Bei Fremden
Kapitel 34Die Zunge rausgeschnitten!?
»N-nein«, brachte ich geschockt heraus. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Was war denn los?
»Ah, okay, das wäre dann schon Mal gut«, meinte Ceylan. »Warum bist du hier?«
»Äh«, stotterte ich.
»Du kannst mir vertrauen! Ich bin nicht auf der dunklen Seite von Hakan!«, rief sie und lächelte dabei frech. Dunkle Seite von Hakan?»Was? Nein«, murmelte ich und riss mich zusammen. »Ich wollte nur Latein lernen.«
»Aha, Latein. Hm, vielleicht ist das ja eine geheime Botschaft! Latein ist die Sprache der Toten! Heißt das, du musst sterben, wenn du Hakan nicht gehorchst? Oder meinst du damit irgendwelche brutalen Gladiatorenkämpfe?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Was dann!? Kein Mensch lernt freiwillig Latein oder bleibt freiwillig bei Hakan! Ich kenne ihn, ich bin seine Schwester!«Hakan schlug fest gegen die Tür, sodass kurz ein lautes Geräusch entstand. »Ceylan! Hör auf, so einen Mist zu erzählen! Ich breche gleich die Tür!«
Ich zuckte kurz zurück.
»Ach! Mach doch, wenn du willst! Aber dann erzähle ich sehr sehr peinliche Sachen über dich!«, brüllte Ceylan zurück und grinste triumphierend und schadenfroh zugleich. Sofort wendete sie sich dann zu mir. »Also?«
»Also, ich wollte bloß Latein lernen. Ich kann das nicht«, nuschelte ich und litt immer noch unter dem Schock.
»Okay, es kann ja sein, dass man Latein lernen muss, auch wenn es eine Qual ist, aber warum mit Hakan!? Das ergibt keinen Sinn!«
»Hakan ist nett...«
»Nett?«, wiederholte Ceylan und fing an sehr laut und sarkastisch zu lachen. »Nett? Ich glaube du denkst, dass die Definition von "nett" arrogant, selbstverliebt, viel zu schlau, angeberisch, äh, warte, im Moment fällt mir nichts mehr ein... Hm... Hm... Oh ja, misstrauisch, beleidigend, schadenfroh und und Hakan halt! Er ist lieber in seiner eigenen Welt!«
Ich schien zu überlegen. Das war der Hakan, den ich am Anfang kennen gelernt hatte. Wie lange war das her? Es schien mir wie eine Ewigkeit.»Wie heißt du überhaupt?«
»D-Damla«
»Schöner Name«, sagte Ceylan und lächelte süß. Sie konnte irgendwie von Thema zu Thema und damit auch von Laune zu Laune springen. Danach sah sie mich wieder mit neugierigen und leicht besorgten Augen an. »Wie lange kennst du denn Hakan überhaupt?«
»Z-zwei Wochen- ungefähr«, brachte ich brüchig hervor und starrte runter.
Wie komisch.»Klar, warum du ihn noch nicht satt hast«, murmelte Ceylan.
Ich bemerkte, wie mir eine Träne die Wange hinunter kullerte. »Bringst du mich hier weg?«, fragte ich sie und Ceylan nickte sofort. Sie nahm mich an der Hand und lächelte mich warm an. »Du bist verwirrt. Das sehe ich dir an. Ich finde, du solltest alles überdenken und dabei einen klaren Kopf behalten.«
Ceylan schloss das Zimmer auf.
»Endlich«, hörte ich Hakan zischen.
»Hakan, sie muss weg.«
Das war das Einzige, was sie sagte, nachdem sie mich am Arm vom Haus zog. Ich stieg in den Wagen ein und sie fuhr los. »Wo wohnst du?«
»XXX- Straße«, nuschelte ich und bemerkte viel zu spät, dass ich ihr aus versehen meine richtige Adresse gegeben hatte. Ceylan nickte und fuhr schon mit Vollgas. Sie überschritt garantiert den Limit, aber das interessierte sie wohl nicht.Es kam mit so vor, als ob wir in einem Augenschlag angekommen waren.
»Wir sind da«, sagte Ceylan noch einmal Bescheid.
»Äh, Ceylan«, murmelte ich und sie sah mich interessiert an. »Kannst du Hakan bitte nicht sagen, wo ich wohne...«
»Ja klar, aber nur so, Hakan würde jemanden nie belästigen, ich meine beleidigen schon, aber sonst. Er ist eben nur... Ach, ist schon gut. Geh nach Hause und wenn du etwas brauchst, hier ist meine Nummer.«
Sie gab mir eine Zettel, den sie aus ihrer Tasche holte. Hatte sie so etwas immer bereit?Ich nahm es, lächelte schwach und stieg aus dem Wagen. Mein Kopf pochte. Mein Gesicht war voller Tränen und meine Schritte führten mich langsam und mühevoll zum Haus. Ich holte meinen Schlüssel und versuchte die Tür aufzukriegen, da fiel der Schlüssel mir aus der Hand und mit dem Schlüssel fiel ich auch zu Knien und fing an zu weinen. Warum? Ich hatte keine Ahnung, aber ich weinte. Vielleicht war ich sauer auf mich, weil ich mein Vertrauen einfach wieder ohne jegliche Vorsicht geschenkt hatte. Hatte ich denn gar nichts wegen Nils gelernt?
Ich fing an zu schluchzen, laut und voller Kummer. Plötzlich wurde die Tür von meiner Mutter geöffnet. Sie blinzelte, als sie mich sah und half mir hoch. Sie brachte mich zum Wohnzimmer und holte dann meine Sachen von der Tür ab. Mit schnellen Schritten kam sie wieder zu mir, schmiss meine Sachen auf die andere Couch und sah mich mit gerunzelter Stirn an. »Was ist, Maus?«, fragte sie und setzte sich neben mich. Ich klammerte mich fest an sie, als ob sie sonst gehen würde. »Anne! (Mama!)«, rief ich. »Ich bin so verletzlich. Ich bin so klein. So zerbrochen. Ich fühle mich niedergeschlagen und ohne Kraft.«
Meine Mutter strich mir durch das Haar. »Maus, es wird alles gut.«
Diese Worte, sie gaben mir Kraft. Sie gaben mir Mut. War das ein Traum?»Mama, ich weiß nicht, was ich machen soll.«
»Mach das, was du immer tust. Sei verlogen, das fällt dir doch am leichtesten.«
Ein Stich. Dieser Stich, er durchbohrte meine Haut, grub sich weiter in mein Inneres und zerfleischte mein Herz.»Du sagst doch immer, ich würde mich nicht um andere kümmern. Du tust das auch nicht. Du bist egoistisch und denkst nur an dich. Du bist meine Tochter.«
Sie lachte noch und ging währenddessen. Ich lag so da und konnte es nicht fassen. Was war alles passiert? Wie war es passiert?Mir fielen einzelne Tränen über die Wange, während ich nachdachte. War ich wirklich egoistisch? War ich schlecht? War ich, war ich nicht besser als Bengü oder Nils? Hatte ich das alles verdient? Ich schluckte und schloss die Augen. Dabei legte ich mich auf das Sofa und weinte und weinte, bis ich einschlief.
...
Als ich aufwachte, war es schon sehr dunkel. Ich stand sofort auf und ging die Treppen hinunter. Mein Kopf tat mir weh und ich hatte unangenehmen Hunger. Ich rannte in die Küche und schmierte mir ein Schokoladenbrot. Wahrscheinlich schliefen alle schon.
Ich stöhnte und aß das Brot. Danach hatte ich keinen Hunger mehr, dafür aber war mir übel. Komisch.
Ich hielt mir den Bauch und setzte mich auf einen Stuhl. In dem Moment kam Osman in den Raum. Er sah mich verwirrt und gleichzeitig voller Sorge an. »Ich konnte nicht schlafen, ohne sicher zu gehen, dass es dir gut geht.«
"Mir geht es perfekt", wollte ich sagen, konnte aber nicht. »Mir geht es perfekt«, schluchzte ich und mein Herz tat weh. Osman kam zu mir und umarmte mich. »Es wird alles gut«, sagte er. Diese Worte kannte ich. Ihnen folgten meistens schlimme Sachen. Zumindest aus dem Mund meiner Mutter.»Du solltest wissen, dass ich für dich da bin, egal was geschieht.«
Mir kullerte eine Träne die Wange entlang.
»Du solltest wissen, Damla, dass es mir Leid tut. Es tut mir Leid, dass ich die nicht vertraut habe, dass ich deine Entscheidung nicht respektiert habe. Glaub mir, es war nur aus Sorge, es war nicht okay, aber es war aus Sorge.«
Ich wusste nicht, wie es so schnell geschah, aber ich rannte hoch in mein Zimmer und schloss mich ein. Danach ließ ich mich auf mein Bett fallen und schlief ein.Am nächsten Tag wachte ich früh auf. Meine Mutter betrat sofort mein Zimmer, als hätte sie gewusst, wann ich aufgewacht war. Sie sah mich hasserfüllt an. »Sag, was hast du wieder angestellt? Wenn du schon etwas tust, dann lass es nicht alle wissen!«
Sie ging wütend aus dem Zimmer und ich ließ mich wieder auf mein Bett fallen.Jetzt erinnerte ich mich wieder, was mein Hauptziel war. Ich wollte hier weg. Ich musste von hier weg.
DU LIEST GERADE
Bei Fremden
RomanceDamla Demirs Leben ist nahezu perfekt, bis ihre Mutter entscheidet, neu zu heiraten. Das bedeutet: Neue Schule, fern von Freunden und ein neues Haus mit Fremden. Sie bekam nämlich nicht nur einen Stiefvater dazu, sondern auch einen Stiefbruder, der...