Halbwahrheiten

148 5 0
                                    

Es dauert eine Weile bis ich Niall finde, aber letztendlich entdecke ich ihn hinter ein paar Felsen, mehrere Hundert Meter von der Bar entfernt, in der wir eben noch mit Liam gesprochen haben. Ich bin keine Idiotin und weiß, dass er ein bisschen Abstand brauchte, um runterzukommen. Aber ich muss herausfinden, was zwischen ihm und Liam vorgefallen ist, wenn ich die Band irgendwie dazu kriegen will wieder gemeinsam Musik zu machen. Der Wind bringt die Wellen dazu gegen die Felsen zu schlagen. Auf meinen Armen bildet sich eine Gänsehaut, weshalb ich versuche sie mit meinen Händen zu wärmen. "Niall?" Niall dreht sich weder um noch macht er Anstalten irgendwas zu sagen. Er sitzt einfach nur auf einem Felsen und starrt wie hypnotisiert auf das Meer. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, dass er mich gehört hat. Zielstrebig klettere ich auf den großen Felsen und lasse mich neben ihn fallen. "Hättest du dich nicht einfach in den Sand setzen können?", frage ich murmelnd und schaue ebenfalls auf das Meer vor uns. Wäre ich in einer anderen Situation würde ich es sicher wunderschön finden, wie der Mond und die vielen Sterne den Strand erleuchten. Mal ganz davon abgesehen, dass der Felsen, auf dem wir sitzen irgendwie feucht ist und ich Angst habe, dass die Wellen uns verschlucken könnten, wenn sie nur hoch genug sind. "Ich habe gehofft, dass du dich nicht traust hier hoch zu klettern.", entgegnet Niall mir nüchtern.

"Da kennst du mich aber schlecht."

"Ich kenne dich gar nicht." Sein Kopf dreht sich in meine Richtung, damit er mich direkt ansehen kann. "Das ist ja mein Problem."

"Ich fürchte, das ist nicht dein einziges Problem."

"Mag sein. Trotzdem."

Er hat recht. Er kennt mich nicht. Und ich kenne ihn nicht. Und doch kann ich sagen, dass ihn mehr bedrückt als er zugibt. Sein ganzes Verhalten spricht dafür. Jeder hat so seine Leichen im Keller. Ich bin gespannt, was er zu verbergen hat. Bin ich nun gestört?

"Wieso hasst du ihn so?", wage ich es ihn zu fragen. Sofort merke ich, wie Niall sich anspannt.

"Hab ich doch schon gesagt."

"Ja, aber das war nur die halbe Geschichte. Ich möchte die ganze hören."

Niall scheint einen Moment lang zu zögern. Schwer zu sagen, ob er mir einfach nicht vertraut oder ob es ihm einfach nur nicht leicht fällt darüber zu sprechen. Vielleicht ist es eine Mischung aus beidem. Oder aber er will einfach nur nicht mit mir darüber sprechen. "Simon hat dir nicht gesagt, wie es zum Bandaus kam, oder?"

"Nein.", antworte ich ihm stirnrunzelnd. "Alles, was ich weiß ist, dass ihr euch gestritten habt."

Niall holt tief Luft, ehe er weiterspricht. "Nachdem Zayn die Band verlassen hat, hatten wir beschlossen, dass wir trotzdem weitermachen würden. Ganz egal, was passieren würde. Also machten wir weiter. Teilten auf, wer welchen Part von Zayn übernimmt und gaben die nächsten Konzerte, als hätte er uns nicht den Rücken gekehrt. Als sei alles schon immer so gewesen. Die Tour ging weiter. Das musste sie ja irgendwie. Eines Abends, nach einem unserer Konzerte in Europa, konnte ich nicht schlafen, weil meine Gedanken ständig darum kreisten, wie es denn nach der Tour weitergeht. Ich verließ das Hotel, in dem wir uns eigentlich erholen sollten und setzte mich an den Pool. Liam musste ebenfalls nicht schlafen können oder aber er hat bemerkt, dass ich draußen war. Völlig egal, wieso er raus kam, aber er tat es. Wir unterhielten uns ein wenig und ich erzählte ihm meine Sorgen." Nun dreht Niall seinen Kopf zu mir und sieht mir direkt in die Augen. "In dieser Nacht gab er mir ein Versprechen. Er sagte Niall, ganz egal, was passiert und welche Auswirkungen Zayns Ausstieg auch haben mag, wir vier machen einfach weiter. Das ist die beste Zeit unseres Lebens und die lassen wir uns von niemandem nehmen. Wir kämpfen weiter für diese Band. Ein paar Monate nach der Tour brachten wir unser Album raus. Und sobald es draußen war, und wir eigentlich damit anfangen sollten die Tour zu planen, schlug Harry vor eine Pause zu machen. Er meinte, wir sollten uns die Zeit nehmen und uns ausruhen, weil wir doch jedes Jahr auf Tour gingen und ein Album produzierten, was einfach nur noch anstrengend war. In gewisser Weise hatte er ja recht gehabt. Wir waren ausgelaugt und frustriert, weil uns jemand fehlte. Aber ich wusste auch, wenn wir nun eine Pause machen würden... Dann würde es One Direction nicht mehr lange geben. Ich wartete, was die anderen sagen würden. Louis schwieg. Fast so, als wüsste er nicht, was er dazu sagen sollte. Und Liam? Liam war sofort einverstanden. Er brach das Versprechen, das er mir gab nur mit diesem einen Satz. Also wurde ich sauer. Habe versucht alle zu Vernunft zu bringen. Aber egal, was ich gesagt hatte, für diese drei Jungs war es beschlossene Sache. Letztendlich gab ich nach. Simon war einverstanden. Und dann war es Zeit für Formalitäten. Interviews mussten organisiert werden. Damit wir der Welt verkünden konnten, dass One Direction eine Pause machte. Damals war ich naiv und behauptete in den Interviews, dass wir nicht lange fortbleiben würden. Höchstens ein Jahr. Monate später trommelte ich alle zusammen, weil ich dachte, dass wir weiter machen sollten. Doch niemand von ihnen dachte auch nur eine Sekunde daran. Ab da war nichts mehr wie es war. Wir verschoben unser Comeback weiter. Je weiter wir es schoben, desto weniger glaubte ich noch daran, dass wir jemals wieder Musik zusammen machen würden. Oder gar noch Freunde blieben. Das war der Zeitpunkt, an dem ich genug hatte. Seitdem habe ich keine der Jungs gesprochen. Naja, bis heute."

All Over Again (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt