Medienzirkus

105 6 0
                                    

Etwa seit fünf Minuten starre ich auf die Schachfiguren vor mir, ohne, dass sich auch nur irgendetwas tut. Die paar Minuten fühlen sich wie eine Ewigkeit an und das nur, weil Louis einfach keine Anstalten macht eine seiner schwarzen Figuren zu bewegen. Doch dann Zucken seine Finger, weshalb ich mich aufrichte, nach vorne beuge und gespannt zusehe, was passiert. Als Louis seine Hand wieder zurückzieht, ohne einen Zug gemacht zu haben, stöhne ich genervt auf. „Kannst du nicht endlich deine blöde Figur bewegen? Du überlegst schon gefühlt eine halbe Stunde, wie du weiter vorgehen sollst. Hier geht es nicht um einen Krieg, den du verlieren könntest, sondern ein Spiel." Frustriert lasse ich mich in mein Sofa zurücksinken. Wenn das so weiter geht, sitze ich hier noch, wenn ich alt und grau bin. Im Hintergrund höre ich die Fernsehwerbung für amerikanische Erdnussbutter, die ich sogar zu Hause habe. Sie schmeckt übrigens fürchterlich, also keine Ahnung, wie die damit Geld machen. Ich wette, die Erdnussbutter hat Amerika nicht mal gesehen.
„Übe dich in Geduld, Caitlyn. Das ist ein Strategiespiel. Da muss man viel nachdenken." Konzentriert runzelt Louis die Stirn, während mir jegliches Verständnis dafür fehlt, dass er so lange braucht, um zu entscheiden, wo er den Springer hinstellt. Hätten wir nicht einfach ein Puzzle machen können? Nach dem Zusammentreffen mit Simon kann ich Ablenkung echt gut gebrauchen, aber Schach scheint mich nur noch frustrierter zu machen als dass es mich beruhigt. „Du machst mich echt krank.", gebe ich murrend von mir und verschränke die Arme vor der Brust.
„Soll ich dir vielleicht die Daten meines Therapeuten geben? Vielleicht hilft er dir ja." Auch wenn es ein Scherz sein soll, werde ich das Gefühl nicht los, dass ein kleinen Wenig Ernsthaftigkeit in seiner Stimme ist. „Lustig.", sage ich murmelnd und schaue überrascht zur Tür, als es klingelt. Stirnrunzelnd mache ich mich auf den Weg, während Louis endlich seinen Zug macht. Sobald ich die Tür geöffnet habe, sehen mich drei Männer reumütig an.
„Können wir reinkommen?", fragt Liam vorsichtig. Ich blinzle einmal. Dann nochmal. Bis ich beschließe, dass das keine Fata Morgana ist, die ich da wahrnehme. „Klar.", sage ich und trete zur Seite, um die Jungs reinzulassen. Alle folgen mir ins Wohnzimmer, in dem Louis vor dem Schachbrett sitzt und seine Hände schnell zurückzieht, als hätte er sich daran verbrannt. Wollte er etwa schummeln? Erwischt, würde ich sagen. Kurz werfe ich ihm einen bösen Blick zu, ehe ich mich den Jungs widme, die wie eine Gruppe Schuljungs vor mir stehen, als hätten sie etwas verbrochen. Erwartungsvoll blicke ich sie an. „Wir wollten uns für neulich entschuldigen.", beginnt Harry und kratzt sich nervös am Hinterkopf.
„Dass wir einfach abgehauen sind, war nicht in Ordnung.", fährt Liam fort. Gespannt sehe ich zu Niall, der auf seinen Füßen vor und zurück wippt. Auch Harry und Liam sehen den jungen Mann an, der einfach schweigt. Irritierte sieht er die beiden an bis er einen Ellbogen von Liam in die Rippen kassiert und schmerzvoll aufstöhnt.
„Ich schließe mich an.", bringt er keuchend hervor und kassiert ein Augenrollen von Liam. Das Entschuldigen sollte der Kobold dringend nochmal üben.
„Jungs, ich bin euch nicht Böse.", stelle ich seufzend klar. „Viel mehr sollte ich mich entschuldigen, weil ich euch in diese blöde Lage gebracht habe. Was Simon getan hat, war unmöglich. Er sollte sich schämen für das, was er getan hat. Er hat euer Leben versaut. Und euch die Freude an der Musik genommen. An eurer Stelle würde ich ihm eine reinhauen."
„Louis hat uns erzählt, wie du dich für uns stark gemacht hast.", erzählt Liam, was mich überrascht zu Louis blicken lässt. Hat er?
„Und wir wollten uns bei dir bedanken.", fährt Harry fort. „Noch niemand hat sich so für uns eingesetzt wie du es getan hast. Simon ist ein großer Name in der Musikindustrie. Niemand würde es wagen seinen Namen in den Dreck zu ziehen. Aber dir war es egal. Du hast ihm die Wahrheit ins Gesicht gesagt."

„Ja, du hast etwas getan, für das uns einfach der Mut gefehlt hat.", macht Niall weiter. „Und Simons Gesichtsausdruck nach zu urteilen war es das echt wert."

Lachend schüttle ich den Kopf, doch dann realisiere ich, dass Niall doch gar nicht wissen kann, wie Simon ausgesehen hat. „Warte ne Sekunde. Woher weißt du denn, wie sein Gesicht ausgesehen hat?"

All Over Again (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt