Kapitel 4

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„Das ist Blödsinn. Ich möchte von dir, dass du läufst wie ein Mensch, isst wie ein Mensch und dich auch anziehst wie einer. Also komm hoch. Nächster Versuch" erklärte ich noch während ich ihm meine Hände hin hielt. Auch dieses Mal dauerte es etwas bis Jascha meine Hände ergriff. Doch er ergriff sie. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht als ich ihn schließlich auf die Beine ziehen konnte. Wackelig stand er auf seinen eigenen zwei Beinen. „Sollen wir ein paar Schritte versuchen? Ich fang dich wenn du fällst" bot ich an. „Natürlich Sir Dean" und schon versuchte Jascha sich an den ersten Schritten. Seine Beine begannen bereits nach kürzester Zeit zu zittern und einzuknicken. Er musste ewig nicht gelaufen sein. Vorsichtig half ich ihm dabei sich unbeschadet auf den Boden zu setzen. „Das war doch gar nicht so schlecht für deinen ersten Versuch" versuchte ich ihn aufzumuntern. Doch von Jascha erhielt ich keine Reaktion. „Hast du Hunger? Ich kann dir gerne etwas kochen?" bot ich auch diesmal mit einem Lächeln auf den Lippen an. Jascha's Ohren legten sich an und sein Kopf senkte sich noch etwas mehr in Richtung des Bodens ehe er seinen Kopf schüttelte. „Du musst etwas essen, da führt kein Weg daran vorbei. Was hältst du von einer Suppe? Die wird deinen Magen auch nicht überfordern" ob ich ihn berühren konnte? Vorhin hatte er auch meine Hände ergriffen. Langsam strecke ich daher meine Hand nach ihm aus. Doch der Hybrid zuckte erschrocken zusammen und schüttelte verneinend den Kopf. „Tut mir leid, ich mach dir etwas zu essen mein Kleiner" und mit diesen Worten ließ ich ihn erstmal im Wohnzimmer zurück. Eigentlich würde ich ihn gerne mit in die Küche nehmen. Doch ihn zu tragen schien keine Option zu sein und ich wollte nicht, dass er herumkriechen musste wie ein Tier. Er war ein Mensch wenn auch nur zur Hälfte.

Während ich die Suppe zubereitete, war es mucks Mäuschen still im Haus. Beinahe gespenstisch. Eigentlich hörte ich immer Musik oder schaltete den Fernseher ein. Auch wenn ich kaum fernsah, so beruhigte es mich irgendwie wenn es nicht komplett still war. Als die Nudelsuppe endlich fertig war, füllte ich sie in eine kleine Schüssel und holte noch einen Löffel aus meiner Besteckschublade. Im Wohnzimmer angekommen, erblickte ich auch sofort meinen Gast. Er hatte sich nicht von der Stelle gerührt und seinen Kopf tief zu Boden gesenkt. „Deine Suppe ist fertig. Kannst du zum Wohnzimmertisch kommen?" vorsichtig stellte ich die Schüssel ab und sah den Kleineren abwartend an. Zögerlich kam er auf mich zu gekrabbelt. „Ist dir kalt? Möchtest du eine Decke?" noch immer waren die Ohren des Hybriden angelegt. Er hatte Angst, doch wovor? Das essen würde ihn mit Sicherheit nicht umbringen. Eine Antwort erhielt ich nicht, er saß lediglich mit einem guten Abstand zu mir auf dem Teppich, welcher unter meinem Couchtisch lag. „Hier, iss nur" mit diesen Worten schob ich die Schüssel vor ihn. Seine blauen Augen suchten meinen Blick und ließen mich verwirrt die Stirn runzeln. Er wandte den Blick nicht ab und rührte auch die Suppe nicht an. „Jascha, du kannst ruhig essen. Sie wird sonst kalt" mit einem nachdrücklichen Nicken deutete ich noch einmal auf die volle Schüssel. Beinahe im selben Augenblick begann der kleine Katzenjunge ungeschickt nach dem Löffel zu greifen. Nur mit Mühe konnte er ihn halten. Hatte er noch nie Besteck benutzt? Spätestens als er den Löffel grob in die Suppe fallen ließ war meine Frage beantwortet. Seine motorischen Fähigkeiten schienen nicht besonders gut ausgeprägt zu sein. „Soll ich dir helfen? Wir lernen einfach Schritt für Schritt wie man mit Besteck isst" ich war sauer. Wie konnten Menschen dies einem wehrlosen kleinen Kerlchen nur antun. Als hätte Jascha sich verbrannt, lies er seine Hände in seinen Schoß fallen und entfernte sich etwas vom Tisch. Ich deutete dies einfach einmal als ja. „Die Suppe ist noch ziemlich heiß. Wir müssen aufpassen, dass du dich nicht verbrennst" doch auch auf diese Aussage erhielt ich keine Antwort. Vorhin hatte er doch auch gesprochen. Hatte ich etwas falsch gemacht? Während ich etwas Suppe auf den Löffel nahm und sie sachte pustete, grübelte ich über die vergangenen Minuten. Jascha wurde erst komisch als ich das Essen erwähnt hatte. „Mund auf, hier kommt der erste Löffel" langsam führte ich den Löffel zu seinem Mund. Als er seinen Mund öffnete konnte ich deutlich seine spitzen Zähnchen erkennen. Doch schneller als gedacht hatte er die Suppe geschluckt und sich auch schon wieder etwas entfernt. Ich durfte nicht zu viel erwarten. Es grenzte beinahe an ein Wunder, dass er überhaupt etwas aß. Im Heim schien dies ja nicht besonders häufig vorgekommen zu sein. Und so kam es, dass ich den Kleineren minutenlang mit der Suppe fütterte. Er aß brav und meckerte auch nicht. Als er bereits die Hälfte der Schüssel gegessen hatte, bemerkte ich, dass er unruhig hin und her rutschte. Verdutzt musterte ich Jascha genauer. „Ist alles in Ordnung?" kam mir die Frage über meine Lippen. Zaghaft nickte der Hybrid und hielt sofort still. Lediglich seine Hand hatte sich um seinen Bauch geschlungen. Hatte er Bauchschmerzen? Vielleicht von der Suppe? Sein Magen war das viele essen bestimmt nicht gewöhnt. „Du hast Bauchschmerzen, hab ich Recht?" mit diesen Worten trug ich die Schlüssel schnell in die Küche und eilte dann auch schon wieder ins Wohnzimmer. Von Jascha erhielt ich wie so oft keine Antwort. Seufzend holte ich schließlich eine kuschelige Decke vom Sofa und legte sie dem Hybriden um die Schultern. Zumindest versuchte ich es, denn der Kleine sprang fauchend zurück und legte die Ohren wenn möglich noch ein bisschen weiter an. „Hey, es ist alles gut. Hier, nimm die Decke. Dir ist bestimmt kalt" besorgt mustere ich den Kleinen. Eine Antwort erhielt ich wieder einmal nicht. Ich beschloss ihm etwas Ruhe zu gönnen. Die Decke, welcher er natürlich noch immer nicht genommen hatte, legte ich vor ihm auf den Boden. Geschickt startete ich den Fernseher und verließ im Anschluss auch schon das Wohnzimmer. Vielleicht konnte der Kleine sich so etwas entspannen. Da aus dem Wohnzimmer keinerlei sonderbare Geräusche drangen,  begann ich damit, die liegen gebliebene Arbeit zu beenden. Ich war zwar kein Fan von Hausarbeit aber manche Sachen mussten einfach gemacht werden.

Gute zwei Stunden später, konnte man mein Haus wieder als sauber bezeichnen. Auf leisen Sohlen schlich ich mich zurück zum Wohnzimmer. Von Jascha hatte ich in den letzten Stunden nichts mehr gehört.

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