Kapitel 54

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„Er ist nicht fort", schrie Harry und riss mich aus meiner Trance. Die Taubheit, welche mich bis vor wenigen Sekunden noch ganz eingenommen hatte, wurde durch ein anderes Gefühl ersetzt. Wut, unerschöpfliche Wut.
Wut darauf, dass Harry nun hier stand und nach meinem Vater schrie. Er hatte nicht das Recht, um ihn zu Tauern. Nicht er. Wäre der Gryffindor nicht gewesen oder hätte er nur einmal das Armband benutzt, würde Sirius noch leben. Er wäre noch bei mir, wäre noch für mich da, so wie es mir mein leiblicher Vater immer wieder versprochen hatte.
„SIRIUS!", schrie der Gryffindor weiter. „SIRIUS!"
Die Wut in meinem Bauch baute sich immer weiter auf. Harry sollte endlich ruhig sein! Die verdammte Klappe halten! Ich wollte kein Wort mehr von ihm hören! Nie wieder irgendetwas!
Ohne weiter darüber nachzudenken, ließ ich eine Welle meiner wuterfüllten Magie los. Sie riss die Leute im Umkreis von drei Metern von den Füßen, ließ sie teilweise durch die Luft fliegen. Auch Harry wurde von dieser Welle erwischt, allerdings stolperte er nur und fiel auf dem Boden, weil Remus ihn von dem Podest gezogen hatte. Ganz anders erging es einer Person, die fast direkt hinter mir gestanden haben musste. Man hört sie ein paar Meter weiter gegen die Steinstufen knallen.
„Arienne!", hörte ich Roux entsetzt schreien. Vermutlich hatte ich also sie mit meiner Magie erwischt, allerdings war es mir egal. Was interessierte mich schon dieses Mädchen?
„Patricia?", hörte ich in diesem Moment Remus besorgt nach mir rufen.
Erneut kochte wieder Wut in mir auf. Der ehemalige Lehrer sollte endlich aufhören, so zu tun, als würde ihn mein Leben interessieren. Harry war schuld an dem Tod meines Vaters, aber zu ihm ging er zuerst, um ihn zu trösten. Patricia war schon immer nur für ihn die zweite Wahl gewesen, egal, was man ihr ständig versichert hatte.
Ich griff nach meinem Messer. Ich würde allen wehtun, die das kleine, schwache Mädchen irgendwann einmal wehgetan hatten. So wie ich es ihr versprochen hatte. Harry, der ihr den Vater genommen hatte, ihre leibliche Familie, die nie nach ihr gesucht hat, und allen voran PIRA, die ihr ihre Eltern genommen haben.
Mein Blick glitt über die Anwesenden, um abzuschätzen, ob jetzt der richtige Zeitpunkt war, mit der Rache an all den Leuten zu beginnen. Dumbledore hatte die meisten Todesser in der Mitte des Raumes zusammengetrieben. Nur Kingsley, der anscheinend Sirius Platz eingenommen hatte, und Bellatrix Lestrange duellierten sich noch immer.
Die Kriegsnymphenfamilie hatte sich bei Arienne versammelt. Die UTZ-Schülerin war tatsächlich auf die Steinstufen geschleudert worden. Unter ihren leblosen Körper bildete sich langsam eine Blutpfütze. In ihrer Hand hielt sie eine zerbrochene Spritze mit der violetten Flüssigkeit. Der Beruhigungstrank, der sogar eine Kriegsnymphe ausschalten konnte. Sehr wahrscheinlich hatte sie mich betäuben wollen. Vielleicht hatte sie damit verhindern wollen, dass Patricia durch mich ersetzt wird, vielleicht hatte sie auch gehofft, nach einem Nickerchen wäre ich wieder verschwunden. Egal warum, sie hatte keinen Erfolg und das war auch besser so. Patricia war viel zu emotional, viel zu schwach. Es war besser, dass wir nun die Plätze getauscht hatten. Sie war im Schatten und ich im Licht.
Hinter dem Podium war ein lauter Knall zu hören. Kingsley ging vor Schmerz schreiend zu Boden. Bellatrix Lestrange rannte Hals über Kopf davon. Dumbledore drehte sich blitzschnell um, doch sein Fluch wurde von der Frau abgelenkt. Ich sah ihr beim Wegrennen zu. Hier waren gerade zu viele Leute, die mich versuchen würden aufzuhalten, wenn ich hier anfangen würde, Köpfe von Körpern zu trennen. Doch wenn die Mörderin meines Vaters gerne fliehen wollte, sollte sie es doch tun. Ohne die Sicherheit, der ganzen Leute, würde ich mich schon heute an ihr Rächen können.
Ich ließ ihr noch zwei Sekunden Vorsprung, bevor ich ebenfalls losrannte. Zeit für die Jagd. Das würde ein Spaß werden.
Fast zeitgleich rannte auch Harry los. Noch jemand, der unbedingt heute den Kopf verlieren wollte. Die Frage war nur, ob ich ihn den schnellen Tod gewähren wollte? Wäre es nicht die viel bessere Rache, wenn ich ihm erst alles nahm, so wie er es bei Patricia getan hatte? Ich würde ihm alles nehmen, was ihm etwas bedeutete, bis er endlich um seinen Tod flehte. Ich würde es bei allen machen, die etwas zu verlieren hatten. Das war das Schöne an emotionalen Menschen. Man musste nicht einmal sie erwischen, es reichte, wenn man ihre Freunde verfolgte.
Doch Bellatrix Lestrange hatte eigentlich nichts zu verlieren. Nach allem, was ich über sie wusste, war ich mir nicht einmal sicher, dass der Tod von ihrer Schwester Narzissa ihr wirklich etwas ausmachen würde. Das hieß, ihren Kopf konnte ich schon einmal abtrennen und dann auch gleich Harry mitteilen, dass ich es bei all seinen Liebsten genauso machen würde, bevor ich zu ihm kam. Hoffentlich würde ihn das den Schlaf rauben.
„Harry – nein!", schrie Remus den Gryffindor hinterher. Dass ich der Todesserin folgte ließ er mal wieder unkommentiert.
„SIE HAT SIRIUS GETÖTET!", brüllte Harry. „SIE HAT IHN GETÖTET - ICH WERDE SIE TÖTEN!"
Ich fing aufgrund der Worte an zu lachen. Ein kaltes, freudloses Lachen, wie es immer die Serienkiller in Filmen von sich gaben. Als hätte Harry die Kraft, Bellatrix Lestange zu töten. Dafür war er wie Patricia viel zu spontan. Aus Notwehr jemanden töten, das traute ich beiden zu, doch vorsätzlicher Mord aus Rache? Vorher würde sich bei ihm das Gewissen einschalten und ihn aufhalten. Gut, dass ich so etwas Lästiges nicht besaß.
Harry und ich verfolgten die Todesserin in einen anderen Raum. Er war lang und rechteckig. Lampen hingen an goldenen Ketten von der Decke und beleuchteten somit die Schreibtische, welche rund um einen riesigen Glasbehälter standen. In dem Gefäß war eine tiefgrüne Flüssigkeit zu sehen, in welcher perlweiße Gehirne schwammen. Neben den Gehirnen waren auch noch weitere Leute hier: Luna, Hermine, Ron und Ginny. Sie alle lagen am Boden, bei Hermine war ich mir nicht einmal sicher, ob sie noch atmete. Auf Ron hatte sich eines der Gehirne gestürzt und diesen mit einer Art Tentakel umschlungen. Er gab dabei ein mattes Kichern von sich. Am besten ging es anscheinend Ginny Weasley, denn diese war vollkommen aufnahmefähig. Nur ihr Fuß stand in einem ungesunden Winkel ab. Der Knöchel war wohl durch.
Bellatrix Lestrange schoss über die Schulter hinweg einen Fluch ab. Das Becken mit den Gehirnen erhob sich in die Luft und kippte. Die übelriechende Brühe ergoss sich über Harry, ich konnte mich mit einem Zauber vor ihr schützen. Die Gehirne fielen natürlich mit heraus und landeten rechts und links von mir auf den Boden. Sofort versuchten sie, mit ihren langen bunten Tentakeln nach uns zu greifen.
Ich sprengte die Gehirne einfach von mir weg, sodass sie überall im Raum verstreut lagen. Einer flog auf Bellatrix zu, doch dieses wehrte sie ab. Eigentlich schade, ich hätte nur zu gerne gesehen, wie dieses Gehirn seine Tentakel um sie schlang. Allerdings, wenn ich an den kichernden Ron auf dem Boden dachte, war es wohl besser. Ich wollte, dass sie es mitbekam, wenn ich sie tötete.
Auch Harry konnte die Gehirne abwehren. Er rief: „Wingardium Leviosa!", weshalb seine Gehirne hoch über ihn in der Luft schwebend.
Bellatrix verschwand durch eine weitere Tür wieder aus dem Raum. Harry und ich rannten schlitternd und rutschend hinterher. Wir mussten über Luna springen, welche natürlich mitten im Weg stöhnend auf dem Boden lag.
„Harry – was – ?", hörte ich Ginny uns nachrufen, als wir auch schon die Tür erreichten, durch welche die Todesserin verschwunden war. Ich riss sie auf. Dahinter lag die runde schwarze Halle, in welcher wir zuerst waren. Bellatrix Lestrange hatte diese schon durchquert und eine weitere Tür geöffnet. Kurz sah den Korridor, welcher zurück zu den Aufzügen führte, bevor die Frau aus dem Raum hinausging und die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.
Die Wände des Raumes begannen sich zu drehen. Ich versuchte, den Ausgang im Auge zu behalten, doch es war unmöglich. Alles verschwamm zu einer unscharfen Masse und die einzelnen Lampen wurden zu einem Streifen blauen Lichts. Das hieß aber noch lange nicht, dass die Jagd jetzt vorbei war. Schließlich hatte ich mich anders als Harry über die Mysteriumsabteilung informiert, weshalb ich auch wusste, wie ich die richtige Tür finden konnte.
„Wo ist der Ausgang?", rief Harry verzweifelt neben mir, kaum war die Wand wieder rumpelnd zum Stillstand gekommen. „Wo geht es raus?"
Der Raum hatte nur auf diese Frage gewartet. Die richtige Tür flog hinter uns auf und gab den Weg zu dem Korridor mit den Aufzügen frei. Ich zögerte keine Sekunde, machte eine Hundertachziggraddrechung und rannte erneut Bellatrix Lestrange hinterher.
Vor mir hörte ich einen Aufzug rattern. Bellatrix war also schon dort angekommen und auf den Weg ins Atrium. Ich schoss einen Zauber in Richtung der Aufzüge, sodass einer schon auf dem Weg nach unten war, als ich dort ankam. Keine zwei Sekunden später kam er schon an und öffnete die Gitter.
Ich sprang herein und drückte den Knopf mit der Aufschrift „Atrium". Das Gitter schloss sich langsam, Harry kam auf mich zu gerannt. Er schaffte es tatsächlich noch, sich in den Aufzug zu quetschen, bevor es nach oben ging. Ich löste ein Wurfstern von meinem Gürtel.
Harry zwängte sich aus dem Aufzug, noch ehe die Gitte ganz offen waren. Bellatrix Lestrange war schon fast am Telefonlift auf der anderen Seite der Halle angekommen, drehte sich aber nun noch einmal um. Sie schien aber nur den Gryffindor zu bemerken und nicht mich im Aufzug. Sie feuerte ein Fluch auf ihn ab, weshalb er hinter den Brunnen in der Mitte des Atriums in Deckung gehen musste.
Der Brunnen selbst bestand aus fünf goldenen übergroßen Figuren. Sie zeigten genau, was für eine Ordnung in der magischen Gemeinschaft herrschen sollte, wenn es nach den Zauberern ging. In der Mitte stand ein Zauberer und eine Hexe, beide wunderschön. Um sie herum hatten sich ein Zentaur, ein Kobold und eine Hauselfe versammelt. Alle sahen bewundernd zu den magischen Menschen hoch.
Wie arrogant die Zauberer waren. Sie glaubten doch wirklich, sie seien die überlegenden Wesen. Diejenigen, die das Recht zu herrschen hatten. Dabei gab es nur eine Spezies, die das Geburtsrecht dazu hatte. Die Nymphen. Sie waren dafür geschaffen worden, den Platz der Götter als Herrscher über die dreizehn Reiche einzunehmen. Die Zauberer waren nichts, nur weitere Untertanen von ihnen.
Ich folgte Harry allerdings nicht ins Atrium, sondern blieb in meinem Versteck. Sollte Bellatix sich doch ein wenig mit dem Gryffindor beschäftigen. Wenn sie abgelenkt war, konnte ich sie viel besser überrumpeln und dann töten.
„Komm raus, komm raus, kleiner Harry!", rief Bellatrix mit gekünstelter Babystimme, die vom Parkettboden widerhallte. Dass sie fliehen wollte, hatte sie anscheinend ganz vergessen und das wäre ihr Tod. „Wozu bist du mir sonst nachgerannt? Ich dachte, du wärst hier, um meinen lieben Cousin zu rächen!"
„Das bin ich auch!", rief Harry. Das Echo seiner Stimme hallte im Raum und wiederholte die Worte immer wieder.
„Aaaaaah ... hast du ihn geliebt, kleines Potterbaby?"
Die Worte reichten, um Harry aus seinem Versteck zu locken. Er sprang hinter dem Brunnen hervor und brüllte: „Crucio!"
Damit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet. Offenbar hatte Patricia doch die schlimmeren Moralvorstellungen als Potter.
Bellatrix schrie, während der Fluch sie umwarf. Allerdings schien Harry den Folterfluch nicht richtig ausgeführt zu haben, denn die Frau krümme sich nicht schreiend auf dem Boden vor Schmerz. Tatsächlich stand sie schon wieder auf den Beinen. Sie war zwar außer Atem und lachte nicht mehr, doch wenn man bedachte, was der Fluch eigentlich bewirken sollte, war sie gut davongekommen.
Bellatrix warf erneut einen Fluch in Harrys Richtung. Dieser ging erneut hinter dem Brunnen in Deckung. Dieses Mal wurde der Kopf des Zauberers getroffen, heruntergerissen und sechs Meter durch die Luft geschleudert. Lange Kratzer bildeten sich auf den Holzboden.
Die Todesserin war bei ihrem Zauber einen Schritt vorgegangen. Ein Fehler, denn damit war sie nun in einer guten Position für meine Wurfsterne. Oh, ich hatte nicht vor, sie damit umzubringen. So schnell würde ich sie nicht vom Haken lassen. Außerdem wollte ich ihr in die Augen sehen, wenn darin das Licht erlosch.
„Hast noch nie einen unverzeihlichen Fluch benutzt, nicht wahr, Junge?", rief Bellatrix, während ich einen der Wurfsterne warf. Sie schrie auf, während er sich in ihrem Bein versenkte und die Sehne, welche den Oberschenkel mit ihrem Knie Verband. Sofort gab ihr Bein nach. Die Frau stürzte zu Boden, während sie wütend zu mir herübersah.
„Dachtest du wirklich, du könntest mich abhängen, Tante Bella?", flötete ich, während ich aus dem Fahrstuhl stieg.
„Kommst du das kleine Potterbaby retten, Patricia? Hast du es nicht langsam satt, das immer tun zu müssen?", wurde ich spitz gefragt.
Ich fing erneut an zu lachen. Wieder dieses kalte, freudlose Lachen, dass Serienkiller von sich gaben.
„Oh, Tante Bella. Die kleine, schwache Patricia wäre wohl wirklich gekommen, um Harry mal wieder zu retten. Egal, wie sehr sie es genervt hat, sie hatte nun einmal das Gefühl, es wäre ihre Pflicht. Aber sie ist fort und dafür bin ich jetzt hier.
Weißt du, Tante Bella. Eigentlich sollte ich dir ja dankbar dafür sein, dass du Sirius umgebracht hast. Patricia hielt den Schmerz nicht aus und nur deshalb konnte ich ans Licht treten. Doch egal wie erbärmlich und schwach sie nun einmal ist, wir gehören irgendwie zusammen. Du hast sie verletzt und deshalb werde ich dich töten."
Ich zog ihr die Wurfsterne aus dem Bein. Ihr entfuhr ein leises Stöhnen, während sie mich jetzt doch etwas verängstigt ansah. Ihr Blick glitt über den Boden, doch ihr Zauberstab war zu weit weg. Deshalb sollte man sich niemals auf seine Waffen verlassen. Solange man sie hatte, waren sie hilfreich, doch sobald sie außer Reichweite waren, war man hilflos.
In diesem Moment waren Schritte hinter uns zu hören. Ich wirbelte herum, doch es war nur Potter, welcher sich hinter der Statue hervorgetraut hatte. Er zielte mit dem Zauberstab auf Bellatrix Lestrange.
„Wir sollten es gemeinsam beenden."
„Ach, Potterbaby. Als hättest du den Willen dazu", verhöhnte ich den Gryffindor. „Setze dich brav hin, während die Erwachsenen sich unterhalten. Um dich kümmere ich mich später. Nachdem ich dir alles genommen habe, was du liebst, so wie du Patricia alles genommen hast."
Ich feuerte einen Zauber auf Harry, doch er konnte ausweichen. Daher schlug mein Fluch nur im Boden ein, wo er einen unschönen Krater hinterließ. Der Gryffindor nahm seine Beine in die Hand und floh wieder hinter den Brunnen. Vernünftig, doch das änderte nichts daran, dass er sich gerade zur lästigen Fliege hochgearbeitet hatte. Sollte er mich weiter nerven, würde ich ihn wohl doch ausschalten müssen. Wenigstens fürs heute.
„Du bist Patricia!", wurde ich angeschrien, was mir noch einmal das Serienkillerlachen entlockte.
„Nein, du dummer Junge. Bin ich eben nicht", kicherte ich, bevor ich mich wieder Bellatrix zuwandte. Ich löste meine Axt vom Rücken. Gleich würde die Hexe sterben.
„Wenn du nicht Patricia bist, wer bist du dann?", wurde mir hinter mir geschrien.
Ich zögerte kurz. Wer war ich nun? Ich war mir zwar sicher, dass ich nicht die kleine, schwache Patricia Rona Primrose war, doch was folgte daraus? Sie würde sagen, ich wäre ihr Fluch, doch das stimmte einfach nicht. Ich war ihr Segen, ihr Racheengel, welcher für die schwache kleine Patricia alle Probleme aus dem Weg räumte. Nur blöd für sie, dass ich sie sicherlich nicht noch einmal ans Steuer lassen würde. Es musste ihr leider genügen, wenn sie nun aus dem Schatten heraus dabei zusah, wie sich alles regelt.
„Ich bin die starke Version von ihr. Die ohne lästige Gefühle", erklärte ich mangels einer spontanen Namensidee. Darüber sollte ich mir wirklich noch Gedanken machen. Irgendetwas Düsteres, etwas Dunkles. Schon bald würden sie meinen Namen genauso demütig aussprechen wie den des dunklen Lords und in ein paar Jahren hätte man die Hades Nymphe ganz vergessen.
Ich hob die Axt, bereit Bellatrix Lestranges Kopf von ihrem Körper zu trennen.
„HERR, BITTE, LAST ES NICHT ZU!", schrie die Todesserin verzweifelt. Ich wirbelte herum. Auch wenn meine Instinkte nicht von Gefahr sprachen, hörte ich trotzdem jemanden hinter mir apparieren.
Tatsächlich stand nun Voldemort in der Mitte der Halle. Obwohl sein Gesicht aufgrund einer schwarzen Kapuze im Schatten lag, konnte man das weiße, schlangenähnliche Gesicht noch perfekt sehen. Die scharlachroten Augen mit Pupillenschlitzen stachen daraus hervor, wie Rubine, die auf einer weißen Theke lagen.
„Voldemort", knurrte ich und zerschnitt mit meiner Axt drohend die Luft. Schade, dass es aufgrund der ganzen Horkruxe wenig bringen würde, ihn jetzt zu köpfen. Ansonsten würde ich vielleicht tatsächlich jetzt den Endkampf zwischen uns beiden anzetteln, auch wenn Voldemorts tot eventuell zum zerbrechen der Erde führen würde, weil die Macht eines Gottes fehlte. Das Ganze hatte allerdings den Vorteil, dass ich nach einem Zauber suchen konnte, mit welchem ich Voldemorts Macht nach seinem Tod übernehmen konnte. Irgendetwas musste es geben, schließlich hatten die Götter mit Hades Verbannung retten wollen. Das wäre nicht gegangen, wenn sie nicht auch für seine Macht ein Schlupfloch gelassen hätten. Eines, welches nichts mit einer Hades Nymphe zu tun hatte.
„Patricia, endlich treffen wir uns wieder", sagte Voldemort leise. Ich hatte das Gefühl, er versuchte dabei freundlich zu klingen, doch es wirkte eher emotionslos. „Bist du es nicht langsam satt, immer auf Potter aufpassen zu müssen? Er ist so undankbar, denkt nie nach. Du gibst dir so viel Mühe und doch hasst er dich. Du bist viel stärker, viel talentierte und viel mächtiger als er, doch er respektiert dich nicht. So vieles hättest du verhindern können, wenn er nur mit dir geredet hätte. Sirius würde noch leben, wenn er es getan hätte.
Schlag dich auf meine Seite, Patricia. Meine Todesser wissen noch wahre Macht zu ehren. Man wird nie wieder respektlos zu dir sein, man wird dich nie wieder verletzten. Zusammen werden wir unsere Feinde vernichten und ich verspreche dir, anders als Dumbledore und die Kriegsnymphenfamilie kann ich dir wirklich dabei helfen, deine kleine Schwester zu finden."
Mir wurde auffordernd die Hand hingehalten.
Das war es also. Das Angebot, auf welches Patricia so ungeduldig gewartet hatte. Jetzt hatte ich die Chance, für sie ja zu sagen und ihren Plan durchzuziehen. Die Frage war nur wozu. Sie hatte Carolin für Sirius zurückholen wollen, doch nun waren sie beide tot. Der Mann hatte seine Tochter verraten, wie so viele vor ihm.
Laut der Prophezeiung brauchte man zwar angeblich die anderen Nymphen, um Voldemort aufzuhalten, aber was bedeuteten diese Worte schon? Man musste sie mühsam interpretieren, vielleicht ging es also um etwas ganz anderes. Ich würde den dunklen Lord schon alleine erledigen und seine Macht auf mich übertragen. Genauso wie ich alle anderen erledigen würde, die Patricia weh getan haben. Diese undankbare Welt würde kriegen, was sie verdient.
„Die kleine, schwache Patricia hätte sich wahrscheinlich überzeugen lassen, aber dummerweise ist sie fort", lachte ich. „Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ich mich auf eure Seite schlagen würde. Ihr habt Patricia am meisten genommen. Ihren Vater, ihre Mutter, ihre unbeschwerte Kindheit. All das weg, weil ihr die Nymphen vernichtet wolltet."
„Ich will eine neue Weltordnung schaffen, in der sich die Zauberer nicht mehr vor einer minderwertigen Rasse wie den Muggeln verstecken müssen. Jeder tropfen reines Zaubererblut, was auf diesem Weg vergossen wird, ist dabei verschwendet. Jeder Tropfen Nymphenblut erst recht. Doch leider lassen sich Verluste nicht immer verhindern", wurde mir mitgeteilt.
Ich verdrehte die Augen. Als würde Voldemort wirklich um das vergossene Blut trauern. So viele Menschen waren in seinem Auftrag gestorben, so viel reines Zaubererblut vergossen worden.
Auch wenn ich ihm zustimmte, dass diese Welt dringend eine neue Ordnung brauchte, hatten wir ziemlich unterschiedliche Vorstellungen, wie diese aussehen sollte. Er wollte sich selbst auf den Thron setzen und herrschen. Das würde wahrscheinlich zu noch mehr Tod und noch mehr Chaos führen.
Ich hatte allerdings nicht vor, ihm diesen Thron zu überlassen. Nein ich würde mich selbst auf ihn setzen und dafür Sorgen, dass die Menschen endlich alle ihren Platz hatten. Kein Schmerz mehr, kein Leid, und die, die es doch verursachen würden, würde ich bestrafen, so wie Bellatrix und Harry noch für ihre Fehler bezahlen würden.
Ich würde wie Otrere regieren. Unter ihrem ehemaligen Titel. Ich würde die nächste Basílissa werden.
Doch jetzt war noch zu früh für diesen Kampf zwischen uns beiden. Also würde ich den Rückzug antreten. Jedenfalls für heute.
„Ihr habt Recht. Es ist Zeit für eine neue Ordnung in der Welt. Die werde ich ihr bringen. Ich werde dir nächste Basílissa. Dafür brauche ich euch nicht, dafür brauche ich niemanden.
Wir werden uns wieder gegenüber stehen, Voldemort. Spätestens beim letzten Gefecht um den Thron werden wir gegeneinander antreten.
Tante Bella, wir sehen uns wieder. Dein Kopf wird noch rollen."
Und dann disapparierte ich. Im Ministerium konnte ich nichts mehr ausrichten. Ich war mir nicht sicher, ob Voldemort mich hätte Bellatrix töten lassen, aber ich vermutete mal nein. Sie war eine sehr treue Dienerin. Auch wenn sie ihn heute enttäuscht hatte, war sie noch zu wertvoll. Aber sie würde nicht ewig an der Seite von Voldemort bleiben. Und das wäre ihr Todesurteil.

Hexagramm - LöwenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt