Kapitel 30

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Der Oktober wurde wortwörtlich an mir vorbeigeblasen. Fast immer heulten Winde über die Ländereien und ein peitschender Regen donnerte auf das Schloss herab. Wegen des ersten Quidditch-Spiels der Saison Anfang November reservierte Snape für meine Mannschaft so oft das Feld, dass die anderen drei eigentlich nie drauf konnten. Dem entsprechend viel stand ich dafür dort und bereute ein wenig meine Entscheidung, mich auf eine Mannschaftssportart eingelassen zu haben.
Quidditch machte Spaß, ohne Frage. Ich liebte diese Sportart, aber das tägliche Training war mir doch irgendwie zu viel Gruppenzeit und zu wenig Zeit für mich alleine. Vor allem, weil es natürlich nicht mit dem Training getan war. Zusätzlich hatte ich schließlich noch die DA und das Training von Adina und Jamie an der Backe.
Für de DA hatte ich mit Hermine in den letzten Tagen auch noch Fake-Galleonen hergestellt, auf denen anstelle von der Seriennummer das Datum und die Uhrzeit des nächstens Treffens stand. Mit Hilfe eines Proteus-Zaubers konnte man auf allen gleichzeitig die Ziffern verändern.
Meine Beliebtheit in der Verteidigungsgruppe war auch nicht wirklich gestiegen. Während Hermine für den Proteus-Zauber viel Anerkennung bekam, weil er auf UTZ-Niveau war, hielten mich danach ein paar Leute wieder für ein Monster, welches von Sirius Black die ganzen schwierigen Zauber gelernt hatte.
Dazu kam natürlich noch, dass die Leute beim Quidditch ganz klar hinter Harrys Mannschaft standen. Das war ja auch erstmal in Ordnung, doch leider verstanden sie nicht, dass ich nicht für alle Vergehen der Slytherins verantwortlich war.
Die erste Beschwerde kam, nachdem Parkinson Harry erzählt hatte, Warrington würde ihm vom Besen erzählen. Harry hatte wohl ganz gut gekontert, indem er meinte, er würde sich nur sorgen, wenn er auf sein Nebenmann ziele. Trotzdem wurde ich beim nächsten Treffen der DA darauf angesprochen und mein Kommentar, es wäre nicht Warringtons, sondern mein Ziel, half nicht zum Frieden bei. Dabei war es mein Job als Treiberin alle Gryffindors vom Besen zu hauen.
Eine weitere Beschwerde kam, nachdem Miles Betchley, der Hüter meiner Mannschaft, Alicia Spinnet, eine Jägerin der Gryffindors verhext hatte. In Folge dessen wuchsen ihre Augenbrauen so rasch, dass die Spielerin in kürzester Zeit nichts mehr sehen konnten und sogar ihr Mund nicht mehr sichtbar waren. Snape hatte tatsächlich trotz vierzehn Augenzeugen darauf beharrt, es würde an einem Zauber für volleres Haar liegen, den Spinnet ausprobiert hatte. Dass ich die Gerechtigkeit selbst in die Hand genommen hatte, weshalb Betchley das gleiche Schicksal erlitt, interessierte niemanden.
Außerdem wurde mir ständig tadelnd mitgeteilt, dass irgendein Slytherin Ron durch Sticheleien, Beleidigungen oder Drohungen schon vor dem Quidditchspiel Angst machten wollte. Als hätte ich die Leute dort unter Kontrolle.
Abgesehen von meinen ganzen Freizeitaktivitäten in irgendwelchen Gruppen wollten meine Freunde natürlich auch noch so ein wenig Zeit mit mir haben. Blaise hatte sich beschwert, als ich den dritten Tag in Folge nachts zu ihm ins Bett gekrochen kam und wir abgesehen vom Unterricht keinen Kontakt miteinander gehabt hatten. Beim Essen in der große Halle hatte ich mich nicht blicken lassen, ansonsten war ich von einer Gruppenaktivität zur nächsten gerannt oder hatte in einem einsamen Gang alleine meine Hausaufgaben erledigt.
Als dann endlich der Samstag des Quidditchspiels gekommen war, war ich ziemlich froh darüber. Danach würde sich das Training wieder auf ein vernünftiges Maß reduzieren und ich hätte wieder mehr Zeit und vor allem Nerven für Blaise. Egal, wie heute das Spiel ausging, ich würde danach duschen gehen, mir meinen Freund schnappen und irgendwo alleine Zeit mit ihm verbringen.
Es war ausnahmsweise mal ein trockener Tag, als ich aufwachte, doch die schweren Fröste und die eisige Luft waren uns auch heute nicht erspart geblieben. Die meisten Leute trugen deshalb tatsächlich auf den Gängen dicke Drachenhauthandschuhe, damit die Finger nicht abfroren. Auf den Bergen rund um Hogwarts hatte sich auch schon Schneekuppen gebildet.
„Nicht einmal heute schläfst du länger, kleine Rose?", wurde hinter mir von Blaise genuschelt, als ich meine Beine aus dem Bett streckte.
„Warum soll ich heute länger schlafen?", antworte ich flüsternd, um die anderen Jungs im Raum nicht zu wecken, während ich meine Socken überzog. Um hier Barfuß herumzuschleichen, war es mir doch mittlerweile zu kalt geworden.
„Um beim Spiel ausgeschlafen zu sein."
„Wirke ich normalerweise unausgeschlafen?", fragte ich überrascht. Bisher hatte ich noch nie das Gefühl, meine etwas ungewöhnlichen Schlafenszeiten würden meine Laune irgendwie beeinflussen.
„Nein, tust du eigentlich nicht", wurde im Halbschlaf gemurmelt. Mein Freund streckte noch seine Hand nach mir aus. Ich wurde wieder etwas näher an ihn herangezogen, wie immer wenn man Freund von noch einen Kuss vor mir wollte, bevor ich loszog.
„Viel Spaß mit Adina und den Hunden am See", wurde mir gewünscht, nachdem ich ihm einen kurzen Kuss auf den Mund gedrückt hatte.
„Schlaf gut. Wir sehen uns beim Frühstück", antworte ich.
Eine Reaktion darauf bekam ich nicht wirklich. Mein Freund kuschelte sich richtig in seine Kissen, während ich mich auf den Weg ins Bad machte, um mir warme Sachen für meinen morgendlichen Spaziergang mit Antiope anzuziehen.
Gerade als ich mich fertig in einen dicken Pullover und eine Hose gequetscht hatte, hörte man nebenan im Schlafzimmer lautes empörtes Stimmengewirr. Anstelle wie üblich noch einmal meine türkisfarbenen Haare mit einer Bürste zu entwirren, riss ich die Tür des Badezimmers wieder auf.
Sämtliche Lampen im Raum waren angeschaltet worden. Die eigentlichen Bewohner saßen senkrecht in ihren Betten, blinzelten aufgrund des hellen Lichtes und sahen Böse zu der Person, die sie geweckt hatte.
Adina stand in der Tür und sah sich suchend im Raum um. Sie selbst hatte sich bisher nur einen Morgenmantel übergezogen. Ihre lockigen Haare wirkten noch ganz wirr und gar nicht ordentlich gestylt wie normalerweise. Na gut, um diese Uhrzeit hatte sie meistens die Haare geflochten, damit sie beim Schwimmen im See nicht so sehr nervten, aber einfach mit wirren Haaren und Morgenmantel sah man sie normalerweise nur in den ersten zehn Minuten des Tages.
„Ah, da bist du ja, Patricia."
Die Wassernymphe schnappte sich meinen Arm und zog mich in Richtung Tür.
„Was wird das?", fragte ich vollkommen überfordert mit der Situation.
„Du musst dich fürs Spiel fertig machen!", wurde mir angekündigt, weshalb ich mich jetzt doch mal gegen meine Entführung wehrte. Ich stemmte meine Füße in den Boden, sodass mich die Blondine nicht mehr fortschleifen konnte und sah sie verständnislos an. Ich war mir absolut sicher, wir hatten noch ziemlich früh morgens, also noch genug Zeit, damit ich gemütlich eine Runde mit Antiope und Bärchen spazieren gehen konnte, bevor es dann weiter zum Frühstück und danach zum Spiel ging.
„Das mache ich nach dem Spaziergang. Mein Quidditchumhang liegt eh in unserer Umkleidekabine, meine Sportsachen für darunter, also muss ich nur noch eben einen Pferdeschwanz machen. Das dauert zwei Sekunden", wank ich ab und machte auch schon Anstalten, mir eben schnell meine Frisur zu machen.
„Nein, es geht doch nicht nur darum, sich eben schnell umzuziehen. Weißt du, wie lange keine Frau mehr bei den Slytherins in der Mannschaft gewesen ist? Die letzten beiden waren Lucinda Talkalot und Emma Vanity. Beide waren bei deinen Eltern im Jahrgang", wurde mir aufgeregt erzählt.
„Und was haben die beiden damit zu tun, dass ich mich nicht eben schnell umziehen darf?", hinterfragte ich die Erzählung. Das alles machte doch irgendwie nicht wirklich Sinn.
„Das heißt, du musst heute einen besonders guten Eindruck machen, weshalb dein Freund heute Antiope ausführen muss, während ich dich hübsch mache."
„Aber das war nicht abgesprochen. Ich kann doch nicht einfach Blaise oder jemand anderen Antiope aufzwingen. Ich habe alleine die Fürsorgepflicht für sie übertragen gekriegt, da kann ich nicht erwarten, dass jemand anderes für mich einspringt –"
„Von deinem Freund kannst du das erwarten."
„Aber es macht keinen Sinn. Wenn ich mit meinem Feuerblitz einmal Gas gebe, ist jede Frisur eh sofort hin. Ich mache mir einen Pferdeschwanz wie immer und dann ist gut. So muss ich auch nicht meine Fürsorgepflicht gegenüber Antiope vernachlässigen."
„Ich kriege alles so hin, dass es ein Quidditchspiel überlebt. Jetzt komm mit. Du wirst hübsch gemacht."
„Blaise?", rief ich hilfesuchend in Richtung meines Freundes.
„Geh ruhig mit, meine kleine Rose. Ich kümmere mich schon um deinen Hund", wurde mir versprochen, weshalb ich leise seufzte. Warum zur Hölle sollte ich mich für ein Quidditchspiel jetzt hübsch machen lassen?

Hexagramm - LöwenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt