Kapitel 09

7.6K 307 14
                                    

Bei Fremden
Kapitel 09

Erdem sah mich auch geschockt an. Meine Augen wurden weit. Ich rannte schnell aus dem Saal. Wo war Alara bloß? Ich sah mich um und rannte dabei schon weiter. Rasend schnell ging ich in die Frauentoilette. Alara wusch sich gerade das Gesicht. Ihre Augen waren rot und ihre Wimperntusche verlaufen. Sie nahm sich ein Taschentuch aus ihrer Tasche und trocknete sich das Gesicht, nachdem sie die verschmierte Schminke losbekam.

»Mir geht es gut«, war ihr erster Satz. Es war genauso unglaubwürdig, als wenn sie sagen würde, dass sie Erdem nicht liebt. Sie schmiss das Taschentuch weg. Ich nahm sie sofort danach in die Arme. »Wird alles gut.«
»Wird es nicht«, flüsterte sie leise. »Ich hab eben keine Chance gegen sie.«

Ich löste mich von der Umarmung und sah Alara tadelnd an. Wie konnte sie glauben, diese Schlampe sei besser als sie? »Wüsste Erdem, dass du ihn gut findest, würde er dich nie mehr loslassen!«
Sie sah runter auf den Boden.

Wir verabschiedeten uns und sie fuhr weg, genauso wie ich auch. Zu Hause war ich total aufgebracht. Am liebsten würde ich dem Typ in die Fresse schlagen. Ich ging den Flur auf und ab, da hörte ich auch schon, dass jemand einen Schlüssel in den Haustürschloss steckte. Das musste Erdem sein. Meine Mutter und Osman waren weg und würden so schnell nicht wieder zurück kommen. Sie wollten gemeinsam etwas unternehmen.

Erdem betrat das Haus. Ich sah ihn voller Hass und Wut an.

»Ist etwas?«, fragte er.
»WAS HAST DU MIT DIESER CINDY ZU TUN?«
»Was interessiert dich das?«, fragte er in einem ruhigen Ton. Sein Gesichtsausdruck sagte, ich solle mich nicht in seinen Kram einmischen.

»Du behauptest, ich sei eine Schlampe, bloß weil ich einen Freund habe, GEHST ABER MIT EINER HURE AUS?!«
Er blinzelte. »Na und?«
»Wahrscheinlich bist du mit ihr auch schon paar mal ins Bett gestiegen!«
Er sah mich irritiert an. »Ich dachte, ich sei dir Scheiß-egal. Was soll das jetzt?«

»DU KAPIERST DAS NICHT, ODER? DU GLAUBST, DU DÜRFTEST DICH BEI MIR EINMISCHEN, ABER ICH SOLL DIE KLAPPE HALTEN, WENN ES UM DICH GEHT!«
»Chill mal, Damla. Sie hat mir nur in Englisch geholfen und dann wollte sie ins Kino. Ich konnte nicht nein sagen.«

»VERDAMMT! ICH HASSE DICH! VERPISS DICH AUS MEINEM LEBEN!«

Er verdrehte die Augen. »Glaubst du, ich wollte je so eine bescherte Schwester wie dich?«
Ich hielt mir die Ohren zu. Nein, ich gehörte nicht zu ihm. Nein, ich war nicht sine Schwester. Ich würde es nie werden. Ich rannte in mein Zimmer. Was war bloß los mit mir?

Diesem Erdem werde ich es noch zeigen!

Ich schnappte mir mein Handy und rief Bengü an. Sie hatte zwar immer gesagt, sie würde mich anrufen, hat es aber nie gemacht. Ich war es immer, die anrufte und deshalb fühlte ich mich schon ziemlich unerwünscht. War ich nicht mehr willkommen in ihrer Welt?

Es klingelte lange, dann hob jemand ab. »Hey, Bengü ist gerade kurz weg.«
Es war eine Frauenstimme. Wer das wohl war. »Wer bist du?«
»Ihre beste Freundin Selin.«
Selin war einer von den Schlampen auf unserer Schule. Jetzt, wo sie ihren Namen gesagt hatte, erkannte ich ihre Stimme auch wieder. Wie schnell sind die bitte befreundet geworden?
»Okay, Selin. Sag Bengü, sie soll Damla anrufen.«
»Ja ja.«

Sie legte auf und ich kam ins Grübeln. Was macht sie bitte mit der Schlampe? Ich tippte Nils Nummer. Vielleicht konnte er mir etwas darüber sagen. »Damla?«
»Hi, Schatz«
»Ich hab dich vermisst.«
»Ich dich auch. Hat du Zeit? Störe ich? Kann ich irgendwann vorbeikommen?«

Es entstand ein kurzes Schweigen. »Klar, du kannst mich besuchen kommen, wann immer du willst, aber gerade habe ich keine Zeit.«
»Okay«, murmelte ich und er legte auf. Ich fühlte mich einsam. Wenn ich daran dachte, wie Alara war und dann wie Bengü, wurde mir klar, was für eine Scheiß-Freundin Bengü manchmal war. Ich durfte zwar immer, wann immer ich wollte zu ihr, dafür musste ich aber nach ihrer Pfeife tanzen. So dumm wie ich war, hatte ich das auch noch getan.

Bei FremdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt