Kapitel 08

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Bei Fremden
Kapitel 08

Der Typ sah die ganze Zeit aus dem Fenster, bis der Lehrer anfing, zu erzählen. Seine stechend grünen
Augen sahen mich kein weiteres mal an. Sie sahen entweder starr zum Lehrer oder starr auf sein Papier.
Sein Haar war fast schon schwarz und sein Blick arrogant.
Ich sah ihn auch nicht an. Was glaubte dieser beschissene Schnösel, wer er war? Kein Wunder, dass keiner neben ihm sitzen wollte. Der war so... bah!
Gar nicht in Worte zu fassen!
Ich fühlte mich in seiner Nähe beschissen- total unwohl.
Machte der das Absichtlich? Konnte er
irgendwelche Strahlen aussetzen, die einen unwohl fühlen ließen?
Über der Tafel war eine runde Uhr. Ich starrte die ganze Zeit darauf.
Es war noch so lange!
Okay! Okay, ich nehme es zurück. Ich will neben der bescheuerten Schlampe sitzen! Da konnte ich wenigstens irgendwelche bescheuerten Kommentare über sie machen oder so! Aber bei dem Typ? Er war so... anders. So komisch. Ich starte weiterhin auf die Uhr. Sowieso konnte ich mich neben dem Kerl nicht konzentrieren.

»Könnten sie mir die Antwort geben, Fräulein Demir?«, fragte unser Lehrer auf Englisch. Mein Blick rutschte von der Uhr zum Lehrer. Verdammt.
Ich biss mir auf die Lippe und erkannte, wie diese Cindy, die neben Erdem saß, anfing zu lachen.
Ich fühlte mich Scheiße und sah auf mein Blatt. Ich hörte ein kurzes leidenschaftliches Lachen neben mir.

Ich sah kurz zu dem Kerl. Seine Mundwinkel zeigten nach oben.
»Hakan, könntet du uns die Antwort sagen?«, fragte der Lehrer, wieder in Englisch. Der Typ neben mir stand auf und sagte etwas auf Englisch. Dann setzte er sich immer noch lächelnd auf seinen Platz.
Hakan also. Alle Hakans sind doof. Okay, nicht alle, aber dieser auf jeden Fall. Hakan lachte noch etwas. Sein arroganter Blick war wie verpufft, aber dieses Lachen gefiel mir noch weniger.
Wer mag es schon, wenn er ausgelacht
wird?
Nach der Stunde ging ich mit Alara raus.
»Kurtuldum ondan! (Ich bin sie losgeworden!)«, zischte Alara, als wir runter gingen.
»Die ist echt schlimm!«
Ich nickte. »Kann ich mir vorstellen.«

Wir setzten uns auf eine Bank.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich Alara alles vertrauen könnte.
Alara machte große Augen und sah mich interessiert an. »Wie war es denn bei dir? Du hast ja neben Hakan
gesessen.«
Ich stöhnte. »Der Typ ist einfach bescheuert!«
Alara nickte. »Auf jeden Fall! Okay, ich gebe es zu, er sieht gut aus, aber das ist echt alles.« Sie verdrehte die Augen.
»Vor allem gibt der wohl
jedem Mädchen einen Korb.«
Ich hob eine Braue. »Ach, gibt es wirklich Mädchen, die auf so was stehen?«

Wir lachten. In dem Moment ging Hakan von uns vorbei. Ein Mädchen ging hinter ihm her. »Äh, Hakan,
ich wollte dich etwas-«
Gerade da sah Hakan das Mädchen mit einem solchen Blick an, dass sie kurz zurückschreckte und dann sofort ging.
Boah, was glaubt der Typ wer er
war?
Hakan ging einfach weiter.
Er nervte mich jetzt schon gewaltig.
Wir makierten in unseren Stundenplänen, welche Kurse wir gemeinsam hatten. Als ich mit dem
makieren fertig war, sah ich zu Alara, die schon lange fertig war.
Sie formte ihre Hände zu Fäusten und sah mit glasigen Augen nach unten. Ich sah sofort zur Stelle, wohin sie gerade gesehen hatte.
Dort stand Erdem mit einer Gruppe von Typen und den Schlampen.
Cindy redete mit ihm und sah ihn dreckig an.
Ich nahm ihre Hand. »Ich hab doch gesagt, dass er ein Arschloch ist«, murmelte ich leise.
Es tat irgendwie furchtbar weh, dass sie traurig war.

Alara sah zu mir. Ihre Augen waren rot und eine Träne kullerte ihr die Wange entlang. »Ist er nicht«, flüsterte
sie leise.
Das versetzte mir einen Hieb mitten ins Herz. Verdammt, wie sehr liebte sie ihn?
»Er ist es wirklich nicht«, murmelte sie. »Es ist einfach nur wegen diesen Schlampen. Er, er...«
Sie schloss die Augen und ihr kullerten noch mehr Tränen hinunter.
Ich nahm Alara fest in die Arme.
»Er ist nicht so einer«, flüsterte sie mir verheult in mein Ohr. Es tat furchtbar weh, sie so zu hören. Es war so, als
ob ein Teil meines Herzens weggerissen wurde.
Ich
ging durch ihr Haar. Sie weinte lautlos. Dann lösten wir uns von der Umarmung. Sie wischte sich die
Tränen weg. »Weißt du, manchmal habe ich doch noch Hoffnung und denke, dass er zu mir sehen würde... manchmal. Aber dann sehe ich die Realität. Was will er denn bitte von mir?«
Ich sah Alara ernst an. »Alara, sag so etwas nicht! Du bist tausend mal schöner als diese Schlampe!
Außerdem erkennt man doch gleich, dass sie einen vergammelten Charakter hat!«
»Vergammelter Charakter?«
Ich nickte. Sie lächelte leicht und umarmte mich wieder. »Danke«
»Ich hab doch nichts getan!«
»Doch«, murmelte sie leise.
Die nächten Stunden hatten wir wieder gemeinsam. Wie ich merkte, hatte ich nur Latein nicht mit ihr, weil sie Französisch hatte. Aber das wir so viel
gemeinsam hatten, war schon ein Wunder. Es klingelte und ich ging mit Alara hoch. Im Unterricht
wurde Alara unaufmerksam. Sie radierte mit ihrem Radiergummi auf den Tisch und das die ganze
Stunde- den ganzen Tag.
Nach Schulschluss fragte ich sie, ob sie vielleicht mit mir in die Stadt wollte. Sie schüttelte zuerst den Kopf, doch dann überredete ich sie. Ich musste sie
schleinigst in andere Gedanken bringen. Wir setzten uns in ein Eiscafe und bestellten uns Eisbecher. Sie war so abwesend und manchmal kullerte ihr eine Träne hinunter, die sie schnell
wegwischte. »Glaubst du, ich hätte je eine Chance bei ihm?«

Ich sah auf mein Eis und stocherte mit dem Löffel darin herum. »Klar«
Ich wünschte mit eigentlich, dass sie von ihm los wurde. Erdem war kein Kerl für sie. Alara war eine Schönheit und ihr Charakter war top. Sie war wie eine Blume. Man musste sie pflegen. »Könntest du ihn vergessen?«, fragte ich, ohne sie dabei anzusehen.
»Nein«, murmelte sie und ich sah in ihre schon wieder glasig gewordenen Augen. Sie sah kurz in ihre Hände
und dann wieder zu mir. »Ich glaube nicht. Er ist meine erste Liebe. Dieses Gefühl, wenn er mich nur ansieht... es kommt mir so vor, als ob mein Herz
explodieren wird. Es ist so unbeschreiblich...«
Ich schwieg. Konnte man die Liebe in ihr überhaupt löschen? War das möglich? Aber die darf doch nicht
Erdem lieben! Soll ich ihr sagen, dass er mein... ich musste schlucken... Stiefbruder war? Nein! Auf keinen Fall!

Wir gingen mehrere Geschäfte durch. Es gefiel mir nichts wirklich, aber das war auch nicht der Grund, weshalb ich hier war. Ich versuchte Alara zum lachen zu bringen. Sie lachte viel, aber die Trauer in ihr ließ nicht nach. Wir gingen später in einen kleinen Schmuckgeschäft.

Ich liebte Schmuck. Es gab so vieles Schönes. Wir sahen uns alles an. Ich holte mir einen Ring, der rund
war und spitz verlief. Wenn ich jemandem damit ins Gesicht schlagen würde, würde er eine schöne Wunde
bekommen. Ich musste lachen, wenn ich mir vorstellte, wie ich damit Erdem in seine vorlaute Fresse traf.
Alara holte sich eine Kette. Sie war voller Blümchen. Somit gingen wir aus dem Laden. Alara bekam eine bessere Stimmung. Sie lachte wieder richtig und vom ganzen Herzen. Sie war so schön, wenn sie lachte.
Auf solche Mädchen konnte man eifersüchtig werden.
Später beschlossen wir in einen Kinofilm zu gehen. Wir entschieden uns für einem Comedy-Film, denn
auf Liebe hatten wir beide keine Lust.
Ich war auch leicht in Kummer, wegen Nils. Es war mehr ein Liebes-Film, als das es Comedy war, musste ich voller Trauer feststellen, als wir
hineingingen. Vor uns saß vorerst keiner, bis sich mitten im Film
zwei Leute hinsaßen.

Ein Mädchen und ein Junge. Es war zu dunkel, um mehr auszumachen. Innerlich betete ich, dass sie sich jetzt nicht küssen sollten oder so, denn erstens wollte ich das nicht sehen und
zweitens wusste ich nicht, wie Alara darauf reagieren würde.
Alara sah nur zum Film. Ich konnte mich gar nicht mehr auf den Film konzentrieren. Ich musste dieses
beschissene Paar anglotzen. Ob es denen unangenehm wurde?
Ne, sonst hätten die doch nach
hinten gesehen. Das Mädchen kuschelte ihren Kopf an dem Kerl, der
eher abweisend war. Ein Liebespaar stellte ich mir anders vor. Außerdem lachte sie mega laut, wenn etwa wiziges Geschah.
Das nervte voll.

Alara sah auch am Ende des Filmes zu dem Paar und ihr Mund klappte auf.
Ihr Blick wurde verzweifelt.
Was war denn jetzt los?
Sie stand auf und rannte aus dem Saal.
Da ging das Licht wieder an und ich musste Erdem und diese Schlampe Cindy vor mir sehen.

Oha! Wa soll das denn? Vor Schock war ich wie gelähmt. Das hatte ich nun
ehrlich nicht erwartet.

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