31. Kapitel

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Ich kämmte mein Haar, band es zusammen und zog mich an. Ich hatte kein Interesse daran, mich für ihn hübsch zu machen. Es gab sowieso keinen Grund dafür. Ich packte eine Tasche mit meinen nötigsten Sachen. Dann nahm ich einen Zettel vom Tresen und schrieb Cat eine Nachricht. "Liebste Cat, ich bin bald wieder da. Danke für alles. Ave"

Unzufrieden starrte ich auf meine hässliche Schrift. Ich war so unruhig, dass ich zitterte, was sich beim Schreiben deutlich bemerkbar machte. Die Klingel riss mich aus meinen Gedanken. Ich packte meine Tasche und hängte sie mir über die Schulter. Mit einem Blick zurück auf unsere stille Wohnung wurde mir schwer ums Herz. Tatsächlich wusste ich nicht, was mich erwarten würde. 

Parker lehnte mit den Händen in den Hosentaschen am Auto. Er trug eine Sonnenbrille und sah in den Himmel. Als ich auf ihn zulief, änderte sich sofort seine Körpersprache. Er spannte sich an, richtete sich auf und nahm die Brille ab. Mit einer Geste hielt er die Beifahrertür offen. Ich stieg ein und war froh darum, dass er keine höfliche Begrüßung erzwang. 

Still saß ich neben ihm, während er die Straße entlang fuhr. Er war ruhig und aufmerksam. Ich spürte, wie er mich aus den Augenwinkeln beobachtete. 

Nach einer Weile kam das Auto zum Stehen. Ich hob meinen Blick, der die ganze Fahrt über auf meine Füße gerichtet war. Parker stieg aus und nach ein paar Sekunden öffnete er meine Tür. "Wir sind da", sagte er vorsichtig, als fürchtete er mich aus wichtigen Gedanken zu reißen. 

Ich sah ihn an. Aufrichtige Besorgnis lag in seinem Blick. Mein Bauch fühlte sich warm an und ich bereute es sofort zugesagt zu haben. Ich würde ihn vermutlich nie aus meinem Kopf streichen können. Er wird immer mehr als nur mein Chef sein.

Als ich ausstieg bemerkte ich erst wo wir waren. Ein Café etwas außerhalb der Innenstadt am Strand. Alles war ruhig, die Morgensonne warf den Schatten der Palmen lang auf den Gehweg. Etwas skeptisch sah ich zu Ethan. 

"Hier willst du reden?" fragte ich. Er nickte und lächelte sanft. "Wenn es für dich in Ordnung ist?" fragte er. Ich zuckte die Schultern. "Klar, wieso nicht."

Wir liefen in das Café. Es war überraschend schön und in hellen Tönen gehalten. Ethan führte mich an den Plätzen vorbei zu einer Terrasse auf der Rückseite. Wir setzten uns auf ein großes Outdoor-Sofa an einen Tisch mit Blick auf das Meer.

Die Wellen folgten ihrem gleichbleibendem Rhythmus. Das Wasser zog sich zurück, bäumte sich auf, rollte auf uns zu und brach am Stand. Ich könnte dem ewig so zusehen. Das Geräusch beruhigte mich etwas. 

Ethan setzte sich neben mich und eine Weile sahen wir beide auf das Meer. "Beruhigend", kommentierte ich schließlich die Szene. Er nickte und räusperte sich. Ich hatte das Gespräch eröffnet und bereute es schon gleich darauf. 

"Es tut mir leid was im Hotel passiert ist", sagte er. Ich lachte auf, was sich aber eher nach einem Schnauben anhörte. "Der Kuss oder die Tatsache, dass du verlobt bist?" fragte ich. 

"Die Tatsache, dass du es so erfahren musstest", erwiderte er. "Adelyn und ich wollten schon lange die Verlobung auflösen. Wir haben uns außerdem sehr gestritten bevor ich zur Geschäftsreise los bin." 

Jetzt wusste ich, weshalb Ethan am Tag der Anreise so erschöpft aussah. Er und seine Verlobte mussten einen heftigen Streit gehabt haben. Ich sah zu ihm. Sein Blick mied meinen. Er sah unsicher aus.

"Warum?" fragte ich. "Entweder du bist ehrlich und erzählst mir was wirklich gewesen ist oder alles, was du sagst klingt nach einer billigen Ausrede."

Ich wunderte mich kurz über mich selbst. Normalerweise war ich eher zurückhaltend was Ethan anging, aber ich wollte nicht mehr. Ich konnte nicht mehr. Dieses hin und her machte mich wahnsinnig. 

Parker holte tief Luft ehe er begann: "Ich habe dir ja schon mal erzählt, dass mein Vater mich groß gezogen hat. Ich hab ihm vieles zu verdanken. Nicht nur die Firma, sondern auch und vor allem den Weg dorthin. Meine Mutter ist abgestürzt nach der Trennung, sie hat viel getrunken und hatte keinen Job länger als ein paar Monate. Mein Vater beantragte schnell das Sorgerecht und kam damit durch. Als er mich groß zog, wusste ich, dass ich ihm etwas schulden würde. Er sprach nie darüber, aber ich spürte es. Eines Tages, ich muss ungefähr 19 gewesen sein, kam er zu mir und sagte, die wichtigste Entscheidung in meinem Leben sei der Partner, den man sich an seine Seite holte. Ich verstand nicht so recht, aber er meinte 'Junge, die Firma kann zugrunde gehen, wenn du die falsche Frau hast. Wegen Trennungskriegen sind oft schon Unternehmen gescheitert.' Ich fand das überzogen, aber da war mir klar: mein Vater würde immer das letzte Wort bei meiner Partnerwahl haben wollen, sonst könnte er mir nie mit gutem Gewissen die Firma übergeben. Ich vermute das liegt daran, dass unser Geschäft tatsächlich bei der Scheidung meiner Eltern fast zugrunde gegangen wäre. Ich war damals zu jung, aber mein Vater hat das nie vergessen können. Eines Abends, nachdem er bei einem Abendessen mit wichtigen Leuten war, kam er heim und hatte Adelyn dabei. Sie ist die Tochter von Mr. Spencer." 

Meine Augen weiteten sich. Mir wurde schlagartig klar, worauf das hinausführen würde. Mr. Spencer war unser wichtigster Investor und Dank der langjährigen Zusammenarbeit hatten wir auch die meisten Kunden durch ihn erworben. Ethan nickte nur, als wäre er meinen Gedanken gefolgt.

"Er stellte uns vor. Sie gefiel mir sehr." Ich spürte einen Stich im Herzen, aber zwang mich dazu nach außen nicht auf seine Worte zu reagieren. Ich hatte ehrliches Interesse daran, seine Geschichte zu hören.

"Wir sahen uns immer häufiger, vor allem bei den Essen mit den Investoren zu denen ich mit Mitte 20 schließlich auch eingeladen wurde. Zwischen uns lief nie wirklich was. Ich war zu beschäftigt mit der Uni und dem Abschluss und sie eigentlich auch. Wir verstanden uns einfach nur gut. Eines Abends kam wieder mein Vater zu mir. Er meinte, Adelyn würde vor der Tür stehen und nach mir fragen. Ich stand auf, um zu ihr zu gehen, doch er hielt mich am Arm. 'Sie ist es' hat er gesagt. Ich musste nicht nachfragen, was er meinte. Mir war klar, dass er sie an meiner Seite sehen wollte. Ein paar Wochen später kamen wir zusammen. Die Tatsache, dass ich als Parker mit einer Spencer zusammen war, schien der Zusammenarbeit gut zu tun. Mittlerweile feiern wir Weihnachten zusammen und die Firmen sind durch ein neues Band miteinander verknüpft."

Er seufzte. "Ein Band, das ich leider zu schnell angelegt hatte und nicht einfach zerreißen kann. Zwischen Adelyn und mir läuft es lange schon nicht mehr sonderlich gut. Es gab ein paar Vorfälle."

Ich versuchte, seine Worte zu behalten. Viel Information, aber im Grunde hieß das eins: Ethans Vater würde nie eine andere Frau akzeptieren als Adelyn Spencer. Allein schon wegen des Geschäfts.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ich das nach der ganzen Sache zu dir sagen würde, aber: Das tut mir leid", sagte ich. Er sah mich an. Seine grauen Augen schimmerten in der Nähe der Meeres schon fast blau und ich musste mich zusammen reißen, ihm nicht um den Hals zu fallen, meinen Kopf in seinen Nacken sinken und die Welt um uns herum verstummen zu lassen.

Seltsamerweise verstand ich ihn komplett. Die Situation war viel zu kompliziert und eine Trennung würde alles riskieren, was sein Vater aufgebaut hatte. 

"Danke für deine Offenheit."

Er nickte. "Magst du mir jetzt erzählen, warum du dir frei nimmst? Du kannst dir deinen Urlaub natürlich so nehmen, wie du magst, aber ich hab das Gefühl, da ist mehr dahinter."

Ich nickte und sammelte meine Gedanken, um ihm von einem Kapitel in meinem Leben zu erzählen, dass ich bewusst geschlossen hielt.

My BabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt