Kapitel 14

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Bei Fremden
Kapitel 14

»Bei Fremden?«, wiederholte Alara und ich nickte. Dabei flossen noch mehr Tränen über meine Wange. Ich weinte mich bei ihr aus und Alara wurde immer neugieriger über meine Familie.

»Dein Stiefbruder, siehst du ihn eigentlich häufig?«
Häufiger als mir lieb ist.
»Naja, fast immer wenn ich zu Hause bin.«

Ich nahm mir noch einen Schokoladenriegel und aß. Ich hatte mich etwas beruhigt und es ging mir dank Alara sehr viel besser.

»Hm, hast du ein Foto von ihm?«, fragte sie und ich schüttelte den Kopf.
»Ich hab keine Fotos von Leuten, die ich hasse.«
Sie nickte nur abwesend.

Danach redete ich weiter über Nils und Bengü. Ich schüttete mich bei ihr aus und aß auch zu Abend bei ihr. Ihre Familie war so süß und glücklich. Sie lachten und redeten alle. Es schmerzte mir, sie alle hier so zu sehen. Es war so eine Familie, wie ich sie mir immer gewünscht hatte.

Ich unterdrückte zu weinen, sondern lächelte gequält.

Außerdem hatte ich recht. Sie hatte Besuch von ihren Tante und deren Kindern. Während sie alle eine große glückliche Familie waren, kannte ich keine meiner Verwandten, außer meine Mutter und ... meinen Vater, auch wenn nur so wenig. Es war brutal von meiner Mutter. Ich wusste nämlich nicht einmal wo sein Grab war.

Sie hat es mir nie gesagt. Sie wollte es mir nie sagen. Egal, wie sehr ich sie anschrie, wie sehr ich sie darum bat, sie sagte es mir nie.

Ich schluckte meine Trauer hinunter und aß. Der Typ, der mich hierher gefahren hatte, saß vor mir und sah mich neugierig an. Er war Alaras Cousin, wie ich mitbekommen hatte.

Nach dem Essen sollte er mich nach Hause fahren. Ich musste in dieses Drecksloch, denn ich musste morgen zur Schule. Ich musste so tun, als ob alles okay wäre.

Als er mich nach Hause fuhr, starrte er mich die ganze Zeit bescheuert an, was mich ehrlich total nervte. Ich saß auch noch am Beifahrersitz. Mein Blick war starr aus dem Fenster gerichtet.

»Wie heißt du?«, fragte er, doch ich ignorierte ihn. Es ging mir eh nicht gut, warum gibt es so doofe Menschen, die das nicht verstehen wollen? Muss ich die anschreien oder gleich herum heulen, damit man versteht, dass man mich in Ruhe lassen soll?

»Hey, wie sind schon lange da!«, rief er und ich realisierte erst da, dass wir gestoppt hatten. »Danke«, murmelte ich und stieg aus.

Ich ging zügig auf das beschissene Drecksloch zu und klingelte. Erst, als sich die Tür öffnete, fuhr der Cousin weiter.

Ich winkte noch kurz, warum? Provokation.

Osman öffnete die Tür und er hatte eben nur gesehen, dass im Auto ein Typ gesessen hatte.

Ich ging in das Haus und zog meine Schuhe aus.

»Wo warst du?«, fragte Osman mich vorwurfsvoll. »Du warst ganze Tage weg! Wieso hast du uns nicht Bescheid gegeben!«

Ich blinzelte und wartete bis er zu Ende sprach. Dann lächelte ich leicht.
»Osman, ich bin manchmal für ganze Monate weg und bis jetzt hat das meine Mutter wenig interessiert. Was ändert diese Tatsache bitte?«

Er sah mich geschockt an und ich ging bis zu den Treppen, als er weiter sprach. »Warst du mit dem Deutschen weg?«

Mein Herz begann zu schmerzen, als ich an Nils dachte, aber ich musste stark werden. Ich hatte bis jetzt nichts Besseres von meiner Mutter gelernt. Das Einzige war, dass ich auf mich allein gestellt war.

»Ja«, gab ich mühsam zurück. Aus irgendeinem Grund, hasste ich Osman nicht mehr so sehr. Ich hasste ihn nicht, aber ich hasste es, dass er mich herumkommandierte. Ich war und würde niemals seine Tochter werden! Niemals! Damit müsste er fertig werden.

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