Kapitel 58

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Bei Fremden

Ge. 03- Kapitel 58

Zu Hause kochte ich erst einmal. Wenn ich nichts machte, bestellten wir immer etwas und ehrlich, irgendwann fing es an zu nerven. Vor allem, weil es fast immer dasselbe war, was meine Mutter bestellte.

Ich hatte mich langsam schon an das Leben gewöhnt. Es war, als sei mein altes Leben nie real gewesen, ein Traum, von dem ich schließlich aufgewacht war. Unwichtig, nur ein ein einziger Augenblick, der mir zu echt vorkam.

Ich sah die ganze Zeit auf mein Handy, welches nahe an der Herdplatze stand. Innerlich hoffte ich einfach, dass Ceylan endlich anrief und mir sagte, dass alles okay war, dass sie es geschafft hatte. Ich hatte noch nicht einmal Alara anrufen können. Ihr unnötig Hoffnungen machen, wollte ich nicht. Aus Erfahrung wusste ich, dass es einem so nur noch schlimmer ging. Aber bald musste ich es ihr sagen. Sie wollte schließlich mit ihren Eltern über das Thema sprechen und wie ich wusste, war es genau das, was die vermeiden wollte. Uff.

»Oh man, riecht das lecker«, meinte Erdem, als er die Küche betrat.

»Ruf doch bitte die Anderen«, erwiderte ich knapp. Ich legte für jeden Essen in auf die Teller und ging dann hoch. Mein Appetit war mir vergangen. Wie sollte ich bei dieser Situation noch essen?

Ich setzte mich auf mein Bett, nachdem Erdem einfach in das Zimmer geplatzt kam. »Isst du nichts?«, fragte er mich. Seine Blicke waren besorgt. Er setzte sich neben mich, während ich überlegte, ihm das ganze zu erzählen. Es ging ja um Alara und somit auch um ihn oder?

»Hab bloß keinen Hunger«, erklärte ich schließlich. Wenn er es wissen sollte, würde es Alara ihm schon sagen. Es war ihre Entscheidung.

»Klar, das glaub ich dir auch«, entgegnete Erdem, was süß, aber auch lästig war.

»Ehrlich. Mach dir keine Sorgen. Wenn was ist, weiß ich wo deine Tür ist.«

Er grinste schief. »Und wenn du nicht kommst bin ich super-duper-mega-ultra-extrem-sauer!«

Er schaffte es auch immer wieder mich zum lachen zu bringen.

»Okay okay!«, rief ich und grinste. Erdem strich mir noch über das Haar und ging dann aus dem Zimmer. Ich legte mich hin und starrte wie hypnotisiert auf mein Handy. Ruf doch an, Ceylan. Bitte.

Mein Handy klingelte. »Yes!«, rief ich und schnappte es mir. »Ceylan?«

»Du wirst es nicht glauben!«, rief sie und lachte dabei. Das konnte doch nur etwas Gutes heißen. »Damla, Furkan musste vor seinen Eltern und vor der wunderschönen Ceylan Metin diesen Lehrer anrufen, auch wenn ich nicht weiß, warum er seine Nummer hat, naja auf jeden Fall hat er alles zugegeben! Dazu hat er seinem Vater versprochen, dass er morgen noch einmal mit diesem Lehrer spricht, während deine Freundin dabei ist. Wenn er es nicht tut, hat sein Vater ihm gedroht, wird er in ein Internat geschickt, damit er zum Mann wird.«

»Ich fasse es nicht«, nuschelte ich und musste einfach nur grinsen. »Ey, Ceylan, du bist so- so unbeschreiblich wow, ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll!«

»Hahaha, man Damla, übertreib nicht. Ich mach das doch gerne für dich!«

Wir sprachen noch etwas, dann legte ich auf, damit ich Alara Bescheid geben konnte.

Alara hatte zum Glück noch nichts zu ihren Eltern gesagt. Sie freute sich tierisch und ich war endlich auch glücklich. »Du bist einfach nur wundervoll, Damla!«, rief sie. Ich erklärte ihr, dass ich Hilfe hatte, aber von wem verriet ich ihr nicht. Was sollte ich sagen, woher ich so guten Kontakt zu Ceylan hatte? Sie würde auf falsche Gedanken kommen.

Am nächsten Tag machte ich mich wie immer für die Schule fertig. Donnerstag. Ich mochte Donnerstage eigentlich nie wirklich besonders. Na ja, die ersten beiden Stunden mit Hakan konnten ja ziemlich lustig sein. Wäre Alara nicht auch noch die anderen Stunden mit mir im Unterricht, wäre die Schule eine reine Qual.

Ich setzte mich zu Alara. Bis zum Schellen hatten wir noch eine Weile.

»Also, wir gehen in der ersten Pause dorthin?«, stellte ich klar. Sie nickte und sah aufgeregt aus. »Er glaubt uns doch, oder?«

»Er muss.«

Ich musste mich auf jeden Fall noch einmal heftig bei Ceylan bedanken. Sie war so hilfsbereit.

Es schellte und ich ging hoch zum Lateinraum. Hakan saß schon auf seinem Platz und sah aus dem Fenster. Mein Herz machte einen Satz. Ich mochte es irgendwie, wenn er so wegguckte. Zumindest, wenn er es nicht aus Hass oder Wut nach mir machte. Ich stolperte auf meinen Platz.

»Guten Morgen«, nuschelte ich.

»Morgen«, murmelte er zurück, sah mich jedoch nicht an. Hatte ich etwas falsch gemacht? Hatte Bengü ihn doch irgendwann gefunden und ihm klargemacht, dass ich scheiße war? Ne. Oder?

Unsere Lehrerin kam schon und grinste uns alle an. »Salve discipuli et discipulae.«

»Salve magistra«, antwortete die Klasse im Chor. Ich blieb still. Mir war nicht nach Begrüßung. Schweigend sah ich Hakan an.

»Heute machen wir einen Vokabeltest. Ich hatte euch letztens schon die besonderen Vokabeln gegeben, die ihr lernen solltet«, erklärte unsere Lehrerin und mein Mund klappte auf. Wie!? Wann hatten wir Vokabeln auf?

Sie verteilte die Tests und mein Herz schlug schneller. Ich wollte es nicht vermasseln. Wieso hatte ich letztens denn so für Latein sonst gelernt? Ich wollte einen guten Notendurchschnitt! Ich wollte einen guten Studiumsplatz! Man, Damla! Du stirbst nicht, wegen einem Vokabeltest!

Ich sah mir die Vokabeln an und biss mir auf die Lippe. Nicht einmal eine einzige Vokabel konnte ich. Was war das denn?

Ich sah automatisch ohne meinen Kopf zu drehen zu Hakan. Wenn ich schon eine schlechte Note bekam, dann sollte ich meine Zeit auch nicht mit raten von dummen Vokabeln vertreiben. Mist, ich würde ihn so gerne ansprechen. Hakan schielte kurz zu mir und auf meinen Zettel. Peinlich, bei mir stand ja gar nichts. Uff! Er hatte wieder gesehen, wie dumm ich war!

Plötzlich und das merkte ich ganz genau, schrieb er viel größer und sein Blatt schob er mehr zu mir. Was sollte das bedeuten? Sollte ich-? Er grinste schief, ohne mich anzusehen und deutete auf seinen Zettel. Ich musste plötzlich mit grinsen und schrieb von ihm ab. Oha! Ich biss mir währenddessen auf die Lippe und nahm mir vor, die Vokabeln zu lernen und mich nicht mehr vor Hakan zu blamieren.

»Okay, gebt ab!«, rief unsere Lehrerin, als ich gerade das letzte Wort geschrieben hatte. Ich hatte absichtlich nicht alles richtig gemacht. Erstens wäre das fies, zweitens würde das kein Lehrer glauben.

Wir gaben alle ab und Hakan grinste die ganze Zeit dämlich.

»Alles okay?«, fragte ich leise. »Du bist doch nicht mehr sauer auf mich, oder, wegen, weil-«

»-Wie soll man auf dich sauer sein können?«

Mein Herz klopfte wieder stark und eine Freude breitete sich in meiner Brust aus. Es war ein komisches Gefühl, welches Ruhe in mir gab und mich zum grinsen brachte. »Du bist so dumm.«

»Sagt die, die gerade abgeschrieben hat.«

»Psst!«, schimpfte ich und er lachte leise. In meinem Bauch tat sich etwas unbeschreibliches.

»Warum sollte ich leise sein?«, fragte er hinterhältig.

»Hakan!«

»Warum?«, lachte er. »Ich räche min doch so schön, weil du meine Schwester auf dumme Gedanken bringst.«

»Was für Gedanken?«

»Zum Beispiel, dass sie meine Sachen kaputt machen soll, wenn ich sie nerve.«

Ich lachte. »Dann nerv sie nicht.«

»Ehrlich!«, meinte Hakan. »Sie hat meine Spiel-Dc kaputt gemacht.«

»Dann war sie ja noch nett«, behauptete ich. »Ich hab die ganze Playstation kaputt gemacht.«

Er sah mich von der Seite an und sein Blick löste etwas in mir aus, das ich bis heute nicht richtig erklären konnte.

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