In Hogwarts war die Weihnachtsstimmung eingezogen. Mittlerweile hing überall die Weihnachtsdeko, gefühlt an jeder zweiten Ecke musste man einem Mistelzweig ausweichen und auf dem Gelände waren überall Schneemänner zu finden. Wann immer man durch die Gänge lief, das Thema waren oft die letzten Weihnachtsgeschenke, die noch gekauft werden müssen, die Freude auf die Feiertage und die Frage, was die Schüler in den Ferien machen wollten.
Es war eigentlich auch kein Wunder. In genau zwei Wochen war der erste Weihnachtstag, in dreizehn Tagen würde ich mit den Franzosen und Sirius feiern. Ein weiteres mehr oder weniger gemütliches Weihnachtsfest ein Tag zu früh mit mehr Speisen, als irgendjemand essen konnte.
Eine weitere Sache, die mich sehr glücklich in Hinblick auf Weihnachten machte, war die Tatsache, dass ich Harry und Ron zwei Wochen nicht sehen müsste. Der Weasley wäre im Fuchsbau, mein Fast-Bruder blieb in Hogwarts und ich hätte Sirius ganz für mich alleine. Auch wenn es ein wenig gemein gegenüber Harry war, freute ich mich sehr darüber. Da der Gryffindor noch immer auf mich wütend war, hielt sich mein schlechtes Gewissen, dass er nicht mit Sirius feiern konnte und ich mich darüber freute, ziemlich in Grenzen.
Noch viel schöner als meine beiden Väter für mich alleine zu haben, war die Tatsache, dass ich während der Ferien keinen Unterricht in Verteidigung gegen die dunklen Künste absitzen musste. Auch wenn es mit Antiope unter meinem Tisch wesentlich erträglicher war, jede Stunde war sehr eintönig. Wir kamen herein, mussten die Lehrerin begrüßen, unsere Bücher aufschlagen und ein Kapitel lesen. Wirklich langweilig, eintönig und Zeitverschwendung.
Auch jetzt saßen wir in einer dieser langweiligen, trockenen Stunden. Nicht einmal meine Musik, die ich über einen meiner Kopfhörer hörte, konnte die ganze Veranstaltung interessant machen.
Antiope saß zwischen Blaise und mir auf dem Boden, hatte ihren Kopf auf mein Bein gelegt und ließ während des Lesens von mir kraulen. Auch die Hand meines Freundes wanderte immer mal wieder zu dem braunen Wuschelkopf meines Haustieres, strichen liebevoll durch das Fell oder suchte nach der meinen. Ich mochte es, wenn wir beide den Kopf meines Hundes streichelten und uns dann zufällig dabei berührten. Es ließ immer ein wunderschönes Kribbeln in mir entstehen.
In diesem Moment berührte Blaises beiläufig meine Hand. Nur ganz kurz während er Antiope über den Kopf streichelte. Das wunderschöne Kribbeln blieb zurück und ein kleines Lächeln erschien auf meinem Gesicht. Ich war wirklich sehr in Blaises verliebt.
Beim nächsten Mal griff er nach meiner Hand. Mir wurde vorsichtig mit dem Daumen über den Handrücken gestrichen, was erneut dieses leichte Kribbeln hinterließ. Jetzt sah ich doch mal zu meinem Freund herüber, welcher auch einen kurzen Blick zu mir wagte, bevor er sich wieder seinem Exemplar von Theorie magischer Verteidigung zuwandte. Sein Daumen strich ab noch immer über meine Hand.
Die Alarmglocken in meinem Kopf fingen an zu schrillen. Irgendwo war Gefahr, irgendwer war in Gefahr. Erschrocken zog ich meine Hand weg und knallte dabei gegen die Tischplatte, weshalb mein Tintenfass herunterfiel. Es zerbrach auf dem Fußboden und eine blaue Pfütze erschien.
Nun hatte ich die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse, was ich allerdings ignorierte. Stattdessen sah ich mich um, doch nirgendwo war eine Gefahr zu erkennen. Sie galt wohl auch nicht mir, ansonsten würde ich wie sonst instinktiv in die Richtung sehen. Doch ich erkannte auch nichts, was eine andere Nymphe hier im Raum gefährden würde? Galt die Gefahr einer Nymphe weiter weg? Ging es um Sirius? Oder Marlon?
„Chrm, Chrm", war das künstliche Husten von Umbridge zu hören, weshalb die Klasse sich schnell wieder dem Lesestoff auf dem Tisch vor sich zuwandte. Na ja, fast die ganze Klasse. Blaise und Sue sahen noch immer misstrauisch zu mir, während meine Instinkte noch immer laut vor einer Gefahr warnten.
Ich ließ noch ein paar Sekunden meinen Blick durch den Klassenraum schweifen, doch noch immer war keine Gefahr zu sehen. Also betraf es jemanden außerhalb. Doch wer und warum? Was war Schreckliches passiert, dass ich es hier in Hogwarts spüren konnte? Hatte Sirius den Grimmauldplatz verlassen? Oder war Marlon auf einer Jagd? Aber davor erzählte er mir immer. Hatte der dunkle Lord die Kriegsnymphenfamilie angegriffen? Aber war er stark genug dafür? Vermutlich nicht. Oder hatte er Tasha gefunden? Meine arme, kleine, wehrlose Schwester?
Mein Herz verkrampfte sich schmerzhaft, während ich immer unruhiger wurde. Noch immer warnten mich meine Instinkte vor Gefahr. Ich wollte einfach nur noch aus diesem Klassenraum raus, um herauszufinden, was gerade Schreckliches passieren, um irgendwie einzugreifen. Wenn es dafür nicht schon zu spät war.
Ich sprang von meinem Stuhl auf. Dieser fiel laut klappernd zu Boden, weshalb die Aufmerksamkeit der Leute wieder auf mir lag. Antiope sah mir empört nach, während ich zur Tür rannte.
„Ms Black, wo wollen sie hin?", rief mir Professor Umbridge hinterher.
Ich reagierte gar nicht darauf. Sollte die Großinquisitorin doch schreien, so viel sie wollte. Es gab Wichtigeres, ich musste herausfinden, was los war.
Ich rannte noch ein paar Meter weiter, um Sicherheitsabstand zwischen das Klassenzimmer und mich zu bringen. Zum Glück war nicht weit entfernt ein Geheimgang, den Umbridge sicherlich nicht kannte. Ich betrat ihn, ließ mich an der Wand herunterrutschen, dann aktivierte ich mein Armband. Ausnahmsweise rief ich nicht nur meine beiden Väter an, sondern alle, die ebenfalls eines bei sich trugen.
Sirius war der Erste, der heranging.
„Müsstest du nicht gerade in Verteidigung gegen die dunklen Künste sitzen, Welpe?", wurde ich amüsiert gefragt.
„Irgendwas stimmt nicht", stellte ich mit gequälter Stimme fest. Zwar schrien meine Instinkte selbst nicht mehr Gefahr, doch das Gefühl halte noch dumpf nach.
„Was ist los Welpe?", wurde ich besorgt gefragt.
Ich wollte gerade antworten, doch dann ging der Geheimgang auf. Ich zuckte leicht zusammen, doch es kam niemand Gefährliches herein. Antiope stürzte sich auf mich, leckte mir übers Gesicht und stupste mir mit ihrer Nase gegen meine. Susanne folgte ihr sichtlich besorgt.
„Umbridge tobt, weil du weggelaufen bist und du versuchst mich über mein Armband", stellte meine Cousine fest.
„Ich rufe alle an. Irgendetwas ist passiert", erzählte ich mich belegter Stimme.
„Ist jemand bei dir, Welpe?", fragte in diesem Moment mein Vater.
„Sue ist mir gefolgt", berichtete ich.
Meine Cousine ließ sich neben mich auf dem Boden nieder. Sie legte mir tröstend einen Arm um die Schulter, bevor sie sich selbst in das Gespräch einklinkte. Gerade rechtzeitig, um Arienne zu hören, die ziemlich verwirrt fragte, ob ich nicht eigentlich im Unterricht sein sollte. Eine Frage, die ich hoffentlich gleich noch zweimal beantworten würde.
„Wir kommen immer nur bis zu den Worten, dass etwas nicht in Ordnung ist", erklärte Sirius offensichtlich besorgt und gleichzeitig auch ungeduldig und genervt, weil er keine Antwort von mir bekam.
„Irgendjemand ist in Gefahr", brachte ich heraus.
„Deine Instinkte, chiot?", wurde ich besorgt von Arienne gefragt. Ich nickte leicht, was die anderen natürlich nicht sehen konnten.
„Sie bestätigt es."
„Warum gehen Roux und Marlon nicht ran?", wimmerte ich. Ganz automatisch zog ich meine Beine an mich heran und umschlang sie mit den Armen.
„Roux sitzt gerade im Unterricht, chiot. Soll ich sie herausholen?"
Ich wusste genau, eigentlich sollte ich jetzt nein sagen. Roux stand gerade bei Professor Sprout in einem Gewächshaus. Auch wenn ich der dicklichen Lehrerin nicht als eine der sehr guten Duellanten von Hogwarts einschätzen würde, ich war mir sehr sicher, wenn irgendetwas dort vorgefallen wäre, würde sie Mittel und Wege kennen, die anderen Lehrer zu Hilfe zu rufen. Und Roux hätte wahrscheinlich ebenfalls versucht, uns zu kontaktieren, wenn die Vierzehnjährige nicht einfach selbst alle Angreifer niedergemetzelt hätte.
Auch wenn meine jüngere Cousine wirklich nicht so kämpferisch wie Sue und ich unterwegs war, im Notfall wusste sie genau, wie man einen Angreifer erledigte. Wäre sie also in Gefahr, hätte man das in Hogwarts wohl schon längst mitgekriegt. Trotzdem wollte ich sichergehen.
„Bitte, geh zu ihr", wies ich Arienne mit noch immer belegter Stimme an.
Sue begann sichtlich überfordert meine Schulter zu tätscheln, was ich nur mit einem leisen Wimmern quittierte. Ich konnte doch nicht schon wieder jemanden verlieren. Ich hatte doch gerade erst eine Familie gekriegt und musste sie bald schon wieder verlassen, da konnte man mir nicht jemanden daraus nehmen.
„Weiß jemand etwas von Marlon?", fragte ich verängstigt. Dass er sich noch immer nicht gemeldet hat, war wirklich nicht normal für ihn. Meistens war er sehr schnell für mich verfügbar.
„Er ist in Texas, Welpe", erzählte mir Sirius. „Wir haben neue Hinweise auf Natasha gefunden und er wollte ihnen nachgehen."
Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Er war nicht in Sicherheit, sondern in Texas. Auf der Suche nach meiner kleinen Schwester. Er war nur in Gefahr, weil ich meine Natasha so sehr vermisste.
„Keine Sorge, er ist nicht alleine aufgebrochen. Ihm geht es bestimmt gut. Ich appariere nach Frankreich und schaue nach, ob dort jemand etwas von ihm gehört hat. In fünf Minuten wissen wir mehr."
Eine Zeitlang war alles ruhig, dann meldete sich wieder Arienne zu Wort: „Roux ist putzmunter."
Eigentlich sollte diese Nachricht mich beruhigen. Eine weitere Person, die ich sehr gern hatte und nicht in Gefahr war. Doch tatsächlich bewirkte sie genau das Gegenteil. Mit jeder Person, die wir ausschlossen, war die Wahrscheinlichkeit höher, dass es wirklich Marlon war. Was wohl aus mit werden würde, wenn mein Adoptivvater sterben würde? Die Engländer würden mich zurückverlangen. Die Kanadier würden das vermutlich ablehnen, aber erstmal gäbe es ein diplomatisches Tauziehen um mich.
„Welpe, es war Marlon", hörte ich in diesem Moment Sirius sagen, weshalb ich das Gefühl hatte, jemand würde seine Hand in meiner Brust versenken und versuchen mein Herz herauszureißen. „Es ist schon ein Brief nach Hogwarts unterwegs, damit Dumbledore euch nach Hause schickt. Er wird dort jeden Moment eintreffen. Bitte, geht zu Professor McGonagalls Büro, damit euch gleich niemand suchen muss."
„Wir sind schon unterwegs", erklärte Sue erstaunlich gefasst. Man hörte ihr nicht an, dass sie gerade die Nachricht erhalten hatte, ihr Onkel hätte in furchtbarer Gefahr geschwebt. Bisher war auch noch nie ein Kind mitten im Schuljahr für ein paar Tage nach Hause geholt worden. Wenn unsere Familie das machen wollte, hatte Marlon sicherlich nicht nur ein paar Kratzer abgekriegt.
„Patricia, na komm." Meine Cousine stand mittlerweile vor mir und hielt mir auffordernd ihre Hand hin. Zögerlich griff ich danach. Es gab nur einen Ort, wo ich Antworten auf all meine Fragen bekam und der war leider nicht hier.
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Hexagramm - Löwenmut
FanfictionDreizehn Nymphen auf der Erde, zwölf in der Zwischenwelt, drei Prophezeiungen über sie. Der dunkle Lord ist wiedergekehrt. Diese Nachricht hängt wie ein Damokles-Schwert über Patricia. Noch immer nagt an ihr, dass der dunkle Lord glaubt, sie würde s...