Kapitel 12

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Blaises Elternhaus war irgendwie einladender, als ich erwartet hatte. Zwar war es ein wirklich riesiges Herrenhaus, doch die grau-braunen Backsteine und der Efeu, welches an den Mauern emporwuchs, ließ es doch irgendwie ganz freundlich wirken. Eine Allee führte von dem großen eisernen Eingangstor zur der Eingangstür, an welcher ein Türklopfer hing.
Unsicher klopfte ich an die Haustür, während ich von dem einem Bein auf das andere trat. Zwar hatte mir Blaise dreimal versichert, dass seine Mutter nicht zu Hause sei, doch trotzdem hatte ich Angst, sie würde gleich die Tür öffnen und mich wahrscheinlich mit einem ziemlich missbilligenden ansehen. Auch wenn ich nun offiziell zur Kriegsnymphenfamilie gehörte, würden mich die meisten alten reinblütigen Familien wohl nie in den Kram passen. Und Blaises Mutter wohl auch nicht. Ob sie für ihren Sohn wohl auch ein ähnliches Leben wünschte, wie sie es selbst führte? Immer eine neue reiche Ehefrau, welche dann hoffentlich bald verstirbt?
In diesem Moment wurde die Haustür geöffnet und Blaise kam zum Vorschein. Zuerst schien mein Klassenkamerad ziemlich überrascht mich dort zu sehen, doch dann fing er an zu grinsen.
„Meine Rose. Hat dich jemand hierher gebracht? Eigentlich dachte ich, du würdest hierher flohen", wurde ich überrascht gefragt.
„Nein, ich habe in den Ferien das Apparieren geübt. Ich habe es alleine hierher geschafft. Ganz ohne zu zersplintern", gab ich stolz zu, während ich etwas unsicher in die Eingangshalle trat. Sofort sprang mir eine von Adinas Handtaschen ins Auge, welche ordentlich an der Garderobe hing.
„Siehst du sie noch häufig?", fragte ich und zeigte auf die wohl vergessene Tasche. Blaise sah verwirrt dorthin, bevor er sich etwas unsicher am Hinterkopf kratzte.
„Ich weiß, ihr seid momentan nicht gut aufeinander zu sprechen, aber ich bin noch immer mit Adina und Draco befreundet. Wir haben uns schon ein paar Mal in den Ferien getroffen und –" Blaise zögerte kurz, bevor er weitersprach. „Ich habe dir doch gesagt, Adina wird wiederkommen, sobald sie eingesehen hat, dass du recht hast. Sie hat mich vor drei Tagen gebeten, ihr dabei zu helfen, noch einmal mit dir zu sprechen. Damit ihr euch vertragen könnt. Deshalb ist sie heute auch hier. Sie wartet auf der Terrasse, hinterm Haus."
Ich blieb wie angewurzelt stehen. Adina wartete hinterm Haus auf mich? Sie wollte sich wieder mit mir vertragen? Das war ja einerseits schön, doch auf der anderen Seite brachte das auch wirklich meine gesamte aktuelle Lebensplanung wieder durcheinander. Eigentlich war ich doch davon ausgegangen, Adina würde aus liebe zu ihrer Familie dem dunklen Lord nicht im Weg stehen wollen und am Ende schon mitmachen. Wenn sie jetzt allerdings hier war, um sich mit mir zu vertragen, hieß das wahrscheinlich auch, sie wollte weglaufen. Damit kam ich wirklich in eine Zwickmühle. Sollte ich sie jetzt da rausholen? Dann würde ich allerdings meine Stellung beim dunklen Lord in Gefahr bringen. Sollte ich Adina hängen lassen? Das würde unserer Freundschaft auf jeden Fall den letzten Bruch geben. Oder konnte ich sie vielleicht dazu überreden, mit mir als Doppelagentin anzufangen? Aber würde die Wassernymphe das irgendwie überstehen?
„Du siehst nicht ganz so begeistert aus, wie ich gedacht hätte", gestand Blaise besorgt.
„Ich weiß nicht, was sie von mir erwartet", murmelte ich verunsichert.
„Sie will sich nur mit dir vertragen. Das ist erstmal ihr Hauptziel. Sie sitzt hier nicht mit gepackten Koffern und hofft, sie könnte heute Abend bei dir einziehen. Ich bin mir eigentlich sicher, sie will am liebsten bei ihrer Familie bleiben", versuchte mich Blaise zu beruhigen. Ich seufzte leise.
„Ich werde mit ihr reden. Und ich versuche, diplomatisch zu sein", versprach ich. Blaise nickte zufrieden, dann wurde mir sein Arm angeboten. Ich seufzte leise, dann hakte ich mich bei ihm unter. Auf zur Aussprache. Ob ich die wohl besser mit Adina hinbekam als mit Sirius? Schließlich zofften wir beide uns noch immer ständig. Erst hatten wir uns wieder lieber und am Ende des Tages stritten wir uns dann doch wieder, weil keiner von uns beiden wirklich nachgeben wollte. Sirius verbot mir noch immer eine Sekunde in dem Haus zu verbringen, wenn ich keine Zeit mit ihm verbrachte, ich fühlte mich dadurch immer noch ziemlich verlassen und weggestoßen.
Wir traten auf die Terrasse, welche gerade in der Mittagssonne lag. Adina saß unter einem schneeweißen Sonnenschirm in einer Loungeecke. Auf dem Tisch vor ihr standen drei Gläser und eine Wasserkaraffe. Die Wassernymphe wirkte ziemlich nervös, wie sie da gerade saß und die Umgebung betrachtete, während sie mit ihrem Medaillon spielte. Von der Terrasse hatte man aber auch eine wirklich schöne Aussicht, da der restliche Garten einige Meter tiefer lag. Man sah sofort, dass irgendjemand ihn mit viel Mühe pflegte. Der Rasen war ordentlich gemäht, sämtliche Bäume und Hecken in ordentliche Formen gebracht. Ganz in der Nähe erkannte meinen Pool, welcher dazu einlud, dass wir bei den aktuellen Temperaturen dort hereinsprangen.
„Adina?", lenkte Blaise die Aufmerksamkeit auf uns beide. Die Blondine sah verschreckt zu uns, sprang dann auf und stieß gegen den Tisch. Die Gläser und die Karaffe darauf wurden durchgeschüttelt und klirrten bedrohlich. Glücklicherweise vielen sie nicht um, doch das Wasser wurde teilweise verschüttet.
„Patricia!", rief die Wassernymphe halb entsetzt, halb erfreut.
„Hallo", murmelte ich noch immer etwas überfordert, während mich Blaise bestimmt zu den Sitzplätzen schob. Ich wurde darauf platziert, mein Freund setzte sich daneben. Unsicher schwiegen wir uns gegenseitig an.
„Du wolltest Patricia doch noch etwas sagen, Adina", versuchte der einzige Junge unter uns das Gespräch in den Gang zu bringen.
„Es tut mir leid, dass ich dir vorgeworfen habe, du würdest mich von meiner Familie entzweien wollen. Du hattest recht, mein Vater ist wieder bei den Todessern. Aber er hat keine Wahl und mich trotzdem lieb. Deshalb tut es mir leid, dass ich wütend auf dich war. Er ist trotzdem ein sehr guter Mensch", versicherte mir Adina.
„Und was wirst du machen, wenn dich der dunkle Lord vor die Wahl stellt? Wirst du dich ihm anschließen, um dich und deine Familie zu schützen, oder wirst du dich gegen ihn stellen?", hakte ich nach.
„Ich weiß es nicht", murmelte die Wassernymphe niedergeschlagen. Im nächsten Moment liefen ihr auch schon Tränen über die Wange. „Ich will nicht Poseidon und Jamie hintergehen, aber –" Die Blondine wurde von einem Heulkrampf geschüttelt. „Wenn ich bei meiner Familie bleibe, habe ich wahrscheinlich keine Wahl und wenn ich nicht bei ihnen bleibe, weiß ich nicht wohin und bringe sie in Gefahr."
Blaise stupste mir vorsichtig in die Seite und zeigte auf die weinende Schülerin. Verunsichert rutschte ich zu ihr, nur um hilfesuchend zu meinem Freund zu sehen. Dieser verdrehte nur demonstrativ die Augen, bevor er lautlos das Wort „trösten" formte. Noch immer ziemlich überfordert, begann ich die Schulter meiner ehemaligen Freundin zu tätscheln.
„Ich weiß, du willst von mir hören, dass ich auf jeden Fall meine Familie verlasse", schniefte Adina niedergeschlagen.
„Nein, ich kann verstehen, dass es dir schwerfällt, diese Entscheidung zu treffen", gab ich ehrlich zu. Schließlich hatte ich selbst mit damit gehadert, ob ich nun Marlon und Sirius verlassen wollte oder nicht, um das Richtige zu tun. Da Adina es nicht kannte, auf sich alleingestellt zu sein, würde ihr die Entscheidung wahrscheinlich noch schwerer fallen.
„Adina, ich bin mir sicher, wenn du da raus willst, wird dich Patricia dabei unterstützen. Nicht wahr?" Blaise sah mich auffordernd an, weshalb ich überfordert zwischen den beiden Hin und Her sah. Würde ich das? Konnte ich das?
„Ich könnte mit Marlons Familie reden, aber ich kann nicht versprechen, dass sie etwas für dich tun können", gab ich schließlich nach. Vivienne wusste bestimmt, was zu tun war. Bei sozialen Verhaltensweisen wusste sie es schließlich immer. Sie konnte mir bestimmt sagen, ob es ein zu großes Risiko war, Adina wieder aus ihrer Adoptivfamilie herauszuholen oder nicht. Oder sollte ich sie in meinen Plan einweihen?
„Also sind wir wieder Freundinnen?", wurde ich schüchtern von der noch immer weinenden Blondine gefragt.
„Ja, wir sind wieder Freundinnen. Aber nur unter der Bedingung, dass ich dir etwas über Muggel beibringen darf."
„Das musste ich ihr auch schon versprechen", kam der Kommentar von Blaise. „Bisher hatte ich aber noch kein Muggelkunde bei ihr."
„Das holen wir noch nach. Ich habe jetzt ganz viel Zeit für euch", versprach ich.
„Werden Marlon und Sirius nicht eifersüchtig?", fragte mich der Slytherin in unserer Runde.
Ich zögerte kurz. Sollte ich den beiden sagen, dass ich mit meinem leiblichen Vater momentan meine Probleme hatte? Wollte ich, dass diese Information möglicherweise an den dunklen Lord weitergegeben wurde? Eigentlich konnte es mir doch nur helfen, wenn alle glauben würden, jetzt würde ich mich auch noch von meinen beiden Vätern entzweien. Nur ein Grund mehr, mir einen neuen Platz zu suchen, wo ich mit meiner Magie geschätzt wurde. Wahrscheinlich hätte ich auch die Bedingung mit dem Muggelkunde-Unterricht sein lassen sollen. Diese ging definitiv in die falsche Richtung.
„Marlon wird es reichen, wenn wir uns abends und an den anderen Tagen sehen. Sirius und ich haben momentan Streit, weil ich nicht beim ihm wohnen darf. Daher wird er damit leben müssen, wenn ich die Hälfte der Zeit in Frankreich bin und die andere bei euch."
Meine beiden Klassenkameraden sahen sich kurz etwas verstört an. Beide schienen mit der Information, dass mein Vater und ich nicht mehr zusammenklebten, irgendwie etwas überfordert zu sein. Schließlich schüttelte Blaise leicht den Kopf, bevor er anfing zu sprechen.
„Ich bin mir sicher, Sirius hat sehr gute Gründe dafür, dass er es für besser hält, wenn ihr momentan nicht zusammen wohnt", stellte mein Klassenkamerad fest.
Ich schnaubte leise als Antwort. Aus Sirius Sicht mag das Stimmen, doch aus meiner Sicht nicht. Er hatte nur total unlogische Gründe. Er wollte mich vor einem blöden Haus beschützen. Einem Gemäuer, indem die blöden Wichtel die größte Gefahr darstellten.
„Er liebt dich, kleine Rose. Vielleicht ist er etwas übervorsichtig, aber er liebt dich unendlich. Also grummel dich ein wenig hier aus und komme dann später bei ihm angekrochen", wurde mir empfohlen, weshalb ich erneut ein leises Grummeln von mir gab. Das mit den Ankriechen kommen, hatte ich doch schon versucht. Das Problem war, innerlich war ich trotzdem weiter muffelig.
„Manchmal machen Erwachsene etwas, was wir nicht nachvollziehen können und wir als absolut schrecklich empfinden, aber aus ihrer Sicht ist es absolut notwendig. Deshalb ist mein Vater zu Voldemort zurückgekehrt und Sirius hat Angst vor den Konsequenzen, wenn du bei ihm wohnst. Jetzt, wo Fudge euch auf dem Kicker hat, wird er bestimmt mit Adleraugen darüber wachen, wo du gerade wohnst", stellte Adina fest. Ich schnaubte leise. Auch wenn es ein gutgemeinter Versuch der anderen Nymphe war, ich wusste doch, warum er mich nicht bei ihm haben wollte. Weil er zu viel Angst davor hatte, mich in sein Elternhaus zu lassen.

Hexagramm - LöwenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt