am Abend in einer Bar verabredet, um auf den letzten Tag anzustoßen. Die Tour war wunderschön. Wir erfuhren eine Menge über Chicago und machten von uns gegenseitig ein paar Erinnerungsfotos. 

Inzwischen war es dunkel und die Stadt war voller Leben und leuchtete in allen Farben. Wir sprangen aus dem Bus und liefen zur Bar, die wir noch am Mittag auf Google gefunden hatten. Ich hakte mich bei Clara ein und war froh um ihre Gesellschaft. 

Abgesehen von der Sache mit Parker war die Reise ein voller Erfolg. Sowohl geschäftlich als auch freundschaftlich. John wartete bereits vor der Bar und wir gingen hinein.

Sie war rustikal, aber schick. Eine Mischung aus dunklem Holz und edlen Goldtönen. Lampen hingen tief von der Decke und tauchten den Raum in gedämpftes Licht. Wir setzen und an einen Tisch in der Mitte und wurden sofort bedient. Ich entschied mich für einen Mojito und Pommes, damit konnte man nichts verkehrt machen. 

"Wie war die Tour?" fragte John uns, nachdem der Kellner unsere Karten abgenommen hatte und in die Küche marschierte. "Super! Wir haben in der kurzen Zeit echt einiges gesehen!" strahlte Clara und fischte in der Tasche nach ihrem Handy, um ihm ein paar Bilder zu zeigen.

Wir redeten noch eine Weile über Chicago und die Geschäftsreise an sich. Wir waren uns einig, dass wir uns nach dem Trip auf jeden Fall öfter treffen müssten. Wir waren uns in der großen Firma tatsächlich noch nie über den Weg gelaufen. Der Kellner brachte unser Essen und die Cocktails. Wir stießen an und nach der ersten Runde, bestellten wir schon gleich die zweite und dritte. 

Ich spürte den Alkohol schon wieder schneller als mir lieb war, was aber nach drei Mojitos, die hier eher stark gemischt wurden, nicht verwunderlich war. Ich lachte deutlich länger über deutlich schlechtere Witze. Die Stimmung war ausgelassen, bis das Thema mit Ethan aufkam. 

"Ihr hättet sein Gesicht sehen müssen", lachte John als der Kellner unsere vierte Runde brachte. "Welches?" fragte Clara, die auch merklich angeheitert neben mir saß. "Parkers! Er hat geschaut als hätten wir ihn verraten als ich meinte, dass wir heute beim Abendessen nicht anwesend sein werden. Ich meinte noch, er solle sich mit seiner Verlobten einen schönen Abend machen, aber da hat er nur geschnaubt!" 

Clara lachte und John sah zu mir. "Ist inzwischen wieder alles klar?" fragte er. Ich nickte leicht und zuckte die Schultern. "Okay, also das nehme ich jetzt mal als ein Nein", stellte er amüsiert fest. Ich grinste. Mein Kopf war dank Alkohol zu klaren Gedanken nicht mehr so fähig, wie ich es gern hätte. Alles erschien mir auf einmal so leicht und schwer zugleich. Ich fasste einen Entschluss.

Ich stand auf. Der plötzliche Wechsel vom Sitzen zum Stehen ließ mich kurz schwanken. "Wohin?" fragte Clara und griff an meine Jacke. "Ich muss kurz aufs Klo", log ich und marschierte fest entschlossen davon. Die Toiletten waren direkt beim Ausgang, dadurch konnte ich ungesehen an die frische Luft. 

Ich stieß die Glastür auf und atmete die schwere Stadtluft ein. Dann nahm ich mein Handy. Meine etwas unklare Sicht verriet mir, dass ich doch etwas mehr getrunken hatte, als ich vermutet hatte. Ich scrollte durch meine Anrufliste zu Ethans Nummer. 

Ich werde ihn jetzt anrufen und die Meinung sagen. Er kann vergessen, dass ich mir sein Verhalten einfach so gefallen lasse!

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