Der Traum von Oxford

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Bei dem ganzen Trubel habe ich beinahe vergessen, dass ich mich in Oxford beworben habe. Doch jetzt, wo ein Brief in meinem Briefkasten gelandet ist, bin ich plötzlich total verunsichert. Dieser kleine Brief entscheidet über meine Zukunft. Allerdings habe ich ihn seit ich ihn heute morgen aus dem Briefkasten geholt habe, nicht geöffnet. „Du solltest ihn aufmachen.", meint Jamie und sieht mich an.
„Ich kann nicht.", erwidere ich und wische mir meine schweißnassen Hände an meiner Schürze ab.
„Warum nicht?", fragt Grace hibbelig.
„Was, wenn es eine Absage ist?", frage ich seufzend.
„Das wirst du nie erfahren, wenn du den Umschlag nicht endlich öffnest.", entgegnet Louis mir. Alle drei sehen mich erwartungsvoll im Café an. Weil ich immer noch keine Anstalten mache, den Brief zu öffnen, stöhnt Jamie genervt auf.
„Hey, meiner Erfahrung nach sind kleine Umschläge ein gutes Zeichen.", beginnt er. „Bei einer Absage würden sie doch die Unterlagen zurückschicken."
„Welche Erfahrungen? Du bist auf keiner Uni. Außerdem... Für eine Absage brauchen sie nur zwei Zeilen.", erwidere ich nachdenklich. „Wenn sie mich auf die Warteliste setzen, dann brauchen sie mir die Unterlagen auch nicht zurückschicken."
„Eine Warteliste ist doch keine Absage.", versucht Louis mich zu beruhigen, doch es hilft alles nichts. Ich habe viel zu viel Angst in diesen Umschlag hineinzusehen.
„Louis hat recht.", pflichtet Grace ihm bei. „Du solltest hineinsehen."
„Das mach ich auch. Nur nicht heute.", entgegne ich und laufe los, um die Bestellung eines Kunden aufzunehmen. Als ich wieder hinter dem Tresen stehe, beginne ich den Kaffee zu machen. Jamie schüttelt bloß den Kopf. „Du bist doch komplett wahnsinnig."
„Hey, jetzt mach mal halb lang.", entgegnet Louis ihm säuerlich. Jamie hebt abwehrend die Hände und verschwindet in der Küche.
„Er hat bloß nen schlechten Tag.", versucht Grace das Verhalten ihres Mitbewohners zu erklären.
„Dann muss er sich trotzdem nicht wie ein Arsch auf zwei Beinen benehmen.", murmelt Louis und stellt seine leere Tasse, aus der er eben noch einen Tee getrunken hat, zur Seite.
„Ist schon okay.", winke ich ab und stelle die Bestellung des Kunden auf ein Tablett.
„Fändest du eine Absage echt so schlimm?", fragt Grace vorsichtig und tätschelt mir den Arm. Das ist eine ziemlich gute Frage.
„Ich weiß es nicht.", gestehe ich seufzend. „Ich meine, ich habe es mir immer gewünscht. Oxford ist meine Traumuni seit ich denken kann. Es wäre einfach so blöd, wenn es nicht klappen würde."
„Ich wette, es hat geklappt." Grace lächelt mich aufmunternd an, was ich erwidere. Sie ist einfach immer da, wenn ich sie brauche. „Ich werde den Umschlag trotzdem nicht öffnen.", stelle ich klar und bringe den Kaffee an den entsprechenden Tisch.
„So stur warst du auch, als du Louis nicht sagen wolltest, was du für ihn empfindest.", meint Grace, als ich wieder bei ihr bin. Louis sieht mich grinsend an und beugt sich über den Tresen vor.
„Achso. Dann hattest du diese Gefühle also schon sehr lange, ja?"
Sofort werde ich rot und werfe Grace einen finsteren Blick zu. „Kein Kommentar. Wenn du noch ein Ton sagst, dann erzähle ich Louis von dem Boot."
Empört öffnet Grace den Mund und sieht mich schockiert an.
„Welches Boot?", fragt Louis verwirrt.
„Ich muss wieder an die Arbeit." Mit diesen Worten verabschiedet Grace sich und lässt uns allein. Mit einem triumphierenden Lächeln nehme ich einen Lappen und wischte damit über den Tresen, der voller Krümmel ist. „Von welchem Boot habt ihr gesprochen?", hakt Louis erneut nach, doch ich grinse einfach nur vor mich hin. Diese Geschichte werde ich ihm sicher nicht erzählen.

~

Den ganzen Tag lang habe ich so getan, als hätte ich den Brief nie erhalten. Ich habe es einfach totgeschwiegen. Jamie ist fast durchgedreht, aber der hatte ohnehin heute einen schlechten Tag, weshalb ich es ihm nicht übel nehme. „Ich weiß, du tust so, als hättest du keinen Brief gekriegt, der deine Zukunft verändern könnte, aber ich muss es trotzdem ansprechen.", beginnt Louis während er den kleinen runden Tisch deckt. „Bist du dir sicher, dass du heute nicht reinschauen möchtest?"
„Ziemlich sicher.", entgegne ich ihm und ziehe die Ofenhandschuhe an, um den Auflauf aus dem Backofen zu holen und ihn auf die Theke zu stellen.
„Caitlyn, muss ich dir sagen, dass das ziemlich bescheuert ist?"

All Over Again (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt