Freundschaftsdienst

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Ich habe den Scheck von Simon eingelöst und das Geld auf mein Sparkonto gutschreiben lassen. Jetzt steht meinem Traum von Oxford eigentlich nichts mehr im Wege, bis auf die Bewerbung. Es ist schwer eine passende Bewerbung bei einer so renommierten Universität abzuliefern. Sie muss perfekt sein. Keine Ahnung also, warum ich sie ausgerechnet Niall vorlege, damit er einen Blick darauf werfen kann. Als ob er jemals eine Bewerbung irgendwo hingeschickt hat. Ich weiß ja nicht einmal, ob er überhaupt einen Schulabschluss hat. „Okay, das reicht.", sage ich und will ihm den Laptop wieder wegnehmen, doch Niall schlägt meine Hand weg und zieht die Augenbrauen zusammen. Ruckartig ziehe ich meine Hände weg und will ihm eine Beleidigung an den Kopf werfen, als er plötzlich theatralisch aufseufzt und mich mit seinen blauen Augen ansieht. „Dein Lebenslauf ist echt kurz. Deine Schulnoten sind zwar gut, aber nicht herausragend und was zur Hölle macht man in einem Kurs, der den Namen Kreatives Schreiben trägt?"
„In diesem Kurs lernt man Texte zu schreiben. Zeitungsartikel, Kurzgeschichten, Gedichte.", erkläre ich und ignoriere die Tatsache, dass er mich darstellt, als wäre ich eine Versagerin, die im Leben nicht mehr geschafft hat als in diesem Café zu arbeiten.
„So einen hätte ich auch gebrauchen können.", merkt Niall nachdenklich an.
„Dir hätte auch ein Kurs gutgetan, der dir bessere Manieren beibringt.", murmle ich leise vor mich hin, doch der Kobold hört es trotzdem und wirft mir einen vernichtenden Blick zu. Während Niall sich wieder meinem Laptop widmet, bediene ich einen Kunden, der sich einen Latte zum Mitnehmen bestellt. Sobald ich ihn versorgt habe, widme ich mich wieder dem Iren, der mit gerunzelter Stirn auf den Tasten des Laptops rumtippt. „Was machst du da?", frage ich alarmiert.
„Ich ändere hier und da ein paar Kleinigkeiten. Das ist Oxford. Die wollen ein bisschen mehr als einen Schreibkurs, den du belegt hast. Vor allem, wenn du dich für ein Medizinstudium bewirbst."

„Weil du dich mit Universitäten ja so gut auskennst."

„Du etwa?"

„Ich hab mir eine zumindest schon mal von innen angesehen. Was ist mit dir?"

Niall blickt zu mir hoch, schweigt jedoch.

„Hab ich mir gedacht."

Augenrollend tippt er weiter, während ich die Kaffeemaschine mit Bohnen befülle. Hinter mir ertönt der himmlische Klang der Glocke, die an der Eingangstür hängt. Als ich mich umdrehe, steht Harry neben Niall. „Was führt dich hier her, Löckchen?", frage ich und grinse ihn frech an.
Niall verkneift sich ein Lachen, während Harry mich vermutlich am liebsten für diesen Kosenamen erwürgen will. Gut, dass die Bibel ihm das verbietet.
„Sehr lustig. Ich bin hier, um etwas mit Niall zu klären."

„Ich bin ganz Ohr.", meint Niall und trinkt einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Harry wirft einen Blick auf das Display des Laptops und runzelt verwirrt die Stirn.
„Bewirbst du dich in Oxford?"

„Nein, das ist Caitlyns Bewerbung. Ich überarbeite sie nur."

Überrascht sieht Harry mich an. Jetzt ist die Katze wohl aus dem Sack. „Gut. Du hättest eh keine Chance in Oxford."

„Vielen Dank." Schnaubend macht Niall einfach weiter. Auch wenn er es nicht zeigt, ich denke, Harrys Worte versetzen ihm einen Stich. Jeder von den Jungs hat etwas. Liam singt auf dem Ballermann, Harry hat seine Jesus-Anhänger und Louis widmet sich auch wieder der Musik. Niall hingegen hat nur das Golfen. Und selbst das hat er seit einer Ewigkeit nicht mehr gemacht. „Was wolltest du klären, Harold?"

„Ich wollte nur fragen, ob du Lust hast mit den anderen Jungs und mir zelten zu fahren."

„Zelten?", frage ich verdutzt und streiche mir eine lose Haarsträhne hinter das Ohr.

„Haben wir früher auch schon gemacht.", erklärt Harry mir und setzt sich auf den Barhocker neben Niall. „Wir haben uns Geschichten erzählt, ein Lagerfeuer gemacht, Marshmallows gegrillt. Nicht weit von hier gibt es einen Wald, in dem man zelten darf. Es war Liams Idee."

All Over Again (Teil 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt