Bei Fremden
Ge. 03- Kapitel 52
Stille. Der Augenblick wurde zur Ewigkeit. Wir unterbrachen den Blickkontakt nicht, weshalb ich genau beobachten konnte, wie sich seine Augen Stück für Stück öffneten. Mein Herz raste. Wie würde er reagieren? Was würde er tun? Dieser Druck in meiner Brust vergrößerte sich. Ich atmete unregelmäßig und war still, während ich in mir schrie und rief und wollte, dass er endlich etwas sagte.
Sein Mund öffnete sich leicht und da schellte es. Die Schulglocke war heute ohrenbetäubend. Es zerstörte mich, hallte in meinen Ohren, doch ich konnte mich keinen Stück bewegen. Immer noch sah ich gebannt in seine Augen und es schockte mich, als er plötzlich anfing zu lachen. Er lachte eiskalt. War das ein schlechter Scherz?
»Beinahe hätte ich dir geglaubt, Damla, beinahe!«, lachte er. Mein Mund war aufgeklappt, nicht weil ich auch lachen wollte. Ich war nur geschockt und verstand nicht, was los war.
»Ich weiß, Damla!«, fuhr er fort. »Ich war echt scheiße zu diesem Mädchen und ich weiß auch, was du mir zeigen wolltest. Nämlich, dass die Person, die du nicht kennst, vielleicht jemand ist, den du gern hast oder jemand anderes gern hat. Auf jeden Fall war es falsch. Ich hab's kapiert.«
Ich drückte meine Lippen fest zusammen, bevor ich sprach. Es fühlte sich komisch an. Als ob die Worte, die ich jetzt sagen würde, sehr bedacht sein sollten, als ob sie alles ändern könnten. »Was, wenn ich es doch wäre?«, fragte ich mit leicht zittriger Stimme. Warum zitterte meine Stimme so?
Hakan schob die Augenbrauen zusammen, doch er sagte nichts.
»Hakan«, forderte ich ih dazu zu reden und meine Stimme war beinahe nur noch ein Flüstern. Der Druck in meiner Brust wurde schlimmer. die Leute gingen an uns vorbei hoch in ihre Klassen, während wir beide wie angewurzelt standen.
»Dann hättest du es mir eher gesagt«, sprach er sicher aus und ich musste schlucken. Ich zwang mich schwer zum Stehen. Wir starrten uns noch an, bis ich zu Boden sah.
»Wir können ja nächste Pause noch reden?«, schlug Hakan vor, als schon fast alle weg waren. Ich sah ihn mit weit geöffneten Augen an. Nicht, weil ich geschockt oder überrascht war. Es war, weil ich die Tränen kaum unterdrücken konnte. Warum musste ich so dringend heulen? Warum!? Ich presste die Zähne fest zusammen, als die letzten Schüler weg waren.
Hakan winkte mir und drehe sich um. Jetzt oder nie! Besser heute oder morgen? Ich war doch schon spät genug.
»Hakan!«, rief ich und er drehte sich zu mir um. Entschlossen sah ich hoch in seine Augen. »Man soll seine Freunde kennen, aber noch besser seine Feinde. Wenn du Erdem als eine Art Feind siehst, solltest du ihn doch kennen, oder? Dann müsstest du wissen, dass er erst neu eine Stiefschwester bekommen hat! Und stell dir vor, welches Mädchen kam denn kürzlich zur Schule? Welches Mädchen hat Erdem einfach so umarmt?«
Mein Atem stockte. Sein Blick, es war, als würde er mich damit erwürgen.ich rannte weg, weg von ihm. Nur weit weg von seiner Entscheidung. Die Tränen stauten sich und ich fühlte mich mit jedem Schritt schwächer.
»Damla!«, rief eine Person mit hinterher. Es war Cindy. »Damla, warte! Ich habe aus versehen alle mitbekommen und ich könnte die helfen.«
»Du Schlampe!«, rief ich. »Verzieh dich aus meinem Blickwinkel, sonst bereust du es zutiefst! Bleib fern von mir! Das ist die beste Hilfe!«
Sie sah mich geschockt an. »Willst du denn etwa, dass die ganze Schule wissen soll, dass du die Schwester von Erdem bist?«, fragte Cindy lachend und ging mir mit ihrem Gelaber auf die nerven.
»Von mir aus soll es die ganze Welt erfahren!«, kreischte ich.
Danach ging ich zum Sekretariat und meldete mich ab. Zu Hause legte ich mich hin und schlief. Dauernd sah ich auf mein Handy mit der Hoffnung, dass er etwas schieb, irgendetwas. Als es klingelte, sah ich voller Freude darauf, doch stellte fest, dass es Alara war. Ich nahm nicht ab. Im Moment war ich nicht in der Lage mit ihr zu reden, also schrieb ich nur eine kurze Sms, dass es mir schlecht ging und ich mich abgemeldet hatte.
Danach ging ich aus mein Zimmer. Das Haus war leer. Nur ich. Wie von selbst führen mich meine Füße zum Zimmer von meiner Mutter und Osman. Ich setzte mich auf den Stuhl und fuhr das Laptop von meiner Mutter hoch. Ich wusste noch genau, dass sie bei Facebook mit ihrer Freundin über meinen Vater geredet hatte. Ob sie jetzt noch angemeldet war? Ich hoffte es. Es wurde mich auf andere Gedanken bringen.
Gesagt getan. Ich ging auf Facebook und sah, dass sie angemeldet war. Sie hatte drei neue Nachrichten. Ich tippte auf das Nachrichtensymbol und klickte auf das, wo ihre Freundin und sie über Vater gesprochen hatten. Die letzten Unterhaltungen waren nur leider gelöscht. Scheiße. Da stand jetzt nur noch als Frage von der Freundin: "Hast du heute Zeit?"
Ich fuhr das Laptop herunter und stöhnte. Als ich aus dem Zimmer gehen wollte, da öffnete sich die Tür und meine Mutter stand vor mir. Hä? Sollte sie nicht erst später herkommen? Sie sah mich geschockt an, packte mich sofort am Arm und zog mich aus ihrem Zimmer.
»Was hast du gesucht!?«, rief sie und zerrte mich die Treppen gewaltsam herunter. »Sag schon!«
»Anne! (Mama!)«, kreischte ich. »Lass mich los!«
Wir standen im Flut, als sie mich abrupt losließ und ich auf den Boden fiel.
Mutter hielt mein Gesicht in ihren Händen und sah mir in meine grünen Augen. »Maus, versteh doch. Es bringt dir nichts, die eigene Mutter als Feind zu haben. Versteh, ich liebe dich.«
Liebe? Das war Liebe? Trotzdem fühlte ich mich für dein Augenblick sicher, geborgen und die Wärme durchzog mich. Ja, für den Augenblick, denn danach stand ich wütend auf und sah sie zornerfüllt an.
»Maus, ich will das Beste für dich«, gab sie ohne jede Regung von sich. Es schellte an der Tür. Während meine Mutter die Tür öffnete, stampfte ich in mein Zimmer und legte mich wieder hin. Da läutete mein Handy. »Uff, Alara!«, schnauzte ich und nahm mein Handy in die Hand.
"Eine ungelesene Nachricht- Hakan"
Ich kreischte kurz auf und öffnete die Nachricht dann. Mein Herz pochte und das laden des Handys kam mir vor, als würde es Minuten dauern:
"Wie haben morgen kein Englisch. Wie wäre es, wenn wir trotzdem zur Schule kommen und dieses Projekt für Latein machen?"
Was sollte das jetzt bedeuten! War das jetzt ein Hakan, der nur Latein machen wollte, weil er es musste oder hatte er mir verziehen? Uff.
Ich tippte ihm schnell eine Antwort:
"Ja klar, Hakan. Willst du aber nicht noch etwas zu heute sagen?"
Es dauerte keine zwei Minuten, bis er antwortete:
"Ich würde bei einer so wichtigen Sache, lieber dir in die Augen sehen."
Ich stellte mir vor, wie er gerade gegenüber von mir stand und mir in die Augen sah. Etwas in mir bewegte sich und machte Sprünge. "ok", tippte ich und legte mein Handy zur Seite. Ich wusste immer noch nicht, was er dachte und fühlte. Das hieß abwarten.
Am nächsten Tag ging ich wie gewohnt zur Schule. Nachdem alle hoch gingen, setzte ich mich zu Hakan an einen Tisch in der Pausenhalle. Er schenkte mir keinen Blick. Ich räusperte mich, damit er hochsah, was er auch machte.
»Äh, hey«, brachte ich hervor.
Keine Antwort. Er packte ein Plakat und Stifte heraus.
»Hakan?«, sagte ich.
»Wieso?«, fragte er und sah mir stechend in die Augen. »Wieso hast du mir das nicht vorher gesagt?«
»Vielleicht, weil ich Angst vor deiner Reaktion hatte?«, gestand ich.
»Irgendwann wäre es doch sowieso rausgekommen.«
»Daran hab ich eben nicht gedacht!«, erwiderte ich. »Ich hab Erdem anfangs gehasst. Ich wollte nicht wahrhaben, dass er mein Bruder ist, aber dann hab ich seine gute Seite kennengelernt. Es war wie bei dir Hakan. Zuerst dachte ich, du bist arrogant und sieh dir mich jetzt an! Ich habe Angst, dich zu verlieren. Verstehst du? Erdem und du versteht euch einfach nicht. Warum verstehe ich ja nicht! Erdem ist so ein guter Mensch!«
Hakan schnaubte. »Guter Mensch?«
»Ja! Er sorgt sich doch sogar mehr um mich, als meine Mutter!«, schoss es aus mir heraus.
»Deine Mutter? Übertreibst du nicht?«
»Du kennst meine Mutter nicht!«
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Bei Fremden
RomanceDamla Demirs Leben ist nahezu perfekt, bis ihre Mutter entscheidet, neu zu heiraten. Das bedeutet: Neue Schule, fern von Freunden und ein neues Haus mit Fremden. Sie bekam nämlich nicht nur einen Stiefvater dazu, sondern auch einen Stiefbruder, der...