Bei Fremden
Ge. 03- Kapitel 81Das Wochenende war viel zu lang. Es gab nicht viel zu reden. Nichts. Wir starrten alle zu Boden. Selbst Osman, obwohl er nicht genau wusste, was mit uns abging, schien bedrückt zu sein. Fühlte er mit uns?
Hakan hatte mich angerufen. Alara hatte mich angerufen. Ich hatte nicht die Kraft abzuheben. Noch letztens hatte ich Hakan ausgeschimpft, dass er meinen Anrufen nicht geantwortet hatte und heute tat ich ihm nach. Aber mir war wirklich nicht danach. Manchmal starrte ich mein Handy stundenlang an, nahm es in die Hand, nur um es dann wieder wegzulegen.
Ich konnte endlich wieder lächeln, als Erdem beschloss, Alara anzurufen. Es war nie ihre Schuld. Das wusste er zu gut, dennoch war es ein harter Schock für ihn. Ich verstand ihn. Außerdem konnte ich endlich Hakan antworten. Er schimpfte mich auch aus und das genau so, wie ich es tat. Er imitierte sogar meine Stimme nach, wobei ich herzhaft lachte. Ich stellte mir vor, wie er dabei aussah. Mein Held. Als ich auflegte und wie eine dumme zu grinsen und lachen begann, fühlte ich die Glückseligkeit in meiner Brust verbreiten. Ich liebte ihn. Ich liebte ihn. Ich liebte ihn. Ich liebte ihn so sehr.
Nachdem ich das noch einige tausend Mal durch meinen Kopf gehen ließ, bekam ich eine Nachricht von einer unbekannten Nummer. Mit gerunzelter Stirn öffnete ich diese:
"Ich habe nachgedacht. Du hast Recht. Mein Leben bedeutet nicht, dir nachzurennen und das brauche ich einfach nicht. Du hast selber verloren und ich will nicht wie ein Psychopath enden. Na dann, Süße, ich hab schon eine Neue. Ich werde glücklich sein. Nils."
Ein Foto war darauf verlinkt. Ein Mädchen und Nils standen da. Das Mädchen war ziemlich hübsch.Ich löschte die Nachricht und hoffte, dass er es ernst meinte und wenn nicht, würde ich nicht mehr zögern, Erdem zu holen, damit er ihm seine hässliche Fresse poliert.
Am nächsten Tag war Montag. In der Schule umarmte mich Alara und sah mich leicht lächelnd an. Über diese Sache zu reden, hatte ihr gut getan. Nach der Schule wollte Erdem noch mit ihr reden, was sie ja momentan noch nicht wusste. Ich freute mich für sie. Sie verdiente das Glück einfach. Aber Erdem und ihr Verhältnis war einfach anders geworden. Sie waren eher kalt zueinander. Das hätte ein Blinder gemerkt.
Während des Unterrichts passten ich und Alara fleißig auf. Wir taten wieder ein auf Streber, verstanden aber nicht wirklich viel.
Nach der Schule traf ich mich mit Hakan. Wir gingen in ein Café und lachten viel. Die Welt schien eine ganz andere Bedeutung bei ihm zu haben. Es war alles kunterbunt. Ich brachte Hakan sogar auf den Friedhof, zu meinem Vater. Wir saßen dort eine Weile, ich schenkte meinem Vater Tränen.
»Mein Vater arbeitet immer sehr lange. Ich sehe ihn kaum«, berichtete Hakan mir, als wir wieder zurück gingen.
»Ach so, deshalb hab ich ihn letztens bei dir nicht gesehen?«
»Yep.«
»Osman arbeitet nicht so lange«, dachte ich nach und hörte das Hakan lachte.
»Was ist?«, fragte ich.
»Ich dachte, du siehst Osman nicht als eine Art Vater?«Die ganze Zeit in der Nacht dachte ich über seine Worte nach. Ja, vielleicht war mir Osman ja wirklich ans Herz gewachsen? Konnte das sein? Ich hoffte es. Mich quälte aber da noch eine Frage. Woher wusste Erdem, wo mein Vater begraben war?
Ich stand einfach auf und klopfte an seine Tür. Nichts. Bestimmt war er am schlafen. Pech.
Ich riss die Tür auf und betrat den Raum. Er schlief ehrlich. Plumpsend setzte ich mich auf sein Bett und rüttelte an ihm. »Wach auf!«, rief ich.
»Was hast du denn?«, kam es nach einigen Minuten aus seinem Mund und er drehte sich um.
»Erdem! Ich lass dich nicht schlafen, bis du mir endlich sagst, woher du herausgefunden hast, wo mein Papa liegt!«
»Ich-«, begann er, stoppte dann aber.
»Ich?«
»Ja, hab Facebook von deiner Mutter gehackt gehabt. Ich wollte eigentlich nur wissen, wohin sie verschwunden war, aber sie hat wohl bemerkt, dass dort jemand drin war und hat es deaktiviert. Aber die Info hatte ich dennoch.«
»Mhm«, machte ich und ging wieder hoch. Davor deckte ich ihn noch richtig zu.Am nächsten Tag fühlte ich mich ausgeschlafen und ging zur Schule. Die ersten beiden hatte ich Englisch. In der Pause ging ich auf einen Gang und traf dort auf Hakan.
Sein Grinsen war nicht zu übersehen, als er zu mir kam. »Wie geht's?«
»Ganz okay«, gab ich von mir und umarmte ihn fest. Ich nahm seinen Geruch in mich auf und fühlte seine Nähe. Er küsste mich auf meinen Kopf und die Schmetterlinge flogen wild in meinem Bauch umher. Wie schön es sich anfühlte. So sollte Liebe sein.»Ich liebe dich«, flüsterte er und alles um mir herum verschwand, als er mich wieder auf meine Stirn küsste, bis eine mir viel zu vertraute Stimme sprach. »Damla?«
Erdems Gesichtsausdruck ging mir nicht aus dem Kopf. Er sah geschockt aus. Scheiße, er hätte es nicht so erfahren sollen.
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Bei Fremden
RomanceDamla Demirs Leben ist nahezu perfekt, bis ihre Mutter entscheidet, neu zu heiraten. Das bedeutet: Neue Schule, fern von Freunden und ein neues Haus mit Fremden. Sie bekam nämlich nicht nur einen Stiefvater dazu, sondern auch einen Stiefbruder, der...