*Kapitel 3

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Bailey

Schon wieder ein Engländer? Oh, man... Das konnte ja etwas werden. Ich musste zu geben, ich mochte ihren Akzent, der hatte etwas reizendes und Charm, aber was letztes Jahr abging, war echt viel zu krank und ich wollte es einfach nur vergessen und nie wieder erleben. Zu früh gefreut. Niemand kannte Terry, als alle Mädchen sich schon direkt verknallt haben in diesen Typen, sobald sie ihn - Terry, der heute nichts an Bedeutung mehr hat - durch die Tür maschiert sehen haben. Sogar Sam und Julia, die eigentlich auch nicht jedem Typen nachrennen, sind fast vom Stuhl gefallen, aber bei so etwas geht es wohl mit ihnen durch.

Ich würde sie nie verstehen und auch keines der anderen Mädchen könnte ich annähernd verstehen, die sich innerhalb von einer Sekunde verlieben.
Es lief einfach: er kam rein, sagte mit seinem schönen britischen Akzent seinen Namen und alle fielen direkt um. Mittlerweile beachtete ihn keiner, das war total armselig. Wahrscheinlich schämen sich heute noch alle, wie sie abgingen, weil er sich als verdammter kleiner Nerd entpuppte und die größte Petze aller Zeiten war. Einfach kindisch in so einem Alter.

Und was ist jetzt? Jetzt waren schon wieder alle am Schwärmen wegen einem neuen Typen, obwohl sie ihn noch nichtmal gesehen haben! Was wäre, wenn er fett und hässlich wäre? Naja, eine lustige Vorstellung, wie sie Augen machen würden und vielleicht würde jeder die witzigste Fratze ziehen und in Verlegenheit ertränken. Das wäre nur zu schön.

Als alle anderen den Worten von Mr. Pudelkopfs Lippen hingen, riskierte ich einen Blick zu Alex, der ja sehr unbegeistert ausschaute. Wahrscheinlich hatte kein Junge aus dieser Klasse wieder Lust auf das gleiche Affentheater.

Dachte Alex eigentlich etwa das Gleiche oder wieso wurde er so unruhig und wackelte auf dem Stuhl wie Tarzan herum? Ich konnte es gut verstehen, dass die Jungen nicht begeistert waren, klar. Wie wäre es denn, wenn plötzlich so ein aufgetackeltes Mädchen ankommt und alle Jungen ihr Herz verlieren? Trotzdem war Alex' Verhalten so ungewohnt angespannt und nicht dass er nicht immer so wäre, aber jetzt ist noch eine Extraportion darauf.

Auch den restlichen Tag machten wir heute keinen richtigen Unterricht, es ging hauptsächlich um Organisation, um die Stundenpläne, Kurse, Aufgaben und blablabla... Die Mädchen waren sowieso alle nicht dabei. Es hätte sich sowieso keiner konzentrieren können. Alle waren schon bei dem Gedanken an den neuen Schüler. Mit Alex sprach ich weiterhin nicht, was sollte es auch zu bereden geben? Er würde direkt eine Möglichkeit suchen mich zu beleidigen und mir gar nicht erst zuhören, ich meine, mit einer Wand lohnt es sich eh nicht zu reden. Deshalb schwiegen wir beiden vor uns hin.

Mich wunderte es überhaupt, dass er noch nichts sagte, er war doch sonst der große Macho und Mann der vielen Worte. Aber ich hatte nichts dagegen, so weniger Kontakt wir hatten, desto besser für mich, für ihn, für meine Nerven, für seine Nerven. Und so gingen auch schon die Stunden ohne ein Wort zu reden zu Ende.

,,Ich kann's nicht glauben. Wir bekommen einen Neuen in die Klasse!", schrie Julia völlig außer sich rum auf dem nach Hauseweg und Sam stieg gleich mit ein. Muss das wirklich sein?. ,,Ob er braune Augen hat?" ,,Und ein süßes Lächeln! Vielleicht will er mit mir ausgehen? Aber was soll ich bloß sagen?" ,,Wehe Delayn macht sich an ihn heran, dann reiße ich der Schnäpfin den Kopf ab!" Etwa zehn Minuten ging es so weiter. Hin und her, hin und her, wie sieht er aus, wen nimmt er sich und so weiter, ich hatte es echt satt, dass das jetzt Tage so weiter geht.

Ich schwieg weiter, wie bisher den ganzen Morgen, bis es komplett unerträglich wurde, und ich versuchte nicht komplett auszuticken: ,,Beruhigt euch doch mal, Leute. Hört euch doch mal an! Am nächsten Tag steht er doch eh als Außenseiter da und kein Schwein kümmert sich um ihn." Bevor sie protestieren konnten, rief jemand plötzlich meinen Namen von hinten und wir blieben abrupt stehen. Endlich! Ich schaute mich um und das Thema neuer Schüler war endlich erstmal abgeschlossen. Naja, leider nur erstmal.

Sven kam auf mich zugelaufen und rief: ,,Bailey! Bleib stehen. FIFA-Duell um fünf bei Ben?" Ich nickte, stimmt, das hätte ich fast vergessen, wir hatten ja noch von Samstag eine Rechnung offen. Es ist schwer zu erklären, aber in den Ferien war das Zocken unser Ritual und die Jungen können einfach nicht ausstehen zu verlieren.

,,Wollten wir nicht skaten gehen?", mischte sich Alex ein, der gerade von hinten mit Ben dazukam. Der hatte mir gerade noch gefehlt. ,,Oh, sorry, aber wir hatten das schon seit Wochen ausgemacht. Morgen, Bro. Komm doch mit, dann könnt ihr euch weiter anschwätzen.", Ben und Sven hatten ein dreckiges Grinsen aufgesetzt. Die wussten genau, wie sehr wir uns hassten. Mussten die ihn wirklich einladen?! Innerlich verdrehe ich die Augen und hoffe nur, dass Alex nicht mitkommen würde, wenn ich da sein würde, würde ihn das doch abschrecken, oder? Als ob er auch kommen würde, oder? Nein, ganz bestimmt nicht, der hielt doch nicht mal ein Tag mit mir aus.

Und die Hoffnung stieg, als ich ihbur anschaute. Alex hatte so einen Blick, den ich noch nie gesehen hatte. Eine Mischung aus Verzweiflung, Schock, Verwunderung und noch irgendetwas Weichem ist in seiner Mimik zu sehen, nur was? Er sah seltsam drein und meinte nüchtern: ,,Hast mir ja nie erzählt, dass ihr in den Ferien zocken wart." ,,Sie hatte mit einem gebrochenem Bein nichts zutun gehabt, also warum nicht?"

Auch Ben meldete sich leicht herausfordernd: ,,Du hast uns auch nichts von deiner Zeit als Babysitter erzählt oder wo du warst!" Alex schien etwas erstarrt und wütend, während wir ihm den Rücken zudrehen und uns alle etwas lustig machen. Ich wünschte ich hätte eine Kamera und könnte den Moment festhalten. Also hatte Alex den Jungen wohl nichts von seinem Babyssitterservice erzählt, wie schade, dass ich es nur irgendwie mitkommen habe für ihn und es jetzt auch seine Kumpels wissen.

Alex murmelte nur etwas Unverständliches und wir gingen zu sechst weiter. Immerhin hielt er den Rand und ließ mich in Ruhe. Zufall, dass alle irgendwie im gleichen Viertel wohnen, aber ganz es ist ganz praktisch. Auf dem Weg unterhielten wir uns über die neue Skaterbahn, die ich aufgrund meines bescheurten Gipses nicht ausprobieren durfte. Das müsste ich unbedingt mal nachholen. Alle waren Skateverrückt, es war eines unserer gemeinsamen Hobbys. Wir redeten weiter, bis nur noch Alex und ich als letzte überblieben. Und wir beide sprachen kein einziges Wort miteinander. Ich hatte mir nämlich nicht vorgenommen den Tag noch zu ruinieren.

Es war seltsam, da Alex nie so ruhig war. Wo war sein Macho? Normalerweise warf er mir jetzt Sprüche entgegen, suchte etwas, womit er mich beleidigen konnte oder sonst was, wenn wir diesen Teil nach Hause gingen. Aber dieses Mal schwieg er und hatte noch diesen komischen Blick aufgesetzt von vorhin. Alex Junge, was ist los mit dir? Wo ist dein Ego von heute morgen oder den letzten Tagen? Innerlich verkneife ich mir ein Grinsen und genießte diese Ruhe. Wer würde diesen Jungen je verstehen?! Heute noch aufgedreht und jetzt bloß eine Maus.


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