Kapitel 29

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Ich hatte mich auf Blaises Bett im Zimmer der Jungs zusammengerollt. Im Bad war das leise Rauschen von der Dusche zu hören, unter der gerade mein Freund stand. Die anderen Bewohner dieses Raums saßen noch zusammen im Gemeinschaftsraum, weshalb ich hier meine Ruhe hatte. Daher konnte ich ganz in Ruhe mit Sirius und Marlon reden. Also sobald die beiden mal endlich ran gingen.
„Hallo, Teeniewelpe", hörte ich endlich Marlons Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Hallo, Sirius. Wie war dein Tag?", fragte ich neugierig nach.
„Ich hatte sehr viel Besuch. Die Familie von Carolin war heute zum Abendessen da", wurde mir erzählt.
„Aber du hast sie nicht rausgeworfen, weil ich angerufen habe, oder?", fragte ich unsicher. Wenn er mal Gesellschaft hatte, sollte er sie genießen und sich nicht wegen mir früher von ihnen verabschieden.
„Nein, natürlich nicht. Wir hatten einen schönen gemeinsamen Abend, aber jetzt ist es für Louie Zeit, ins Bett zu gehen, und Kian wird auch langsam müde. Deshalb sind sie vor einer halben Stunde nach Hause gegangen. Ich habe nur mit Jooky die Küche aufgeräumt, weshalb es länger gedauert hat zum Drangehen", erklärte mein Vater.
Na ja, er war wenigstens ran gegangen. Marlon hatte noch immer kein Lebenszeichen von sich gegeben. Hoffentlich war alles bei ihm in Ordnung. Oder hatte er ein spontanes Date mit Yasmine? Dann war er immer ziemlich schlecht erreichbar. Und die Details über das Warum wollte ich gar nicht wissen.
„Geht es denn allen gut? Gibt es etwas Neues?", wollte ich wissen.
„Ja, ihnen geht es allen sehr gut. Elaina ist jetzt offiziell mit Charlie zusammen. Allerdings lässt sie ihn noch immer nicht alleine mit ihrer Meggie", wurde mir belustigt berichtet.
Automatisch musste ich leise kichern. Ich konnte mir gut vorstellen, wie Elaina mit Charlie schimpfte, weil er ihren kleinen Mischling nicht richtig umging. Allerdings kannte ich auch nur genau eine Person außer die Drachenmutter, die immer alles richtig machte, wenn es um ihn ging. Kira.
„Schön, dass es dich amüsiert. Charlie hat sich heute aber ganz gut geschlagen. Er wurde gestern feierlich in der Familie aufgenommen, in dem Samuel versucht hat, ihn wieder zu vergraulen.
Ich habe Harry übrigens vom Raum der Wünsche erzählt. Ihr habt also jetzt einen Ort für das Kampftraining."
„Hast du ihn endlich per Armband erreicht?", fragte ich genervt. Natürlich nutzte mein Fast-Adoptivbruder noch immer nicht mein Geburtstagsgeschenk, was die Kommunikation zwischen ihm und Sirius nicht leichter machte. Vor allem, weil die Briefe ja auch noch von Umbridge abgefangen wurden.
„Nicht direkt."
„Hast du wieder stündlich im Gemeinschaftsraum nachgesehen, ob Harry nun alleine ist?", fragte ich dieses Mal in einem etwas strengeren Ton. Waren wir uns nicht einig gewesen, dass jede Kommunikationsmöglichkeit, die nicht das Armband war, viel zu gefährlich war?
„Patricia, wir haben per Brief einen Termin abgemacht –"
„Ihr wisst beide, Briefe werden abgefangen! Das war unvernünftig von euch beiden!", beschwerte ich mich. Warum war ich nur die Einzige hier, die Gefahren richtig einschätzte und dem entsprechend handelte? Mein Vater wollte doch hoffentlich nicht tief im inneren sein Versprechen brechen, immer bei mir zu bleiben, sich erwischen und dann von einem Dementoren küssen lassen.
„Ich habe ihm nur geschrieben >Heute, selbe Zeit, selber Ort.< damit ich mit ihm über das Flohnetzwerk reden kann. Das hätte Umbridge beim besten Willen nicht weitergebracht."
„Das Flohnetzwerk wird aber wahrscheinlich auch überwacht! Ist es wirklich so schwer, das verdammte Armband zu nutzen?", fauchte ich.
Warum arbeiteten die Leute nicht dabei mit, wenn ich sie beschützen wollte. War es denn wirklich so schwer, mal für fünf Minuten keine komplett verrückten Dinge zu tun und stattdessen einfach mal ein wenig auf ihre Sicherheit achten? Vor allem Harry sollte doch eigentlich sehr viel daran liegen, dass Sirius nicht erwischt wird. Ansonsten würde er nämlich bis zu seiner Volljährigkeit bei den Dursleys wohnen bleiben müssen.
„Welpe, ich weiß, das war riskant, aber über das Armband kann ich nur mit Harry reden. Gestern Abend habe ich auch mit Hermine und Ron geredet, also rege dich nicht so sehr auf. Ich war raus, bevor mich jemand packen konnte."
Ich runzelte die Stirn. Die Formulierung machte mich misstrauisch. Normalerweise würde man doch von Erwischen reden.
„Hat euch jemand fast erwischt?", fragte ich nun in einem so strengen Ton, dass ich wahrscheinlich Professor McGonagall damit Konkurrenz machen konnte.
„Jemand hat nach mir getastet, aber ich war zu schnell raus. Aber dafür wissen die drei jetzt vom Raum der Wünsche, ganz ohne, dass du mit Harry reden musstest", startete Sirius den schwachen Versuch, mich aufzuheitern.
Ich gab ein leises Seufzen von mir. In Bezug darauf war ich die Unvernünftige gewesen, da hatte er leider recht. Harry nahm eh schon sehr ungern meine Hilfe an, da hielt ich es für klüger, meinen Kopf einzuziehen, und als dann auch noch der Ausbildungserlass dazukam – dass die Gryffindors erst heute die Genehmigung bekommen hatten, hatte ihm noch einmal ziemlich die Laune verhagelt – hatte ich beschlossen, lieber einen großen Bogen, um ihn zu machen.
Aber nachdem Sirius Harry mal wieder nicht über sein Armband erreicht hat, hätte ich durchaus zu dem Gryffindor selbst gehen können, um solche Schnappsideen wie das Flohnetzwerk zu verhindern. Stattdessen hatte ich mich darauf verlassen, dass mein Vater es einfach am nächsten Tag noch einmal versuchen würde – was er auch tat – und als er dann wieder keine Antwort bekam, dachte ich, dann halt Montag Abend. Jetzt hatten sie sich auch wirklich gestern unterhalten, nur auf eine Art und Weise, die mir ganz und gar nicht passte.
„Beim nächsten Mal musst du mir sagen, ich soll mich nicht so anstellen und mit Harry reden", murmelte ich niedergeschlagen.
„Dann mache ich das, wenn du dich dann besser fühlst", wurde mir versichert.
Ich gab ein leises zufriedenes Seufzen von mir. Würde ich mich dann besser fühlen? Zumindest konnte ich solche Aktionen von Sirius unterbinden, also ja, ich würde mich dann besser fühlen. Wie sollten die beiden das nur schaffen, wenn ich beim dunklen Lord war?
„Patricia?", hörte man in diesem Moment Marlons Stimme.
„Und Sirius ist auch da", meldete sich mein Vater.
„Ist Yasmine bei dir?", fragte ich neugierig nach.
„Nein, sie hat heute Abend ein Essen mit ein paar englischen Ministern. Vermutlich geht es dabei auch um das Sorgerecht für dich. Wenn du eine dringende Frage hast, kann ich aber später noch zu ihr apparieren", wurde mir berichtet.
„All meine Fragen habe ich vor drei Stunden in einem Brief abgeschickt. Morgen früh habe ich meine Antworten. Ich dachte nur, ihr wärt zusammen unterwegs, weil du nicht geantwortet hast. Meistens heißt es, ihr habt gerade Sex", stellte ich ehrlicherweise fest.
Am anderen Ende der Leitung war das etwas verunsicherte Lachen von Marlon zu hören. Vielleicht weil das Sexleben normalerweise nicht mit den eigenen Kindern besprochen wurde?
„Nein, Welpe, heute habe ich dich wegen der Besprechung einer Kopfgeldjagd in Südafrika versetzt. Aber jetzt sind wir fertig und ich habe Zeit für dich."
„Südafrika soll sehr schön sein. Ich habe mal Fotos von der Garden Route gesehen und eine Doku über den Krüger-Nationalpark. Dort gibt es ganz viele tolle Tiere: Elefanten, Löwen, Affen, Warzenschweine ...", begann ich aufzuzählen.
„Wenn du Lust hast, können wir da gerne mal hinfahren. Vielleicht in den Osterferien oder spätestens, wenn du wieder nach Hause gekommen bist", wurde mir von meinem Onkel-Vater versprochen.
„Das würde mir sehr gefallen. In echt ist Südafrika bestimmt noch schöner. Und ich kann echte Elefanten außerhalb eines Käfigs sehen. Wer geht denn auf die Mission?", fragte ich neugierig nach. Hoffentlich würden die Personen, die dorthin reisten, auch ein wenig Zeit haben, die schöne Natur dort zu genießen.
„Burnell, Frédéric und –" Marlon zögerte kurz, weshalb mir eigentlich schon klar war, wer noch genannt werden würde. „– ich", gab mein Onkel-Vater schließlich zögerlich zu.
„Nein!", widersprach ich bestimmt. Ich würde meinen Adoptivvater sicherlich nicht mit seinem Bruder und seinem Cousin losziehen lassen. Wer passte denn dann auf ihn auf? Er sollte brav zu Hause bleiben, mit Yasmine ausgehen und irgendwelche Missionen planen. Egal, ob für den Orden oder für die Familie, aber er sollte in Sicherheit bleiben. Ich konnte doch nicht meine Väter verlieren – nicht schon wieder.
„Patricia, das ist nicht deine Entscheidung."
„Aber in Südafrika kann ich nicht auf dich aufpassen! Du bist da vollkommen schutzlos. Ihr bringt euch beide vollkommen unnötig in Gefahr und ich kann nicht auf euch aufpassen. Das erlaube ich nicht."
„Patricia, es ist nicht deine Aufgabe, auf uns aufzupassen", widersprach mir Marlon. „Wir sind beide Erwachsen, beide gut ausgebildet, wir haben beide einen Krieg überlebt und wir werden auch in diesem Kämpfen. Davon kannst du uns genauso wenig abhalten, wie wir dich davon abhalten können, dich Voldemort anzuschließen. Also bitte, respektiere unsere Entscheidung, so wie wir deine respektiert haben."
„Aber – ich bin stärker und ich –"
„Nein, Patricia. Du musst Marlon und mich wirklich nicht beschützen. Väter beschützen ihre Töchter, nicht andersherum. Das gilt auch, wenn die Tochter die Kriegsnymphe ist", pflichtete Sirius meinem Onkel-Vater dabei.
Das sah ich aber ganz anders. Ich empfand es durchaus als meine Aufgabe, auf meine Liebsten ein Auge zu haben. Ganz besonders, wenn es um irgendwelche Kämpfe ging. Ich war stärker. Ich war mächtiger. Ich musste sie also beschützen.
Außerdem, was sollte aus mir werden, wenn die beiden starben? Was oder noch schlimmer, wer würde aus mir werden? Ich wollte kein Monster werden, welches nur noch Hass und Wut verspürte. Nicht jetzt, wo ich mich langsam an solche Dinge wie Liebe und Zuneigung gewöhnte.
„Patricia, es wird alles gut werden. Sirius und ich passen auf uns auf. Es ist keine besonders gefährliche Mission, die Frédéric, Burnell und ich angenommen haben. In einer Woche bin ich an einem Stück wieder zu Hause und während ich unterwegs bin, werde ich mich trotzdem regelmäßig melden. Einmal täglich, versprochen. Du brauchst keine Angst um Sirius und ich zu haben. Wir halten uns mit Dummheiten zurück. Versprochen."
Den Eindruck hatte ich jetzt gerade aber nicht. Mein Vater redete mit Harry über das verdammte Flohnetzwerk, mein Adoptivvater ging auf eine Kopfgeldjagd, obwohl er einem magischen Lebewesen ohne seine Ausrüstung kaum etwas entgegen zusetzen hatte. Je nachdem, was sie jagten, konnte er es ohne seine magischen Hilfsmittel nicht einmal sehen.
Wenn sie so weitermachten, würde ich bestimmt beide sterben. Aber sie sollten doch leben. Sirius sollte wieder mit seiner Carolin wieder hier auf der Erde wohnen und Marlon sollte seine Zeit mit Yasmine genießen können. Sie sollten mich bis zu meinen frühen Tod unterstützen und danach mit ihren zurückgekehrten Liebsten glücklich sein.
„Ich habe trotzdem Angst um euch, wenn ihr hier per Flohnetzwerk anruft oder auf Kopfgeldjagd geht", klagte ich, während mir tatsächlich eine Träne aus dem Augenwinkel floss.
„Die darfst du haben, kleiner Welpe, aber du musst lernen, mit ihr umzugehen. Es wird alles gut werden", wurde mir von Marlon versichert.
Ich wollte mein übliches unbestimmtes Brummen von mir geben, doch dieses Mal hörte es sich mehr wie ein leises Quieken an.
„Es wird alles gut, Welpe. Alles wird gut. Sirius und ich werden dich nicht verlassen. Das versprechen wir dir hoch und heilig. Du wirst uns immer erreichen können."
Ich gab erneut das leise Quietschen von mir. In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Badezimmer und Blaise kam gut gelaunt heraus. Vermutlich hatte er nicht erwartet, dass ich mich wie ein kleines Häufchen Elend auf seinem Bett zusammengerollt hätte.
„Was ist los, kleine Rose?", fragte mein Freund vorsichtig nach.
„Sirius und Marlon begehen Dummheiten", schluchzte ich, weshalb er sich bei mir aufs Bett setzte. Mir wurde vorsichtig über den Kopf gekrault, was mich dazu veranlasste, meinen Kopf in seinen Schoß zu legen.
„Ist Arienne oder ist Blaise dazugekommen?", fragte mich Sirius vorsichtig.
„Blaise", nuschelte ich als Antwort.
„Was ist mit mir?", kam es verwirrt von meinem Freund.
„Sirius und Marlon sind noch in der Leitung. Sie wollten wissen, wer mich trösten gekommen ist", erklärte ich meine komischen Worte.
„Dann grüße die beiden von mir."
„Ich soll euch von Blaise grüßen", erzählte ich meinen Vätern, was ein leises Lachen auf der anderen Seite der Leitung auslöste.
„Grüß ihn von uns zurück. Sollen wir noch bei euch bleiben oder brauchst du gerade ein wenig Abstand von deinen unvernünftigen Vätern und willst dich erstmal in Ruhe von Blaise trösten lassen, bevor wir weiterreden."
Ich zögerte kurz. Ein Teil von mir wollte genau das. Einfach in Ruhe mit Blaise darüber reden, doch gleichzeitig hatte ich furchtbare Angst davor aufzulegen. Ich wollte mich nicht von ihnen trennen, wenn ich sauer auf sie war. Falls Marlon bei seiner Kopfgeldjagd etwas zustieß und deshalb mein Fluch ausgelöst wurde, wollte nicht sauer auf einen der beiden sein. So hart es auch klang, ich wollte, dass sie mir dann egal waren. Sie alle – die Kriegsnymphenfamilie und auch Kiras Familie – sollten mich unter dem Fluch nicht mehr interessieren, denn das würde bedeuten, dass ich auch nicht mehr unterbewusst sauer auf sie war.
„Bleibt bitte dran", bat ich schließlich kleinlaut.
„Solange du willst, Teeniewelpe. Wir lieben dich über alles. Versprochen", erklärte mein Vater bestimmt.

Hexagramm - LöwenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt