Liebeskummer

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Mein Leben ist vorbei. Da war's dann. Seit unserem Streit beim Paintballspiel habe ich nicht mehr mit Louis gesprochen. Er hat auch nicht angerufen oder mir gesimst. Dabei ist es jetzt zwei Tage her. Zwischendurch ist Grace hergekommen, um nach mir zu sehen, aber auch sie konnte nichts dagegen tun, dass ich mich elend fühle. Auch jetzt liege ich in einer Decke eingemurmelt auf dem Sofa und starre die Wand an. Das alles war ein riesen Fehler. Als es an der Tür klopft, stöhne ich genervt auf. „Grace, geh wieder arbeiten. Mir geht es gut.", rufe ich und drehe mich auf die Seite. Kurze Zeit später höre ich, wie die Tür sich öffnet und setze mich auf. Niall streckt seinen Kopf ins Wohnzimmer und sieht mich an.
„Wow, du siehst echt beschissen aus."
Genervt setze ich mich auf und blicke ihn an.
„Was willst du?"

„Nach dir sehen. Du gehst nicht ans Telefon."

„Das hat seine Gründe.", murmle ich leise. „Wie bist du reingekommen?"

„Ich musste doch mal vor deiner Tür auf dich warten."

Ich nicke langsam.

„Du warst so lange weg und mir war langweilig, da hab ich mich umgesehen und deinen Ersatzschlüssel in dem Loch in der Wand gefunden."

Verdattert schaue ich ihn an. Ich sollte vielleicht mein Versteck wechseln. Normalerweise würde ich jetzt etwas Schnippisches erwidern, aber dazu fehlt mir irgendwie jegliche Kraft. Daher schweige ich einfach und starre auf die Decke auf meinem Körper. Niall betritt vorsichtig das Wohnzimmer. Sein Blick bleibt an den vielen Taschentüchern hängen, die auf meinem Couchtisch liegen. Seufzend setzt er sich neben mich und faltet die Hände in seinem Schoß.
„Ich hab es total verbockt, Niall.", beginne ich schniefend. „Jetzt hab ich es ihm doch gesagt. Obwohl ich das nicht wollte. Und er hat nichts dazu gesagt."

„Ich glaube, er war ein wenig überrumpelt.", meint Niall tröstend. „Ich meine, ihr seid in diesem Streit und schreit euch an und plötzlich sagst du, dass du in ihn verliebt bist."

„Du hast doch gesagt, dass ich das tun soll."

„Ja, so hab ich das aber eigentlich nicht gemeint.", entgegnet er mir und sieht mich entschuldigend an.

„Du hattest recht.", gebe ich leise zu. „Ich hätte ihm zuhören sollen. Stattdessen hab ich genau denselben Fehler gemacht wie bei Grace und Liam. Ich bin ein furchtbarer Mensch."

„Du bist nicht furchtbar.", versucht Niall mich zu trösten und streicht sanft über meinen Rücken. „Nur ab und zu ein bisschen nervig. Und besserwisserisch. Und-"

„Willst du mich aufmuntern oder mich kritisieren?", unterbreche ich ihn prompt.

„Tut mir leid. Ich will nur sagen... Louis mag dich. Sonst hätte er nicht versucht, dir zu erklären, was mit Eleanor war."

„Ich weiß es immer noch nicht."

„Du hast ihn ja auch nicht ausreden lassen.", gibt Niall zurück und verzieht das Gesicht. „Vielleicht könntest du zu ihm gehen und mit ihm reden."

Sofort schüttle ich den Kopf. „Nein. Er will mich doch sowieso nicht sehen."

„Ich bin mir sicher, das stimmt nicht.", sagt Niall und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht, die an meinem tränenüberströmten Gesicht klebt.

„Er hat es nicht erwidert, Niall.", kommt es leise über meine Lippen. „Er hat es nicht erwidert."

Niall blickt mich so mitleidig an, dass ich automatisch wieder zu weinen anfange. Langsam lasse ich mich zur Seite fallen und lege meinen Kopf in Nialls Schoß. Erbärmlicher geht es wirklich nicht mehr, dass ich mich ausgerechnet an Niall klammere. Plötzlich spüre ich wie er mir über den Kopf streicht. Eine Weile verweilen wir einfach so. Ich heule und er streichelt mich. So lange bis ich irgendwann einfach einschlafe.

~

Als ich wach werde, spüre ich, dass mein Schädel dröhnt. Toll, jetzt hab ich auch noch Kopfschmerzen. Kann es eigentlich noch schlimmer kommen? Vorsichtig will ich mich aufsetzen, merke, dass ich von einer Decke bedeckt bin. Um mich herum liegen keine vollgerotzten Taschentücher mehr. Auch die halb volle Schüssel mit Cornflakes steht nicht mehr auf dem Tisch. Stattdessen sieht alles völlig ordentlich aus. Irritiert wandert mein Blick zur Küche, in der Niall sitzt und auf seinem Handy herumtippt. Er hat mich nicht allein gelassen. Etwas überrascht öffne ich den Mund, möchte etwas sagen, doch irgendwie schaffe ich es nicht. Also schließe ich ihn wieder und werfe einen Blick auf die Wanduhr. Es ist später Nachmittag. Wie lange habe ich geschlafen? Müde reibe ich mir über die Augen und seufze leise. Niall scheint es gehört zu haben und hebt seinen Kopf, um mich anzusehen. „Du bist wach.", stellt er fest und packt sein Handy weg.
„Und du bist noch hier.", entgegne ich ihm.
Niall verdreht die Augen. „Ich kann auch gehen."
„Nein.", kommt es überraschend aus meinem Mund. Auch Niall ist über meine Worte verwundert. „Ich meine... Das sollte kein Vorwurf sein." Langsam schlage ich die Decke zur Seite, stehe auf und schlurfe wie ein Zombie in seine Richtung. Blondie beobachtet jeden meiner Schritte und lässt mich auch dann nicht aus den Augen, als ich mich auf den Küchenstuhl fallen lasse.
„Wie geht es dir jetzt?"
„Beschissen.", gebe ich zu und stütze meine Arme auf dem Tisch ab. „Aber es geht schon."
„Du siehst immer noch ziemlich fertig aus." Mit besorgter Miene schaut er mich an. „Ich weiß, dass nichts, das ich zu dir sage, auch nur ansatzweise hilft, aber... Wenn du jemanden zum Reden brauchst. Oder zum Anschweigen. Ich bin da."
Das sind vermutlich die schönsten Worte, die ich jemals aus Nialls Mund gehört habe. Ein schwaches Lächeln bildet sich auf meinem Gesicht, das er erwidert. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Niall Horan in meiner dunkelsten Stunde für mich da sein würde. „Hast du Hunger?" Fragend blickt er mich an.

„Ich krieg nichts runter."

„Aber du musst was essen. Oder zumindest einen Tee trinken."

Der Stuhl, auf dem Niall sitzt, rutscht quietschend über den Boden, als Niall ihn zurück schiebt, um aufstehen zu können. Während er sich an meinen Wandschränken zu schaffen macht, schweifen meine Gedanken wieder zu Louis und dem Paintballspiel. Ob er sich jetzt wohl Eleanor zum Trösten holt? „Hey", höre ich Nialls Stimme und schrecke aus meinen Gedanken hoch. Niall stützt sich mit den Handflächen auf der Kücheninsel ab und sieht mich eindringlich an. „Denk nicht an Eleanor und Louis."
Irritiert runzle ich die Stirn.
„Woher weißt du, woran ich denke?", frage ich.

„Dein Blick hat das verraten." Seufzend packt er einen Teebeutel in eine Tasse. „Sie sind bestimmt nicht zusammen gerade."

„Woher willst du das wissen?", frage ich leise.

Niall zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es einfach."

„Das beruhigt mich gar nicht."

„Ich kenne Louis.", beginnt Niall nachdenklich. „Er sitzt jetzt sicher allein in seinem Haus und schreit die Wand an."

„Das wäre ziemlich gruselig."

„Tja, besser dieses Szenario als dass er mit Eleanor zusammen ist oder?"

Wo er recht hat... Der Kessel gibt ein pfeifendes Geräusch von sich. Schnell schnappt Niall ihn sich vom Herd und schüttet das heiße Wasser in die Tasse. Nachdem er mir die Tasse vor die Nase gestellt hat, setzt er sich wieder mir gegenüber. Ich weiß jetzt, dass er so lange bleiben wird bis ich diesen Tee ausgetrunken habe. Er wird auf mich aufpassen und für mich da sein, weil ich ihn gerade brauche. Genau deshalb, trinke ich den Tee so langsam es geht. Nur damit er noch eine Weile bei mir bleibt.

All Over Again (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt