Kapitel 37

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Mit einem Messer zerschnitt ich das ganze Gemüse, welches ich später für unser Mittagessen brauchen würde. Die anderen Bewohner des Hauses lagen noch allesamt in ihren Betten und schliefen hoffentlich. Jedenfalls ging mir bisher niemanden von ihnen auf die Nerven.
Balu hatte sich nach einem ausgedehnten Spaziergang und einem langen Ballspiel mit Antiope und mir auf die Hundedecke zurückgezogen. Meinem Hund hatte es anfangs nicht ganz so gepasst, dass ihr Bruder jetzt lieber ein ausgedehntes Vormittagsschläfchen halten wollte. Sie stupste ihn an, forderte ihn zum Spielen auf, doch als sie keine gewünschte Reaktion bekam, genügte sie sich damit, mir beim Kochen zu zuschauen.
Ich hörte, wie die neue Haustür aufgeschlossen wurde. Kurz darauf hörte man auch schon das leise Kichern von Kian und Louie. Offenbar bekamen wir mal wieder Besuch von Remus und Jeans Kindern.
Antiope sprang glücklich auf und preschte auch schon in Richtung Haustür, um die neuen Gäste mit fröhlichem Bellen zu begrüßen. Balu öffnete wieder seine Augen. Er sah neugierig zur Küchentür, wahrscheinlich um herauszufinden, ob die beiden Kinder ihn für eine Begrüßungsstreicheleinheit finden würden, oder ob er wie seine aufgedrehte Schwester in den Flur gehen musste.
Ich legte mein Messer bei Seite und lief in den Flur, wo tatsächlich die beiden Kinder gerade meinen Hund begrüßten. Remus war dabei ihnen Jacken, Schuhe, Handschuhe und Mützen abzunehmen. Gar nicht so einfach, da sie eigentlich mit Antiope spielen wollte.
„Guten Morgen", begrüßte ich die drei Besucher.
„Patricia, nicht so laut im Flur", wurde ich erinnert.
„Können wir ab jetzt. Das Grandmonster hat keinen Mund mehr", stellte ich fest und zeigte auf das Bild, in welchem noch immer meine Axt steckte. Das Grandmonster fuchtelte wild mit den Händen, doch kein Ton kam mehr von ihr.
„Dein oder Sirius Werk?", wurde ich belustigt gefragt.
„Meins", erklärte ich mit Unschuldsmiene.
„Zumindest ist hier jetzt Ruhe."
Endlich hatte es Remus geschafft, Louie den letzten Handschuh abzunehmen, weshalb die beiden Brüder auch schon in Richtung Küche abhauten, wahrscheinlich weil sie sich denken konnten, dass dort Balu lag. Remus sah noch kurz den kleinen Kindern nach, bevor er sich an mich wandte.
„Ich habe das mit Mr. Weasley gehört. Ist seine Familie hier?", wurde ich leise gefragt. Sofort verschlechterte sich meine Laune wieder etwas.
„Sie schlafen. Sirius hat sie gebeten, zu bleiben", grummelte ich.
„Und das findest du gerade blöd?", wurde ich vorsichtig gefragt.
Ich gab ein leises Seufzen von mir, während ich noch einmal vorsichtig zur Küchentür sah. Die beiden Kleinen mussten von diesem Gespräch wirklich nichts mitkriegen.
„Ich fand es schön, wirklich mal mit meinem Vater wie eine richtige Familie zusammenzuwohnen. Außerdem hat mich gestern schon wieder Fred angefahren, weil sie nicht ins St. Mungo durften. Ich habe keine Lust, Besuch hier zu haben, der mich nicht mag."
Remus schenkte mir mal wieder dieses liebevolle, beruhigende Lächeln, welches er immer aufsetzte, wenn er mir danach einen guten Rat geben wollte. Meistens half er mir aber auch wirklich weiter.
„Sprich dich heute Abend mal in Ruhe mit Fred aus, wenn er im St. Mungo gewesen war. Du bist auch ein wenig durch den Wind, weil es Marlon nicht gut geht. Ihr kriegt das bestimmt hin, sodass die Zeit hier schön wird", wurde mir versichert.
Ich seufzte leise. Ich sollte das doch gar nicht wieder hinkriegen. Unterm Strich würde diese Freundschaft doch eh enden. Von den hier in diesem Haus anwesenden Personen würden nur zwei an meinem Grab um mich trauern: Fred und Sirius. Warum also etwas dafür tun, dass es sich zwischen mir und den Weasleys wieder einrenkt?
„Patricia, ich weiß, du wirst gehen, aber über die Weihnachtsferien müsst ihr nun einmal miteinander klarkommen. Also mache diesen Schritt auf sie zu, redet euch aus, damit ihr die letzte Zeit ohne großen Streit miteinander verbringen könnt."
„Sie hacken ständig auf mir herum, weil ihnen meine Freunde nicht passen. Das wird auch nicht aufhören", murrte ich.
„Versuch es wenigstens, Patricia. Zwei Wochen Frieden, das werdet ihr wohl schaffen", wurde ich ermutigt.
Ich gab leise seufzend nach. Dann würde ich halt später mit Fred reden, damit alle anderen ruhige Weihnachten feiern konnten. Aber wehe jemand würde mich dazu zwingen wollen, am 25. Dezember mit unterm Weihnachtsbaum zu sitzen, Geschenke auszutauschen oder noch schlimmer gute Laune zu haben.
„Patricia! Patricia! Können wir die Kerngehäuse von der Paprika an die Meerschweinchen verfüttern?", hörte man in diesem Moment Kian aus der Küche rufen.
„Ja! Meerschweinchen füttern!", kam auch gleich noch von Louie hinterher.
„Ich gebe euch gleich etwas", rief ich den kleinen Kindern zu.
„Ich glaube, wir sollten sie mit den Meerschweinchen ablenken, bevor wir weiterreden", stellte Remus belustigt fest. Mit dieser Idee hatte er allerdings wohl nicht allzu unrecht. Wenn die beiden eine Etage höher damit beschäftigt waren, die Bande Nager zu zähmen, konnten wir hier unten in Ruhe reden.
Mein ehemaliger Lehrer schob mich wieder in die Küche herein, wo die beiden Kinder noch immer damit beschäftigt waren, Balu mit einer ausgedehnten Streicheleinheit zu verwöhnen. Der faule Hund genoss es auch ganz offensichtlich, in seinem Körbchen zu liegen und durchgekuschelt zu werden.
Ich lief zurück zu dem Schneidebrettchen und dem Messer, welches noch immer auf der Arbeitsplatte lag. Weit weg vom Rand, damit die kleinen Kinder auf keinen Fall herankamen. Ich wollte keinen Ärger mit Jean, weil einer der beiden Jungen sich mit meinen Messern verletzt hat.
Anstelle allerdings weiter zu schneiden, holte ich eine weitere Schüssel heraus. In diese füllte ich all den Müll vom Schneiden. Kerngehäuse von der Paprika, Möhrengrün und ein paar Süßkartoffelschalen landeten in der Schüssel. Als Nächstes lief ich zum Kühlschrank, wo für den Nachtisch schon ein paar Erdbeeren drin standen. Ich begann das Grün davon zu entfernen und ebenfalls in die Schüssel zu füllen.
Remus stellte sich zu mir an die Arbeitsplatte und sah mir wortlos bei meiner Schnippelarbeit zu. Kurz zog er fragend eine Augenbraue – er wollte wissen, ob er mir helfen soll – aber ich schüttelte den Kopf. Ich wollte keine Hilfe, sondern ganz in Ruhe weiter vor mich hin schnippeln.
Schließlich war an allen Erdbeeren das Grün entfernt. Damit war alles, was vom heutigen Mittagessen an die Meerschweinchen verfüttert werden sollte, in der Schüssel.
„Ihr könnt jetzt die Meerschweinchen füttern gehen. Seid bitte nicht zu laut im Salon, auf der Etage schlafen ein paar Leute", fügte ich noch hinzu.
„Wir sind ganz leise", versprach mir Kian, bevor er sich die Schüssel schnappte. „Kommt ihr?", fügte er dann noch an die beiden Hunde und seinen kleinen Bruder hinzu. Darum ließen sich Antiope und Louie nicht zweimal bitten. Sie liefen voran in den Flur und nun schien Kian mit der Schüssel voller Futter kaum hinterherzukommen. Nur Balu stand ganz gemächlich von seinem Platz auf, gähnte einmal ausgiebig und streckte sich, bevor er sich ganz langsam auf den Weg nach oben machte.
„Du wirst schon sehen. Das volle Haus ist gar nicht so schlimm, wie du gerade denkst, sobald du dich mit Fred ausgesprochen hast", stellte Remus fest, nachdem wir oben die Salontür haben schließen hören.
„Ich mag nicht mit den Weasleys Weihnachten feiern. Sie wollen bestimmt richtige englische Weihnachten und ich – ich will mit Sirius dem Tag in seinem Bett verbringen. Ich mag nicht feiern, schon gar nicht dieses Jahr. Auch nicht in Frankreich. Nicht ohne Marlon."
„Noch steht nicht fest, dass es ohne Marlon ist", wurde ich getröstet. „Er kann noch immer rechtzeitig erwachen. Und wenn er es nicht tut, wäre es das Letzte, was er wollen würde. Genauso wenig wie Natasha es wollen würde, dass du wegen ihr nicht Weihnachten feierst."
„Du weißt doch gar nicht, was Tasha wollen würde", erwiderte ich.
„Eine gute kleine Schwester will, dass ihre große Schwester Weihnachten feiert. Aber wenn du dazu keine Lust hast, und es dir hier zu laut und zu bunt ist, gibt es bei uns noch immer einen warmen Pferdestall mit einem Heuboden, auf dem du dich verkriechen kannst. Ich verspreche dir auch, wir werden nichts weiter machen, als dir Essen vorbeibringen, bis wir den 26. Dezember haben."
Ich nickte dankbar. Das hörte sich doch schon wesentlich mehr nach einem Weihnachten für mich an. Sirius konnte hier mit Harry und den Weasleys auf heile Welt machen, ich konnte mich irgendwo verkriechen, bis deser schreckliche Tag vorbei war. Das nannte man dann wohl eine Win-win-Situation.

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