Die Woche verging ohne weitere Zwischenfälle. Mike hatte mir eine Praliné-Box aus Herzen geschickt. Ich fand es so kitschig, dass ich mich fast übergeben hätte, dennoch teilten Cat und ich sie uns beim Filmschauen.
Ich hatte Mike bereits zweimal getextet, dass er bitte keine weiteren Versuche unternehmen sollte. Er antwortete mir mit einem schnulzigen Zitat von Oscar Wild. Ich blockierte seine Nummer. Das Ganze kam mir schon fast wie Belästigung vor. Dank Cat fand ich die Situation aber eher amüsant.
Als ich am Freitagnachmittag meine Bürotür hinter mir schloss, fiel mir auf wie schnell die Woche vergangen war. Ethan und ich waren uns seit der gemeinsamen Mittagspause nur einmal über den Weg gelaufen. Wir hatten uns förmlich begrüßt und es schien mir, als wären wir nie Essen gewesen.
Mit einem schweren Ordner bewaffnet, lief ich Richtung Aufzug. Ich musste die Unterlagen heute schon mitnehmen, denn Sonntag Mittag war es soweit. Ich würde mit Ethan Parker auf Geschäftsreise fahren. Ich straffte die Schultern, als könnte mir die Haltung die Aufregung nehmen.
"Avery!" erklang eine Stimme hinter mir. Ich spürte wie Hitze in meine Wangen schoss. Langsam drehte ich mich um. "Ethan", erwiderte ich seinen Namen. Er lächelte zufrieden. "Na schon gepackt?" fragte er und deutete mit einer Hand auf den großen Ordner, der unter meinem Arm klemmte.
"Ja ist schon fast alles vorbereitet", gestand ich. Ich hatte mir den Kopf bereits vor zwei Wochen schon darüber zerbrochen, was ich alles mitnehmen musste. Ich sah, dass er seine Aktentasche in der anderen Hand hielt. Er lehnte sich an mir vorbei und drückte den Knopf zum Aufzug. Seine Wärme gemischt mit einem männlichen Duft aus Holz, Leder und Minze kam mir entgegen. Ich konnte es nicht genau zuordnen, doch er roch unwiderstehlich.
Avery Brown, zügle deine Gedanken, mahnte ich mich.
"Bist du auf dem Heimweg?" fragte er und unterbrach das Schwirren in meinem Kopf. "Äh..ja", sagte ich. "Gut!" Er grinste. "Dann nehm ich dich mit."
Ich stimmte zu. Generell lehnte ich eine Mitfahrgelegenheit nur selten ab. Natürlich nur von Menschen, die ich gut kannte. So viel hatte ich aus meiner Erziehung noch mitgenommen.
Wir unterhielten uns auf dem Weg zum Auto noch über die vergangene Arbeitswoche. Tatsächlich war es relativ ruhig gelaufen. Der große Investor stand uns noch bevor. Wir mussten ihn auf der Geschäftsreise persönlich von unserem Konzept überzeugen.
Ethan hielt vor einem schwarzen Mercedes. Es war kein protziges Auto, dennoch war mir klar, dass es einen Haufen gekostet haben musste. Die Innenausstattung war aus hellem Leder. Es roch mindestens genauso gut wie sein Besitzer.
"Schick", bemerkte ich, als ich mich anschnallte. "Ja, das fand ich auch", gab er zu und grinste zufrieden. Mit einem lauten Aufheulen des Motors, startete er den Wagen. Er brummte unter uns und bewegte sich gehorsam auf die Ausfahrt zu.
Ethan legte eine Hand an das Lenkrad, die andere verweilte locker auf seinem Oberschenkel. Ich wusste nicht wieso, aber die lässige Art zu fahren gefiel mir.
Wir fuhren aus der Tiefgarage in die untergehende Sonne. Sie tauchte uns in goldenes Licht und ich schloss für einen Moment die Augen, um die Wärme auf mich wirken zu lassen.
"Es gibt kaum was Schöneres als einen Sonnenuntergang", bemerkte Ethan neben mir. Ich öffnete ertappt die Augen. "Ja", antwortete ich. Er musste bestimmt denken, ich sei schrecklich langweilig. Bei ihm konnte ich nur mit Ja oder Mhm reagieren.
"Freust du dich auf die Reise?" fragte ich also in der Hoffnung, ich könnte damit eine vernünftige Unterhaltung pflegen. Doch die Frage kam mir im nächsten Moment so dumm vor, dass ich meine Finger in der Tasche verkrampfte, die auf meinem Schoß lag.
Er lächelte und schien kurz zu überlegen. So oder so würde seine Antwort positiv ausfallen. Er war mein Chef, käme ja ziemlich blöd, wenn er mit 'Scheiß Arbeit' reagieren würde. "Am Anfang war ich etwas skeptisch", begann er. Überrascht hoben sich meine Augenbrauen. "Doch dann war mir klar, dass die Reise eigentlich eine gute Gelegenheit ist, mich auch nach Außen vor anderen Firmen als neuer Chef vorzustellen."
Ich nickte verständnisvoll. "Und natürlich", er warf mir einen kurzen Seitenblick zu. "Ist es auch eine gute Gelegenheit, meine Belegschaft besser kennen zu lernen." Ich lächelte und spürte wie mein Magen sich ein bisschen wärmer anfühlte. Es waren gemischte Gefühle. Auf der einen Seite freute ich mich auch darauf, ihn näher kennen zu lernen. Auf der anderen Seite war genau das meine Vermutung. Die Mittagspause hatte nicht mehr zu bedeuten, als mehr über seine Angestellten zu erfahren.
Als ich nichts mehr sagte und er an einer roten Ampel halten musste, sah er zu mir. "Ich fand unser Essen am Montag sehr schön." Ich lächelte und sah zu ihm. Seine Augen hatten wieder das Funkeln. "Ich auch", sagte ich leise. Es klang schon fast wie ein Flüstern, doch zu mehr war ich nicht in der Lage. Dieser Mann brachte mich aus dem Konzept. Er war so wunderschön und lieb und irgendwie auch geheimnisvoll.
Er legte wieder den Gang ein, als die Ampel auf Grün schaltete. Mein Blick blieb an seiner Hand hängen. Sie war groß und mit Adern durchzogen. Automatisch wanderten meine Gedanken weiter. Was er wohl mit seinen Händen anstellen konnte? Ich biss mir auf die Unterlippe. In meinem Kopf griff er mich mit seinen Händen an die Hüfte und hob mich hoch. Er ließ mich auf einen Tisch vor uns sinken. Ich spreizte meine Beine und seine Finger...
"Avery?"
Ich schreckte auf. Fuck. Ertappte heftete ich den Blick wieder nach vorn und studierte das Kennzeichen des Autos vor uns. Meine Backen mussten dunkelrot sein. Ich schämte mich. Ich redete mir gut zu, dass er keine Gedanken lesen konnte und ich somit sicher war.
Vorsichtig wagte ich einen Blick zur Seite auf Ethan. Amüsiert hatte er seine Augen nach vorn gerichtet. "Gut zu wissen, dass dich meine Hände faszinieren", sagte er dann.
Am liebsten hätte ich mir den großen Aktenordner vors Gesicht gehalten und wäre ausgestiegen. Mir fiel keine Antwort dazu ein. Fieberhaft suchte ich nach einer plausiblen Erklärung für mein Starren. "Sorry", sagte ich dann schließlich. "Manchmal da.." Ich räusperte mich und sah in den Seitenspiegel, in dem mir die Sonne entgegen schien. "..da habe ich ein Starrblick und kann mich nicht lösen."
Er nickte. "Kenn ich", sagte er nur, doch der Unterton in seiner Stimme deutete auf etwas anderes hin. Ehe ich mit noch einer Erklärung ankommen konnte, brachte er den Wagen zum Stehen. "Hier wären wir."
Ich sah auf. Tatsächlich stand er vor dem richtigen Gebäude. Erst jetzt fiel mir auf, dass er nach keiner Adresse gefragt hatte. "Ich hab dich hier schon mal abgesetzt", erklärte er schnell. Ich überlegte. "Als du bei mir übernachtet hast", fügte er hinzu und half mir auf die Sprünge.
"Ah, ja. Das..", erwiderte ich. Wie sehr konnte man sich nur vor seinem Boss blamieren? Wäre ich nicht an meiner Stelle fände ich das ganze recht witzig. Doch so ist es einfach nur peinlich. Ich griff nach meiner Tasche und dem Ordner. "Danke fürs Fahren. Bis Sonntag!"
Ich stieg aus und schloss die Beifahrertür vorsichtig. Für Schäden an diesem Wagen wollte ich nicht Schuld sein. In dem Moment fuhr er das Fenster herunter und beugte sich zur Seite, sodass wir wieder Blickkontakt hatten. "Ich freu mich auf dich, Avery", sagte er. Ich lächelte, unfähig das zu erwidern. Noch mehr blamieren wollte ich mich nicht, also hielt ich lieber den Mund.
Gerade als ich mich wieder umdrehte und er das Auto auf die Straße gelenkt hatte, rief er: "Oh und Avery. Vergiss nicht was zum Schwimmen mitzunehmen. Es gibt einen Pool."
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My Babe
ChickLitAvery Brown lebt ein unscheinbares Leben. Mit 21 Jahren hat sie zwar einen guten Job, eine tolle Wohnung mit ihrer besten Freundin und genug Geld, um das Leben zu genießen, doch ein entscheidender Punkt fehlt ihr: die Liebe. Dass sich ihr beschaulic...