Danke, Simon Cowell... Oder auch nicht.

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Die nächsten Tage vergehen schleppend. Immer wenn Simon - oder seine Assistentin - mich anruft, gehe ich nicht ran und ignoriere das Klingeln. Irgendwann bin ich so genervt, dass ich es einfach auf stumm schalte, um bloß nicht mitzubekommen, dass es ständig in meiner hinteren Hosentasche bimmelt. Statt mir weiter Gedanken um Simon Cowell zu machen, gehe ich meinen alltäglichen Dingen nach, wie im Café arbeiten und Geld verdienen, das niemals reichen wird, um nach Oxford zu gehen. Mein Traum ist zerplatzt wie eine Seifenblase in dem Moment, als die Jungs mir deutlich gemacht haben, dass sie nicht wieder zusammen spielen werden. Nie wieder. Grace ist mindestens genauso bedrückt wie ich, wenn nicht sogar noch bedrückter. Seufzend sehe ich zu, wie sie mit dem Lappen traurig über einen Tisch wischt und leise einen alten One Direction Song summt. "Das macht sie schon den ganzen Tag so.", verrät Jamie mir und stellt sein Tablett mit den leeren Tassen neben mir auf dem Tresen ab. "Erst fand ich es noch ganz witzig, aber so langsam macht sie mir Angst." Wie ferngesteuert ringt Grace den feuchten Lappen über dem Eimer aus, ehe sie weiter macht. In der Tat ist das ziemlich gruselig.
"Es ist ihre Art, das alles zu verarbeiten.", erwidere ich, auch wenn ich nicht weiß, ob ich damit mich selbst oder Jamie beruhigen will. Als die Eingangstür sich öffnet, hebe ich den Kopf und entdecke Louis in einem dunklen Hoddie auf mich zukommen. Seine Hände sind in der Bauchtasche vergraben. Vermutlich da es draußen recht frisch ist. Immerhin ist es in den letzten Tagen deutlich kälter geworden. Louis' Haare sind verwuschelt, wie immer eigentlich. Auf seinem Gesicht zeichnet sich deutlich Besorgnis ab, als er vor mir stehen bleibt und mich ansieht. "Hey, alles klar?", fragt er und stützt sich mit den Ellbogen auf dem Tresen ab.
"Ja, sicher.", antwortete ich. Aber in Wahrheit geht es mir nicht gut und ich muss mich bemühen, Simon nicht in den Arsch zu treten. Das behalte ich allerdings für mich. Louis ist nicht überzeugt, belässt es jedoch dabei ohne weiter nachzubohren.
"Du solltest lieber die da fragen, ob es der gut geht." Jamie deutet auf Grace, die mittlerweile auf einem Stuhl sitzt und ihr Gesicht auf dem Tisch liegen hat. Ihre Arme hängen wie Spaghetti an beiden Seiten ihres Körpers runter. Genau so muss ein Mental Breakdown aussehen. "Verdammt, was ist denn mit ihr passiert?", fragt Louis und zieht eine Augenbraue nach oben.
"Ihr seid passiert.", gebe ich schaubend von mir. "Sie hat einen Anfall von EOODS."
Fragend runzelt Louis die Stirn.
"End-Of-One-Direction-Syndrom.", kläre ich ihn auf, was Louis nur die Augen verdrehen lässt. "Es hat sie echt schlimm erwischt. Wenn jetzt Chris Wood noch verkündet, dass seine Karriere als Schauspieler vorbei ist, kann ich sie in eine Psychatrie einweisen lassen."

"Denkst du nicht, du übertreibst ein wenig?"

"Ich übertreibe immer, aber das spielt keine Rolle. Sieh sie dir an. Sie ist ein Wrack."

"Und es ist unsere Schuld." Seufzend lässt Louis sich auf den Hocker plumpsen und spielt mit dem Glas Zucker vor ihm, in dem er ein wenig des Inhalts auf dem Tresen auskippt und Muster hineinmalt.

"Nein, es ist meine Schuld.", widerspreche ich ihm seufzend. "Hätte ich mich bloß einfach da rausgehalten. Dann würde sie immer noch denken, dass ihr irgendwann zurück kommt und fröhlich daher hüpfen statt traurig zu sein, weil sie die eiskalte Wahrheit erfahren hat."

"Echt ätzend." Louis hört auf mit dem Zucker zu spielen und blickt von seinen blauen Augen aus zu mir hoch. "Denkst du, wenn ich ihr ein Shirt von Liam gebe, geht es ihr besser?"

"Woher hast du ein Shirt von Liam?", frage ich verdattert und gehe in meinem Kopf alle möglichen Szenarien durch, in denen er irgendwie an ein Shirt von Liam kommen konnte.

"Hat er vor Jahren mal bei mir vergessen. Liegt irgendwo bei mir zu Hause."

"Na dann findest du es ja nie wieder.", entgegne ich ihm, während ich an das Chaos in seinem Haus denken muss. Für meine Antwort bekomme ich einen entnervten Blick.

"Vielen Dank auch.", murmelt er leise vor sich hin und flucht. Wenn er so weiter macht, kann ich Oxford vielleicht doch bezahlen. Ob die wohl auch Münzen in einem Marmeladenglas nehmen? Als das kleine Glöckchen der Tür klingelt, schnappe ich mir meinen Notizblock, um gleich die Bestellung eines Kunden aufzunehmen. Doch als mein Blick auf den Mann fällt, der eben reingekommen ist und sich nun an einen Tisch setzt, lasse ich den Block wieder fallen. Meine Hände ballen sich automatisch zu Fäusten. Simon Cowell. "Was will dieser Penner denn hier?", frage ich laut und sorge dafür, dass Louis und Jamie sich direkt umdrehen und Simon ansehen. Dass er sich überhaupt traut in das Café zu kommen. "Caitlyn, tu jetzt nichts Unüberlegtes.", kommt es von Jamie der beschwichtigend die Hände hebt und mir mit seinem einfühlsamen Blick zu verstehen geben will, dass ich mich zusammenreißen soll. Aber das kann ich nicht. In mir flammt augenblicklich eine solche Wut auf, dass ich nicht anders kann als auf diesen Schwachkopf zuzugehen. Hinter mir höre ich Jamie meinen Namen rufen, doch meine Beine bewegen sich weiter vorwärts. Mit verschränkten Armen bleibe ich vor dem Tisch stehen und starre wütend auf Simon. Dieser sieht gar nicht erst auf, sondern ist völlig vertieft in sein Telefon. Natürlich. Für wen hält die Flachzange sich eigentlich? Mit einem Räuspern mache ich auf mich aufmerksam und siehe da, Simon hebt den Kopf und blickt mich an. Ein Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht. "Caitlyn, wie schön, Sie zu sehen. Ich habe versucht, Sie zu erreichen. Alles in Ordnung? Sie sehen irgendwie aus, als ginge es Ihnen nicht gut."
No shit, Sherlock. Was hat mich verraten, mein wütender Gesichtsausdruck oder die abwehrende Haltung?
"Ich will, dass Sie verschwinden.", gebe ich knallhart von mir. Augenblick verschwindet sein Lächeln und ein paar Gäste drehen sich neugierig zu uns um.
"Wie bitte?" Irritiert zieht Simon die Augenbrauen zusammen.
"Ich will, dass Sie gehen. Auf der Stelle."
Mein Geduldsfaden wird immer kürzer, dennoch macht Simon keine Anstalten zu gehen.
"Könnten Sie mir vielleicht erklären, was los ist?"

"Ich weiß alles."

Dass die Farbe langsam aus seinem Gesicht weicht, bestätigt meinen Verdacht, dass er genau weiß, wovon ich spreche. Unglaublich. Die ganze Zeit über war ihm bewusst gewesen, was er den Jungs angetan hat.

"Caitlyn, lassen Sie es mich erklären.", beginnt er vorsichtig und zieht am Kragen seines grauen Pullovers.

"Was wollen Sie mir erklären, Simon?", frage ich sauer. "Warum Sie die Jungs wie Dreck behandelt haben? Wieso Sie sie ohne Grund bei jeder passenden Gelegenheit zusammengefaltet haben? Oder vielleicht, warum Sie angenommen haben, es wäre in Ordnung für PR einen Teenager als Womanizer darzustellen? Lassen Sie mich raten, es hat sich gut verkauft." Meine Wut wird immer größer und in diesem einen Augenblick bricht alles aus mir heraus."Mir ist es egal, welche Gründe Sie hatten das alles zu tun. Und ersparen Sie mir Ihr Gerede, dass Ihnen die Jungs so wichtig wären. Einen scheiß Dreck interessieren Sie die Jungs! Denn wenn sie Ihnen auch nur ein kleines bisschen etwas bedeutet hätten, dann wären Sie nicht so ein Arsch gewesen. Sie sollen ihre Freundschaft nicht kaputt machen? Ihnen ging es doch von Anfang an nur um das Geld."

"Caitlyn, das ist nicht wahr." ,versucht Simon sich zu erklären, doch ich unterbreche ihn mit einer Handbewegung.

"Stopp. Es ist nicht wahr? Bullshit. Sie haben mich benutzt, um weiter mit One Direction Geld zu machen. Aber nicht mit mir. Denn wissen Sie was?" Das Getuschel um uns herum verstummt und einige Gäste zücken ihre Handys, um das Geschehen aufzuzeichnen. "In den letzten Wochen habe ich die Jungs kennenlernen dürfen. Es war nicht immer einfach und manchmal haben sie mich wahnsinnig gemacht. Aber es sind unfassbar nette Menschen, vielleicht hat der ein oder andere ein paar schräge Angewohnheiten, aber es sind großartige Jungs. Und Sie haben sie kaputt gemacht. Es waren Sie, der die Band zerstört und ihnen die Freude an der Musik genommen hat. Nicht die Jungs." In meinen Augen sammeln sich langsam Tränen, die ich versuche so gut es geht zu unterdrücken. Ich werde nicht weinen. Nicht vor ihm. "Ich habe Videos gesehen. Interviews. Von der Lebensfreude, die ich dort gesehen habe, ist nichts mehr übrig. Sie haben nicht in ihre Augen gesehen, Simon. Aber ich schon. Und eins kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen, sie strahlen nicht so wie es mir immer von meiner besten Freundin erzählt wurde. In ihnen spiegelt sich Trauer, Wut und Enttäuschung wieder. Sie sagen, die Jungs sollen ihre Freundschaft nicht kaputt machen? Tja, das brauchen sie nicht. Denn Sie haben schon dafür gesorgt, dass sie kaputt gegangen ist. Also, vielen Dank, Simon Cowell. Dass Sie uns One Direction geschenkt und wieder weggenommen haben." Mein ganzer Körper zittert vor Aufregung. Aber ich fühle mich besser, jetzt wo die Worte ausgesprochen sind. Der Schock ist Simon förmlich ins Gesicht geschrieben. Aus seinem Mund kommt kein einziges Wort. Weil ich recht habe. Das weiß er. Ich mache auf dem Absatz kehrt, um zu gehen, bleibe jedoch nochmal stehen, um ihn ein letztes Mal anzusehen. "Sie hatten diese Jungs nicht verdient. Nicht eine Sekunde."

All Over Again (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt