Kapitel 21

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Bei Fremden
Kapitel 21

Oh nein!
»Äh, das war so... mir ging es schlecht und ich war so doof und hab gefragt, ob er mich umarmt«, erklärte ich und Alara schien überrascht. »Und er war nicht abweisend und hat sich lustig über dich gemacht?«
Ich schüttelte den Kopf.

»Komisch... das passt gar nicht zu Hakan«, behauptete Alara und sah nachdenklich aus.
»Vielleicht sind manche Menschen ja nicht so, wie sie aussehen?«, schlug ich vor und Alara fing an lautlos zu lachen.

»Was?«, fragte ich.
»Merkst du nicht, wie du Hakan beschützt? Als ob er dir wichtig ist.«
»Spinn nicht, Alara!«
»Ja klar.«

Es schellte und wir packten unsere Sachen ein.

»Alara und Damla!«, rief unser Lehrer und ich wechselte einen Blick mit Alara. Wollte er jetzt schimpfen, weil wir im Unterricht geredet hatten?

»Ihr beide müsst nach der Stunde nachsitzen. Du Alara gehst in den Raum 53 und du Damla in den Raum 68!«
»Was? Wir sind nicht im selben Raum?«, fragte ich geschockt und unser Lehrer lachte. »Das wäre doch keine Strafe für euch.«

Wir gingen aus dem Raum und regten uns gemeinsam darüber auf.

Nach dem Unterricht verabschiedete ich mich von Alara und ging in meinen Nachsitzraum. Die Schule regte mich sowieso schon auf, die Schulstoffe waren viel zu schwer und da musste ich auch noch nachsitzen. Toll.

Ich setzte mich ganz hinten und einige der Schüler starrten mich an. In diesem Raum waren immer nur diese typisch schlimmen Schüler und die, die eigentlich normalerweise nicht so angriffslustig waren wurden angestarrt- genauso wie ich.

Genervt holte ich mein Lateinbuch, Stift und Papier heraus. Wann würde das je aufhören? Dieses Latein! Es brachte mich um!

Gerade war ich so konzentriert, da tippte mich jemand von der Seite. Als ich auf diese Seite sah, hatte sich die Person schon neben mich gesetzt und grinste mich schief an. »Noch immer am Übersetzen?«, fragte Hakan.

»Wie ich sehe hat Herr Metin heute sehr gute Laune«, scherzte ich und grinste dämlich. »Obwohl er nachsitzen muss wegen einer gewissen Person, die er nicht verpetzen wollte.«

»Hm«, machte er und hatte dabei einen gespielt nachdenklichen Gesichtsausdruck. »Ich glaube, Demir sollte sich deswegen keine Sorgen machen. Ich habe hier Spaß mit jede Menge hübschen Mädchen.«
»Ach«, erwiderte ich und hob die Braue. Er fing sofort an zu lachen und deutete auf das Lateinbuch. »Findest du nicht auch, dass die Mädels in Rom viel hübscher sind als jetzt?«

Ich schlug ihm gegen den Arm.
»Was hab ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?«, fragte er und tat ein auf unschuldig.
»Du verarschst mich die ganze Zeit!«
Er lachte wieder und irgendwie fand ich dieses Lachen so schön, als ob ich nie ein Lachen gesehen hätte.

»Wieso lässt du dich so leicht verarschen?«, fragte er mich und ich verschränkte sofort die Arme. »Ich werde nie leicht verarscht!«
»Willst du damit sagen, dass ich gut darin bin?«
»Naja«

Er lachte wieder kurz und deutete auf mein Buch. »Du hast heute Glück, wir brauchen nichts abschreiben, da kannst du deinen Text übersetzen.«
»Ich kann?«
»Mehr oder weniger.«
»Was willst du denn damit sagen?!«
»Du hast die Zeit dafür, aber an deiner Intelligenz könntest du noch etwas machen.«
Ich streckte ihm die Zunge heraus und sah zu meinem Buch. Ich würde es schaffen!

Beim Lesen des Textes spielte ich mit meinem Kugelschreiber herum. Währenddessen beobachtete mich Hakan die ganze Zeit. Das war mir so unangenehm. »Hör auf!«, befahl ich schließlich.
»Warum?«
»Weil ich mich sonst nicht konzentrieren kann!«
»Jetzt bin ich also auch noch für deine Konzentrationsschwäche verantwortlich, oder was?«

Ich sah ihn böse an und er zeigte auf mein Buch. Danach fing er an, mir zu erklären, wie ich es übersetzen sollte.

Es war am Anfang schwer, mich zu konzentrieren, weil er die ganze Zeit dabei grinste und ich ihn anstarren musste, aber danach ging es eigentlich. Er erklärte die Dinge so gut, dass ich mir selber total bescheuert vorkam. Ich meine, es ist ja eigentlich doch nicht so schwer! Wenn man es kann, kann man es!

»Ach so«, murmelte ich immer wieder und schrieb alles auf. Ich übersetzte danach weiter und er lachte mich bei jedem Fehler aus. Das hieß genauso, dass ich ihn bei jedem Lacher mit meiner Hand leicht schlug.

Als ich endlich zu Ende übersetzt hatte und mein Buch einpackte, kam ein Mädchen zu uns herüber. Sie war blond, groß und blauäugig. Eine wahre Schönheit.

»Hakan, könntest du mir später auch in Latein helfen?«, fragte sie und klimperte mit den Wimpern. Sie war so hübsch, dass ich irgendwie eifersüchtig wurde.

»Er ist zu sehr mit mir beschäftigt«, platzte es aus mir heraus. Hakan sah mich mit gerunzelter Stirn an, während die Blonde sich umdrehte und mit ihren Hintern wackelnd davon ging.

»Ach, ich bin also mit dir beschäftigt?«, fragte Hakan mich und grinste dämlich.
»Halt deine Klappe«, zischte ich und sah ihn wütend an.
»Ich bin doch so sehr beschäftigt, da kann ich die Klappe doch nicht halten.«
»Hakan!«
»Bist du eifersüchtig?«
»Wie kommst du auf den Scheiß?«

»Also nein?«, fragte er und hob eine Braue. Ich nickte. »Auf keinen Fall.«

Hakan stand auf und ging auf die Blonde zu. Sie grinste Hakan schon an. Sie beredeten irgendetwas und etwas flammte in mir auf. Ich bekam den Drang, ihr einzeln alle Haare raus zu reißen. Ich sah die beiden streng an. Das Mädchen lachte wie bescheuert und zeigte dabei ihre weißen Zähne.

Ich stand auf und ging mit einem Ruck zu den beiden. »Was beredet ihr?«, fragte ich und das Mädchen sah mich verachtend an.

Hakan sah mich lachend an ich erkannte an seinem Blick etwas, was sagte "Ha! Ich hab's gesagt!" Und dieser Blick machte mich verdammt wütend!

Was passierte bloß mit mir? War ich noch Damla?

Ich ging wieder auf meinen Platz und packte meine Sachen ein. Latein hatte ich schon fertig und obwohl meine Nachsitz-stunde noch nicht zu Ende war, wollte ich weg. Ich fühlte mich dumm. Wie konnte ich bloß so dumme Sachen machen?

»Damla wohin?«, fragte mich Hakan, der sich sofort von dem Mädchen abgewandt hatte und zu mir kam.

»Nach Hause«, stieß ich wütend heraus und tat noch mein Etui in die Tasche.

»Du gehst nirgendwo hin«, meinte Hakan und nahm mir meine Tasche weg.
»Gib das her!«, rief ich doch Hakan hielt meine Tasche in die Luft. Mist, so klein war ich doch gar nicht. Ich war nur ein Kopf kleiner als er, aber das machte schon alles aus. Ich sprang wie eine Irre herum und versuchte meine Tasche zu bekommen. »Gib es her!«

Gerade da hörten wir eine Stimme von hinten. »Metin, gib der Dame ihre Tasche zurück!«

Es war die Lehrerin, die gerade noch Draußen gewesen war. Ich und Hakan starrten die Frau an. Die Situation war mehr als nur peinlich.

Die Lehrerin setzte uns beide voneinander weg, weil sie meinte, Hakan solle sich mehr wie ein Gentlemen benehmen und so etwas. Ich musste irgendwie deswegen total grinsen.

Nachdem ich die Stunde abgesessen hatte, rannte ich sofort aus dem Raum. Dieses Mal wollte ich die Person sein, die plötzlich verschwunden war.

Als ich aus der Schule ging, rannte ich nach Hause. Es war wie eine Erleichterung für mich, doch als ich die Klingel mit dem Namen "Akkaya" sah, waren diese Erleichterungen alle plötzlich weg. Meine Mundwinkel zogen sich nach unten und ich wagte es nicht, zu klingeln.

Eine Weile kramte ich in meiner Tasche herum und fand schließlich den Hausschlüssel. Damit schloss ich die Tür auf und betrat leise das Haus. E roch nach... nach Osman und Erdem. Es waren diese Gerüche, die ich hasste.

Schnell zog ich meine Schuhe aus und ging langsam die Treppen hoch. Oben angekommen öffnete ich meine Zimmertür und konnte kaum fassen, was ich sah. Mein Mund klappte mir auf. Das sie mir das auch noch tat.

Meine Mutter kramte in meinen Schränken herum, als suche sie nach etwas. Sie bemerkte gar nicht, dass ich hier war. Sie kramte herum, ohne auf meine Privatsphäre zu achten.

»Anne(Mama), was machst du da?«, fragte. Es sollte sich eigentlich selbstsicher anhören, doch meine Stimme zitterte. Ich konnte es einfach nicht fassen. Es war wie ein Schlag, ein Schlag direkt ins Herz.

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