Jetzt wusste ich, wie sich Blaise auf der Verlobungsfeier ungefähr gefühlt haben musste, als er neben seiner Mutter und seinem zukünftigen Stiefvater gestanden hatte, um die Gäste zu begrüßen. Dieses Mal stand ich nämlich zwischen Marlon, Yasmine, Judy McCauley und ihrem Ehemann David – die kanadische Königin und ihr Ehemann waren extra für diesen Abend angereist – und gab brav die Hand, um Gäste zu begrüßen. Langsam kam ich mir blöd dabei vor, jedes Mal wenn jemand neu hereinkam von Yasmine vorgestellt zu werden, brav die Hand zu geben und meine Freude über das Kennenlernen der ganzen Leute mitzuteilen.
Jetzt gerade stand der französische Botschafter vor uns und tauschte mit den Erwachsenen irgendwelche belanglosen Höflichkeiten aus, während ich etwas gelangweilt daneben stand. Antiope saß neben mir, wackelte mit dem Schwanz, während sie sich immer wieder neugierig umsah. Eigentlich würde sie auch viel lieber durch die Menge streifen, um interessante Dinge über die Leute hier herauszufinden.
„Ms Black, wie gefällt ihnen eigentlich Frankreich? Wie ich gehört habe, verbringen sie sehr viel Zeit im Schloss ihrer Adoptivfamilie", wandte sich nun der französische Botschafter an mich.
„In den Ferien bin ich immer wieder dort. Marlons Familie hat mich sehr gut aufgenommen", stellte ich zufrieden fest.
„Wie hätten wir dich auch nicht gut aufnehmen können?", fragte mich Marlon und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe.
Ich ließ diese sowieso nur rhetorische Frage einfach so stehen. Mir vielen sehr viele Gründe ein, warum ich nicht liebevoll in der Kriegsnymphenfamilie aufgenommen werden sollte. Es gab genug Pflegefamilien vorher, die mir gezeigt hatten, was alles an mir falsch war. Sie hatten eine sehr lange Liste mit Gründen, mich nicht zu lieben, zurückgelassen.
Marlon schien zu merken, dass er mit dieser Anmerkung gerade in ein Fettnäpfchen getreten war. Er legte mir einen Arm um die Schulter, zog mich etwas näher an ihn heran, und drückte mir dann einen weiteren Kuss auf die Schläfe. Von denen würde ich gerne noch ein paar Weitere nehmen.
„Ich habe dich lieb, mein kleiner Welpe", wurde mir zugeflüstert.
„Ich dich auch, Marlon", antwortete ich genauso leise.
„Nun, ich bin sicher, Patricia wird ihnen später vielleicht sogar noch zwei weitere Sätze zu ihrem Leben in Frankreich sagen, jedenfalls wenn sie in Redelaune ist", erklärte Yasmine amüsiert dem anderen Botschafter. „Gehen sie doch schon mal herein und genießen sie die Horsd'œuvre."
Ich merkte, wie mein Gesicht ganz heiß wurde. Damit hatte Yasmine ins schwarze getroffen. Ich war oft nicht besonders gesprächig, gerade was Fremde und schon gar nicht, was Politiker anging.
Der französische Botschafter kam tatsächlich der Aufforderung meiner potentiellen Stiefmutter nach. Er nickte uns anderen noch einmal freundlich zu, bevor er sich mit seiner Ehefrau in den nächsten Raum aufmachte, um dort hoffentlich wirklich die Horsd'œuvre zu genießen.
Ein kleiner Teil von mir wollte hinterherlaufen und ebenfalls die leckeren Kleinigkeiten probieren, anstelle dem nächsten wichtigen Gast zu erklären, wie toll es doch war, dass er den Silvesterabend hier verbringen wollte. Ein anderer Teil von mir war aber auch irgendwie sehr stolz darüber, hier bei den vier Erwachsenen zu stehen, denn es zeigte mir, ich war Yasmine wichtig genug, um als Teil ihrer Familie präsentiert zu werden, und wenn ich brav bei ihr blieb, zeigte ich ihr damit, dass sie mir auch wichtig war.
Erneut erschienen die grünen Flammen in dem Kamin der Botschaft und verkündete das Ankommen der nächsten politisch höchst wichtigen Person. Ich sah neugierig dort hin. Wer es wohl nun war? Ein weiterer Botschafter mit seiner Familie? Fudge, der auch mal langsam auftauchen durfte?
Tatsächlich kam ein mir bekanntes Gesicht aus dem Kamin geklettert. Lawrence Bucket. Kaum war er draußen, drehte er sich auch noch einmal um. Erneut erschienen grüne Flammen in dem Kamin, dieses Mal kam allerdings seine Ehefrau herausgeklettert. Er hielt ihr galant die Hand hin, um ihr aus dem Kamin zu helfen. Sie nahm das Angebot nur allzu gern an, ließ sich aus dem Kamin helfen, nur um sich dann bei ihren Ehemann unter zu haken. Zu zweit kamen sie dann auf uns zu.
„Mr und Mrs Bucket, es ist mir eine Freude, dass sie unserer Einladung trotz des weiten Weges gefolgt sind", begrüßte Judy die Neuankömmlinge auch schon in ihrem förmlichen Ton.
„Der Einladung einer Königin folgt man überall hin", kam die charmant gemeinte Antwort des Politikers, bevor er sich an Marlon wandte. „Es ist schön, zu sehen, dass du wohlauf bist. Mir ist zu Ohren gekommen, dass du schwer verletzt wurdest."
„Zum Glück fügt Magie nicht nur schnell Wunden zu, sondern kann sie auch wieder schnell heilen", stellte mein Onkel fest. „Wie geht es Finnlay?"
„Er wurde bisher noch nicht schwer verletzt. Eigentlich hatte ich ihn heute mitnehmen wollen, aber er hat einen Abend mit Freunden vorgezogen. Ich weiß nur nicht, ob er Angst hatte, Azura würde diesen Abend in eine Trainingsstunde verwandeln oder, ob es daran liegt, dass Politik nur heiße Luft ist", berichtete uns Lawrence Bucket fröhlich, auch wenn man trotzdem etwas Sorge in seiner Stimme hören konnte.
Marlon machte den Mund auf, um darauf etwas zu erwidern, doch er wurde von dem erneuten Zischen der grünen Flammen unterbrochen. Erneut kam ein mir bekanntes Gesicht zum Vorschein. Cornelius Fudge, der englische Zauberminister. Er trug mal wieder seinen Nadelstreifenumhang, der sich etwas über seinen untersetzten Körper spannte, und seine leuchtend grüne Melone. Ein breites falsches Politikerlächeln zierte sein Gesicht. Als er allerdings Marlon und mich bei Yasmine entdeckte, gefror ihm das Lächeln. Das gleiche passierte auch als Umbridge – wie immer in Pink und mit Fliege auf dem Kopf ausgestattet – aus dem Kamin stieg. Jetzt war wohl beiden klar geworden, sie waren schon vor langer Zeit Schachmatt gesetzt worden, ohne dass sie es gemerkt hatten.
Ganz automatisch sah ich zu Yasmine und Judy herüber, doch keiner von beiden schien auf die Anwesenheit von Marlon und mir eingehen zu wollen. Stattdessen ging die Königin auf die Neuankömmlinge zu, um auch sie zu begrüßen und ihnen mitzuteilen, wie sehr es sie doch freute, dass die beiden gekommen waren.
„Mr Allaire und seine Tochter kennen sie beide natürlich schon", stellte Judy nach der Begrüßung fest und zeigte auf uns beide. Dieses Mal sah ich fragend zu Marlon. War gerade eine Reaktion von unserer Seite aus angemessen?
„Natürlich, wir hatten nur nicht damit gerechnet, sie hier anzutreffen", kam die ziemlich kühle Antwort von Fudge.
„Wir hielten es für an der Zeit, die Beziehung zwischen Marlon und mir offiziell zu machen", stellte Yasmine in einem so übertrieben freundlichen Ton fest, dass es Umbridge Konkurrenz machen könnte.
„Beziehung?", kam es mit belustigten Unterton von Umbridge.
„Sollten sie auch mal ausprobieren", murrte ich leise. Dem säuerlichen Blick der Großinquisitorin und das schiefe Grinsen von den Kanadiern, Marlon, Lawrence Bucket und seiner Frau nach zu urteilen allerdings nicht leise genug.
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Hexagramm - Löwenmut
Fiksi PenggemarDreizehn Nymphen auf der Erde, zwölf in der Zwischenwelt, drei Prophezeiungen über sie. Der dunkle Lord ist wiedergekehrt. Diese Nachricht hängt wie ein Damokles-Schwert über Patricia. Noch immer nagt an ihr, dass der dunkle Lord glaubt, sie würde s...