Kapitel 36

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Durch die Fenster meines Zimmers konnte man den Nachthimmel draußen sehen. Meine Nachttischlampe verbreitete ein schwaches Licht im Raum. Nicht so hell, dass es mich blendete, als ich die Augen langsam aufschlug.
Sirius saß auf meiner Bettkante und den dicken Augenringen nach zu urteilen, hatte er schon etwas länger nicht mehr geschlafen. Auch der drei Tage Bart sprach definitiv für viel Stress die letzten Tage. Ein besorgtes Lächeln umspielte seine Lippen.
„Du bist wieder wach, Welpe", stellte er unnötigerweise fest.
„Tut mir leid, dass ich nicht vorher den Schlaftrank genommen habe", murmelte ich, während Sirius einfach abwinkte.
„Du wolltest ihn wenigstens nehmen. Wie fühlst du dich?"
„Noch ein wenig erschöpft", gab ich unsicher zu. Eigentlich hatte ich nicht das Gefühl, so einfach könnten wir meinen Zusammenbruch aus der Welt schaffen.
„Dann Ruhe dich ein wenig aus. Morgen früh kommst du mit mir in den Grimmauldplatz. Ich will, dass du ein wenig Abstand zu Marlon und allen kriegst."
Ich sah Sirius überrascht an. Damit hatte ich jetzt wirklich nicht gerechnet. Ich durfte zu ihm in den Grimmauldplatz ziehen? Und das, obwohl der nicht renoviert oder sonst was war?
„Ich muss mit dir noch über etwas reden. Dein Zeichenblock ist aus deiner Tasche gerutscht und dabei habe ich deine Renovierungspläne für den Grimmauldplatz gefunden. Zusammen mit dem Kostenvoranschlag, welchen du erstellt hast."
Ich merkte, wie ich rot anlief. Bisher hatte ich Sirius noch nichts von meinen ziemlich teuren Ideen erzählt, die ihn hoffentlich beschäftigen würden. Nur meine Idee, er könnte bei der Planung der Missionen in der Kriegsnymphenfamilie helfen, hatte ich angesprochen und tatsächlich war das aktuell eine Beschäftigung von ihm.
„Ich dachte, da du gerne mit mir am Motorrad herumschraubst, hast du Spaß daran, das Haus zu renovieren, und wenn es renoviert ist, darf ich bei dir wohnen. Ich wollte es aber erst vorschlagen, wenn ich weiß, wie viel es kostet, weil ich weiß, du verdienst momentan kein Geld und willst deshalb sparen. Ich bin mir aber sehr sicher, du kannst das Haus nach deinem Freispruch besser verkaufen, wenn es nicht mehr so gammelig aussieht", berichtete ich meinem Vater etwas kleinlaut von der Idee.
„Es ist nett, dass du dir Gedanken darüber machst, wie du mich aufmuntern kannst. Morgen gucken wir uns deine Renovierungspläne mal genauer an, dann überlege ich, ob wir das Geld dafür haben. Jetzt schlafe noch ein wenig, damit du schnell wieder auf den Beinen bist."
Mir wurde ein Kuss auf die Stirn gedrückt, bevor mein Vater von seinem Platz aufstand. Ganz automatisch krallte ich meine Hand in seinen Arm. Ich wollte nicht alleine hier übernachten. Jetzt, wo Marlon schwer verletzt war, war definitiv nicht die Zeit, um endlich damit anzufangen, alleine zu schlafen.
„Ich will nicht alleine sein", stellte ich fest.
„Ich komme gleich wieder. Ich sage nur eben den anderen Bescheid, dass du wieder auf den Beinen bist", wurde mir versprochen.
Ich atmete erleichtert auf. Das hörte sich doch nach einem Plan an, der in meinem Interesse lag. Sirius würde gleich wieder zu mir kommen und seinen Augenringen nach zu urteilen, zu mir ins Bett kommen.

Neugierig sah ich dabei zu, wie Sirius meine Unterlagen über die Renovierung des Grimmauldplatzes besah. Die Skizze über die Räume, die Kosten für das Austauschen der Fenster und Türen, das Streichen der Fassade, neue Böden, neue Tapeten und die neuen Möbel. Eine nicht gerade geringe Summe, die ich bisher ausgerechnet hatte, und dabei war sie nicht einmal endgültig.
Ich hatte mit Durchschnittspreisen gerechnet. Je nachdem, was mein Vater haben wollte, könnten die Preise also noch ziemlich von meiner Rechnung abweichen. Sowohl im positiven Sinne als auch im negativen Sinne.
Bisher konnte ich noch nicht sagen, ob Sirius nun meinen Plan für die Renovierung als gut oder schlecht empfand. Stattdessen blätterte er immer wieder hin und her. Mal zu meinem Kostenvoranschlag, dann zu meiner Überlegung, wie man die Räume besser aufteilen konnte, dann sah er sich kurz nachdenklich in der Küche des Gemäuers um, nur um dann zu der Liste mit Zaubern zu blättern, die dabei helfen sollte, Muggelgeräte in dem magischen Haus nutzbar zu machen.
„Und?", fragte ich unsicher nach einer gefühlten Ewigkeit. Ich hatte mir fest vorgenommen, wenn Sirius ja zu dem Umbau des Hauses sagte, würde ich auch das Thema weitere Haustiere ansprechen. Vielleicht bekam ich ja wirklich eine Horde Meerschweinchen oder Katzen. Oder wir kauften uns gleich einfach beides. Oh, und Eulen wären auch cool.
„Ich denke, ich lasse mich darauf ein. Du hast Recht, ich brauche hier wirklich mehr Beschäftigung und wenn es hier anders aussehen würde, wäre mir wohler dabei, wenn du hier wärst."
„Und es würde hier wahrscheinlich besser riechen, wenn wir mal wirklich alle Fenster aufreißen können", fügte ich noch hinzu.
„Ja, das würde auch helfen. Da ich jetzt bei Marlon und seiner Familie mithelfe, verdiene ich doch etwas Geld, dann kriegen wir das finaziell auch hin."
„Wir können alte Möbel hohlen und sie neu aufmotzen. Oder wir bauen welche selber. Vielleicht finden wir hier auch noch ein paar nützliche Dinge im Haus. Also wenn du nicht alles kaputtschlagen willst."
„Wir werden hier alles kaputt schlagen und als Feuerholz entsorgen. Aber von woanders können wir gerne gebrauchte Möbel besorgen", wurde mir mitgeteilt.
Das hatte ich mir eigentlich schon gedacht. Mich hätte es sehr gewundert, wenn Sirius irgendetwas behalten wollen würde. Er sah schon immer alles so an, als überlege er, alles in Stücke zu hauen. Es jetzt wirklich zu machen, würde ihm bestimmt helfen, alles zu verarbeiten.
„Und was hältst du von tierischer Gesellschaft?", fragte ich ganz vorsichtig nach.
Sirius fing an zu lachen. Mal wieder dieses unbeschwerte fröhliche Lachen, welches ich so gerne hörte.
„Du willst also mehr Haustiere haben", stellte mein Vater belustigt fest.
Ich merkte, wie ich rot anlief. Ja, ich wollte mehr Tiere haben, auch wenn ich genau wusste, eigentlich hatte ich gar nicht genug Zeit für sie. Die meiste Zeit des Jahres war ich schließlich im Internat, aber in den Ferien würde ich mich sehr liebevoll um sie kümmern.
Außerdem war das Argument nicht von der Hand zu weisen, dass Sirius dadurch ein wenig mehr Beschäftigung hätte. Auch wenn das aus meiner Sicht beste Haustier für meinen Vater – einen Hund – nicht möglich war. Aber Meerschweinchen, waren definitiv eine Möglichkeit.
„Ich denke aber auch, sie wären eine schöne Beschäftigung für dich. Es ist also keine komplett egoistische Idee. Nur ein wenig, egoistisch."
„Und wäre sie komplett egoistisch, ich würde darüber nachdenken, dir deinen Wunsch zu erfüllen. Welches Haustier findest du denn passend für unsere kleine Familie."
Das erste Mal seitdem Marlon von Natasha verletzt worden war, schlich sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Es würde neue Tiere in meiner Familie geben. Vielleicht ja wirklich Meerschweinchen.
„Ich habe ganz viele Ideen. Also am besten fände ich ja einen zweiten Hund, aber den muss jemand ausführen, deshalb schließe ich den aus. Ich habe auch über Katzen nachgedacht, aber die sind wahrscheinlich zu selbstständig. Daher habe ich an Kleintiere gedacht. Am liebsten hätte ich Meerschweinchen. Eine riesige Rasselbande von ihnen in einen selbstgebauten Stall."
„Was sind Meerschweinchen?", wurde ich verwundert gefragt.
„Das sind kleine Tiere. Sie quietschen so lustig wie Grillkäse und mögen alles am Gemüse, was Menschen nicht essen wollen. Zum Beispiel das Kerngehäuse von einer Paprika. Sie sind sehr pflegeleicht, aber lustig anzusehen. Man kann sie kraulen und lieb haben."
„Ich bespreche mich heute Nacht mal mit Carolin, welches Tier sie uns empfehlen würde. Mit einem zweiten Hund könnte ich allerdings am Schloss spazieren gehen. Dort bin ich sicher."
„Aber wirklich nur am Schloss!", rief ich besorgt. Nicht, dass am Ende mein Vater doch noch durch die Straßen Londons lief.
„Patricia, Marlon und ich passen auf uns auf. Ich bewege mich nur an sicheren Orten. Ich weiß, du hast Angst um uns, aber es wird alles gut. Lass dich von der Angst nicht leiten, in Ordnung? Und vergiss nicht, auch auf dich selbst aufzupassen."
Mir wurde ein Kuss auf die Stirn gedrückt. Ich kuschelte mich an Sirius Brust. Ich würde auf mich aufpassen, auch wenn es wohl nichts bringen würde. Aber bis zu meinem achtzehnten Geburtstag wollte ich niemanden hier Sorge bereiten.

Hexagramm - LöwenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt